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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

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Siebenter Gesang.
70
Große Dinge, sprach er, und wundervolle Geschichte
So verschieden von allem auf dieser niederen Erde,
Hast du uns offenbart, o göttlicher Lehrer! Dich sandte
Von dem Empyreum herab des Ewigen Gnade,
Uns in Zeiten vor Dingen zu warnen, die unser Verderben,
75Wenn sie uns unbekannt blieben, vielleicht beschleuniget hätten,

Da wir durch unsern Verstand sie nicht zu erreichen vermochten
Mit unsterblichem Dank sind wir der unendlichen Güte
Auch für diese Warnung verpflichtet, und feyerlich fassen
Wir den festen Entschluß, den Willen des obersten Herrschers
80Unverbrüchlich zu halten; der Zweck, warum wir gemacht sind [Spaltenumbruch] f).

Aber indem du so huldreich uns würdigst, zu unserer Lehre,
Dinge, weit über die irdschen Gedanken, vor uns zu enthüllen,
Die nach der obersten Weisheit Befehl zu unsrer Erkenntniß
Nöthig schienen; so laß dir auch itzt herunter zu steigen,
85Und zu erzählen gefallen, was uns zu wissen nicht minder

Vortheilhaft scheint; wie dieser Himmel im Anfang entstanden,
Der so entfernt ist von uns, mit zahllosen feurigen Kugeln
Ausgeziert, und die umringende Luft, die alles, was Raum heißt,
Macht, oder ausfüllt; und rund um verspreitet, den blühenden Erdball
90Eingewickelt. Entdecke mir doch, was bewog ihn, den Schöpfer,

Jn der heiligen Ruhe der langen Ewigkeiten
Noch so kürzlich im Chaos zu baun [Spaltenumbruch] g); wenn hat er die Schöpfung
Ange-
f) Der Wille Gottes ist der Endzweck
alles dessen was wir find. Offenb. Joh.
IV, 11. Du hast alle Dinge geschaf-
fen, und durch deinen Willen ha-
ben sie das Wesen, und sind ge-
schaffen. N.
g) Man hat oft die Frage aufgewor-
fen, warum Gott die Welt nicht eher ge-
schaffen. Nach Miltons Meynung schuf
sie Gott erst nach dem Fall Satans und
seiner Engel, um ihre ledige Stelle durch
andre Creaturen zu ersetzen. N.
Siebenter Geſang.
70
Große Dinge, ſprach er, und wundervolle Geſchichte
So verſchieden von allem auf dieſer niederen Erde,
Haſt du uns offenbart, o goͤttlicher Lehrer! Dich ſandte
Von dem Empyreum herab des Ewigen Gnade,
Uns in Zeiten vor Dingen zu warnen, die unſer Verderben,
75Wenn ſie uns unbekannt blieben, vielleicht beſchleuniget haͤtten,

Da wir durch unſern Verſtand ſie nicht zu erreichen vermochten
Mit unſterblichem Dank ſind wir der unendlichen Guͤte
Auch fuͤr dieſe Warnung verpflichtet, und feyerlich faſſen
Wir den feſten Entſchluß, den Willen des oberſten Herrſchers
80Unverbruͤchlich zu halten; der Zweck, warum wir gemacht ſind [Spaltenumbruch] f).

Aber indem du ſo huldreich uns wuͤrdigſt, zu unſerer Lehre,
Dinge, weit uͤber die irdſchen Gedanken, vor uns zu enthuͤllen,
Die nach der oberſten Weisheit Befehl zu unſrer Erkenntniß
Noͤthig ſchienen; ſo laß dir auch itzt herunter zu ſteigen,
85Und zu erzaͤhlen gefallen, was uns zu wiſſen nicht minder

Vortheilhaft ſcheint; wie dieſer Himmel im Anfang entſtanden,
Der ſo entfernt iſt von uns, mit zahlloſen feurigen Kugeln
Ausgeziert, und die umringende Luft, die alles, was Raum heißt,
Macht, oder ausfuͤllt; und rund um verſpreitet, den bluͤhenden Erdball
90Eingewickelt. Entdecke mir doch, was bewog ihn, den Schoͤpfer,

Jn der heiligen Ruhe der langen Ewigkeiten
Noch ſo kuͤrzlich im Chaos zu baun [Spaltenumbruch] g); wenn hat er die Schoͤpfung
Ange-
f) Der Wille Gottes iſt der Endzweck
alles deſſen was wir find. Offenb. Joh.
IV, 11. Du haſt alle Dinge geſchaf-
fen, und durch deinen Willen ha-
ben ſie das Weſen, und ſind ge-
ſchaffen. N.
g) Man hat oft die Frage aufgewor-
fen, warum Gott die Welt nicht eher ge-
ſchaffen. Nach Miltons Meynung ſchuf
ſie Gott erſt nach dem Fall Satans und
ſeiner Engel, um ihre ledige Stelle durch
andre Creaturen zu erſetzen. N.
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[7/0023] Siebenter Geſang. Große Dinge, ſprach er, und wundervolle Geſchichte So verſchieden von allem auf dieſer niederen Erde, Haſt du uns offenbart, o goͤttlicher Lehrer! Dich ſandte Von dem Empyreum herab des Ewigen Gnade, Uns in Zeiten vor Dingen zu warnen, die unſer Verderben, Wenn ſie uns unbekannt blieben, vielleicht beſchleuniget haͤtten, Da wir durch unſern Verſtand ſie nicht zu erreichen vermochten Mit unſterblichem Dank ſind wir der unendlichen Guͤte Auch fuͤr dieſe Warnung verpflichtet, und feyerlich faſſen Wir den feſten Entſchluß, den Willen des oberſten Herrſchers Unverbruͤchlich zu halten; der Zweck, warum wir gemacht ſind f). Aber indem du ſo huldreich uns wuͤrdigſt, zu unſerer Lehre, Dinge, weit uͤber die irdſchen Gedanken, vor uns zu enthuͤllen, Die nach der oberſten Weisheit Befehl zu unſrer Erkenntniß Noͤthig ſchienen; ſo laß dir auch itzt herunter zu ſteigen, Und zu erzaͤhlen gefallen, was uns zu wiſſen nicht minder Vortheilhaft ſcheint; wie dieſer Himmel im Anfang entſtanden, Der ſo entfernt iſt von uns, mit zahlloſen feurigen Kugeln Ausgeziert, und die umringende Luft, die alles, was Raum heißt, Macht, oder ausfuͤllt; und rund um verſpreitet, den bluͤhenden Erdball Eingewickelt. Entdecke mir doch, was bewog ihn, den Schoͤpfer, Jn der heiligen Ruhe der langen Ewigkeiten Noch ſo kuͤrzlich im Chaos zu baun g); wenn hat er die Schoͤpfung Ange- f) Der Wille Gottes iſt der Endzweck alles deſſen was wir find. Offenb. Joh. IV, 11. Du haſt alle Dinge geſchaf- fen, und durch deinen Willen ha- ben ſie das Weſen, und ſind ge- ſchaffen. N. g) Man hat oft die Frage aufgewor- fen, warum Gott die Welt nicht eher ge- ſchaffen. Nach Miltons Meynung ſchuf ſie Gott erſt nach dem Fall Satans und ſeiner Engel, um ihre ledige Stelle durch andre Creaturen zu erſetzen. N.

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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/23>, abgerufen am 28.03.2024.