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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Ueber die Sittlichkeit der Vergnügungen.
daß ich nun auch auf der andern Seite im Genusse aller
Menschenfreuden so sparsam und pipisch seyn soll, damit
bleib mir vom Leibe; ich geniesse was ich vertragen und
bezahlen kann; das ist mein Maaß, und das Maaß ei-
nes jeden redlichen Mannes unter der Sonnen *).

Du selbst hast mir zugestanden, daß es keine Sünde
sey, ein Fürst, Craf oder Edelmann zu seyn; unser
Pfarrer hat es mehrmals öffentlich gepredigt, man könne
hunderttausend Thaler besitzen und doch selig werden,
obs gleich ein bisgen hart hergienge. Wenn ich also von
der Ehre und vom Gelde so viel nehmen darf, wie ich
vertragen und mit Recht erhalten kann, warum nicht
auch von der Lust? Wir sind nicht in Amerika, wo man
sich mit der Ehre der bloßen Menschheit begnügen muß,
und so lange es dauert, so wenig ein Edelmann als ein
Graf seyn darf; wir sind auch keine Wiedertäufer, daß
wir alle Freuden wie alle Güter gemein haben müssen;
und wenn dieses nicht ist, wenn einer Feldmarschall seyn
darf, obgleich hunderttausend für Gemeine dienen müs-
sen; wenn einer eine Million Pistolen besitzen mag, ob-
gleich eine Million Menschen nicht so viel Heller zählt:
so denke ich auch, ich dürfe satt Pasteten essen, wenn gleich
alle meine Nachbarn nur grob Brod zu kosten kriegen.

Du nennest das hart? .... Gut. Mitleidiger
Mann, ich will allen was mitgeben, es soll niemand bey
mir darben; ich will großmüthiger seyn als der König,
der seine ganze Ehre für sich allein behält, und billiger
als der Reiche, der immer noch mehr sammlet. Wir
Meister in der Kunst sich zu vergnügen, haben einen ed-
lern Hang als beyde, wir lassen keinen darben; und wir

sind
*) Honny foit qui maly pense.

Ueber die Sittlichkeit der Vergnuͤgungen.
daß ich nun auch auf der andern Seite im Genuſſe aller
Menſchenfreuden ſo ſparſam und pipiſch ſeyn ſoll, damit
bleib mir vom Leibe; ich genieſſe was ich vertragen und
bezahlen kann; das iſt mein Maaß, und das Maaß ei-
nes jeden redlichen Mannes unter der Sonnen *).

Du ſelbſt haſt mir zugeſtanden, daß es keine Suͤnde
ſey, ein Fuͤrſt, Craf oder Edelmann zu ſeyn; unſer
Pfarrer hat es mehrmals oͤffentlich gepredigt, man koͤnne
hunderttauſend Thaler beſitzen und doch ſelig werden,
obs gleich ein bisgen hart hergienge. Wenn ich alſo von
der Ehre und vom Gelde ſo viel nehmen darf, wie ich
vertragen und mit Recht erhalten kann, warum nicht
auch von der Luſt? Wir ſind nicht in Amerika, wo man
ſich mit der Ehre der bloßen Menſchheit begnuͤgen muß,
und ſo lange es dauert, ſo wenig ein Edelmann als ein
Graf ſeyn darf; wir ſind auch keine Wiedertaͤufer, daß
wir alle Freuden wie alle Guͤter gemein haben muͤſſen;
und wenn dieſes nicht iſt, wenn einer Feldmarſchall ſeyn
darf, obgleich hunderttauſend fuͤr Gemeine dienen muͤſ-
ſen; wenn einer eine Million Piſtolen beſitzen mag, ob-
gleich eine Million Menſchen nicht ſo viel Heller zaͤhlt:
ſo denke ich auch, ich duͤrfe ſatt Paſteten eſſen, wenn gleich
alle meine Nachbarn nur grob Brod zu koſten kriegen.

Du nenneſt das hart? .... Gut. Mitleidiger
Mann, ich will allen was mitgeben, es ſoll niemand bey
mir darben; ich will großmuͤthiger ſeyn als der Koͤnig,
der ſeine ganze Ehre fuͤr ſich allein behaͤlt, und billiger
als der Reiche, der immer noch mehr ſammlet. Wir
Meiſter in der Kunſt ſich zu vergnuͤgen, haben einen ed-
lern Hang als beyde, wir laſſen keinen darben; und wir

ſind
*) Honny foit qui maly penſe.
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[28/0040] Ueber die Sittlichkeit der Vergnuͤgungen. daß ich nun auch auf der andern Seite im Genuſſe aller Menſchenfreuden ſo ſparſam und pipiſch ſeyn ſoll, damit bleib mir vom Leibe; ich genieſſe was ich vertragen und bezahlen kann; das iſt mein Maaß, und das Maaß ei- nes jeden redlichen Mannes unter der Sonnen *). Du ſelbſt haſt mir zugeſtanden, daß es keine Suͤnde ſey, ein Fuͤrſt, Craf oder Edelmann zu ſeyn; unſer Pfarrer hat es mehrmals oͤffentlich gepredigt, man koͤnne hunderttauſend Thaler beſitzen und doch ſelig werden, obs gleich ein bisgen hart hergienge. Wenn ich alſo von der Ehre und vom Gelde ſo viel nehmen darf, wie ich vertragen und mit Recht erhalten kann, warum nicht auch von der Luſt? Wir ſind nicht in Amerika, wo man ſich mit der Ehre der bloßen Menſchheit begnuͤgen muß, und ſo lange es dauert, ſo wenig ein Edelmann als ein Graf ſeyn darf; wir ſind auch keine Wiedertaͤufer, daß wir alle Freuden wie alle Guͤter gemein haben muͤſſen; und wenn dieſes nicht iſt, wenn einer Feldmarſchall ſeyn darf, obgleich hunderttauſend fuͤr Gemeine dienen muͤſ- ſen; wenn einer eine Million Piſtolen beſitzen mag, ob- gleich eine Million Menſchen nicht ſo viel Heller zaͤhlt: ſo denke ich auch, ich duͤrfe ſatt Paſteten eſſen, wenn gleich alle meine Nachbarn nur grob Brod zu koſten kriegen. Du nenneſt das hart? .... Gut. Mitleidiger Mann, ich will allen was mitgeben, es ſoll niemand bey mir darben; ich will großmuͤthiger ſeyn als der Koͤnig, der ſeine ganze Ehre fuͤr ſich allein behaͤlt, und billiger als der Reiche, der immer noch mehr ſammlet. Wir Meiſter in der Kunſt ſich zu vergnuͤgen, haben einen ed- lern Hang als beyde, wir laſſen keinen darben; und wir ſind *) Honny foit qui maly penſe.

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/40>, abgerufen am 29.03.2024.