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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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lich ungleichartige Dinge mit einander zu vergleichen. Ungleichartig find
nun aber einmal der einzelne menschliche Körper oder Geist, und die zum
Wollen oder Handeln bestimmten Einrichtungen eines Staates. -- Solche
naturphilosophische Auffassungen des Staates tauchen von Zeit zu Zeit
immer wieder auf, theils aus einer ganzen krankhaften Richtung einer Zeit,
theils aus individueller mystischer und dichterischer Anlage. In neuerer Zeit
sind namentlich folgende Schriften zu nennen: Nibler, J. B., Der Staat
aus dem Organismus des Universums entwickelt. Landshut, 1805. --
(Wangenheim, K. v.,) Die Idee der Staatsverfassung. Frankfurt, 1815.
-- Bluntschli, J. C., Psychologische Studien über Staat und Kirche.
Zürich, 1844. -- Rohmer, Th., Die vier Parteien. Zürich, 1844.
§ 7.
7. Die Staatenverbindungen.

Allerdings hat jeder einzelne Staat die Aufgabe, das ein-
heitliche Leben seines Volkes herzustellen, und zwar in allen
Beziehungen und unter Berücksichtigung aller berechtigten Zwecke
der sämmtlichen in demselben enthaltenen Lebenskreise; und ein
jeder Staat soll in dieser Rücksicht völlig abgeschlossen und ge-
nügend sein. Dennoch ist die vernünftige Ordnung des mensch-
lichen Zusammenlebens nicht beendigt mit der vereinzelten Thä-
tigkeit jedes besonderen Staates. Vielmehr entstehen über diese
hinaus noch dreierlei Aufgaben, damit aber ein noch sehr erwei-
teter Lebenskreis. Erstens erzeugt das Nebeneinanderbestehen
mehrerer Staaten das Bedürfniß einer Ordnung unter ihnen
und ihren Theilnehmern, und gibt zu gleicher Zeit das Mittel
der Befriedigung. Zweitens kann die Unvollkommenheit einzel-
ner concreter Staaten die Gründung gemeinschaftlicher Er-
gänzungsanstalten veranlassen. Drittens endlich gewährt das
Zusammenwirken vieler, im Ideale aller, Staaten die Mög-
lichkeit der Erreichung weiterer bedeutender Vortheile und so-
gar der Gründung eines höhern Zusammenlebens der gesamm-
ten Menschheit 1).

1. Das Nebeneinanderbestehen mehrerer Staaten

lich ungleichartige Dinge mit einander zu vergleichen. Ungleichartig find
nun aber einmal der einzelne menſchliche Körper oder Geiſt, und die zum
Wollen oder Handeln beſtimmten Einrichtungen eines Staates. — Solche
naturphiloſophiſche Auffaſſungen des Staates tauchen von Zeit zu Zeit
immer wieder auf, theils aus einer ganzen krankhaften Richtung einer Zeit,
theils aus individueller myſtiſcher und dichteriſcher Anlage. In neuerer Zeit
ſind namentlich folgende Schriften zu nennen: Nibler, J. B., Der Staat
aus dem Organismus des Univerſums entwickelt. Landshut, 1805. —
(Wangenheim, K. v.,) Die Idee der Staatsverfaſſung. Frankfurt, 1815.
Bluntſchli, J. C., Pſychologiſche Studien über Staat und Kirche.
Zürich, 1844. — Rohmer, Th., Die vier Parteien. Zürich, 1844.
§ 7.
7. Die Staatenverbindungen.

Allerdings hat jeder einzelne Staat die Aufgabe, das ein-
heitliche Leben ſeines Volkes herzuſtellen, und zwar in allen
Beziehungen und unter Berückſichtigung aller berechtigten Zwecke
der ſämmtlichen in demſelben enthaltenen Lebenskreiſe; und ein
jeder Staat ſoll in dieſer Rückſicht völlig abgeſchloſſen und ge-
nügend ſein. Dennoch iſt die vernünftige Ordnung des menſch-
lichen Zuſammenlebens nicht beendigt mit der vereinzelten Thä-
tigkeit jedes beſonderen Staates. Vielmehr entſtehen über dieſe
hinaus noch dreierlei Aufgaben, damit aber ein noch ſehr erwei-
teter Lebenskreis. Erſtens erzeugt das Nebeneinanderbeſtehen
mehrerer Staaten das Bedürfniß einer Ordnung unter ihnen
und ihren Theilnehmern, und gibt zu gleicher Zeit das Mittel
der Befriedigung. Zweitens kann die Unvollkommenheit einzel-
ner concreter Staaten die Gründung gemeinſchaftlicher Er-
gänzungsanſtalten veranlaſſen. Drittens endlich gewährt das
Zuſammenwirken vieler, im Ideale aller, Staaten die Mög-
lichkeit der Erreichung weiterer bedeutender Vortheile und ſo-
gar der Gründung eines höhern Zuſammenlebens der geſamm-
ten Menſchheit 1).

1. Das Nebeneinanderbeſtehen mehrerer Staaten

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[34/0048] ³⁾ lich ungleichartige Dinge mit einander zu vergleichen. Ungleichartig find nun aber einmal der einzelne menſchliche Körper oder Geiſt, und die zum Wollen oder Handeln beſtimmten Einrichtungen eines Staates. — Solche naturphiloſophiſche Auffaſſungen des Staates tauchen von Zeit zu Zeit immer wieder auf, theils aus einer ganzen krankhaften Richtung einer Zeit, theils aus individueller myſtiſcher und dichteriſcher Anlage. In neuerer Zeit ſind namentlich folgende Schriften zu nennen: Nibler, J. B., Der Staat aus dem Organismus des Univerſums entwickelt. Landshut, 1805. — (Wangenheim, K. v.,) Die Idee der Staatsverfaſſung. Frankfurt, 1815. — Bluntſchli, J. C., Pſychologiſche Studien über Staat und Kirche. Zürich, 1844. — Rohmer, Th., Die vier Parteien. Zürich, 1844. § 7. 7. Die Staatenverbindungen. Allerdings hat jeder einzelne Staat die Aufgabe, das ein- heitliche Leben ſeines Volkes herzuſtellen, und zwar in allen Beziehungen und unter Berückſichtigung aller berechtigten Zwecke der ſämmtlichen in demſelben enthaltenen Lebenskreiſe; und ein jeder Staat ſoll in dieſer Rückſicht völlig abgeſchloſſen und ge- nügend ſein. Dennoch iſt die vernünftige Ordnung des menſch- lichen Zuſammenlebens nicht beendigt mit der vereinzelten Thä- tigkeit jedes beſonderen Staates. Vielmehr entſtehen über dieſe hinaus noch dreierlei Aufgaben, damit aber ein noch ſehr erwei- teter Lebenskreis. Erſtens erzeugt das Nebeneinanderbeſtehen mehrerer Staaten das Bedürfniß einer Ordnung unter ihnen und ihren Theilnehmern, und gibt zu gleicher Zeit das Mittel der Befriedigung. Zweitens kann die Unvollkommenheit einzel- ner concreter Staaten die Gründung gemeinſchaftlicher Er- gänzungsanſtalten veranlaſſen. Drittens endlich gewährt das Zuſammenwirken vieler, im Ideale aller, Staaten die Mög- lichkeit der Erreichung weiterer bedeutender Vortheile und ſo- gar der Gründung eines höhern Zuſammenlebens der geſamm- ten Menſchheit 1). 1. Das Nebeneinanderbeſtehen mehrerer Staaten

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/48>, abgerufen am 29.03.2024.