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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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Als er entflohn war, gab man ihren Tod auch im
Kloster vor, um allen seinen fernern Versuchen Ma-
rianen zu entführen, vorzubeugen. Brigitte ward
zur Strafe eingeschlossen. Marianen brachte man
sogleich heimlich nach einem andern Kloster, und,
als dieses Kloster abbrannte, wurde sie mit drey an-
dern Nonnen nach Bergkirch gebracht.

Als Kronhelm dieses vorgelesen hatte, war Sieg-
wart durch die vielen Thränen und die heftige Be-
wegung aufs neue ganz entkräftet, und mußte ins
Bette gebracht werden. Nach einer halben Stunde
erholte er sich wieder etwas, und bat seinen Kron-
helm, folgendes zu schreiben, und es nach seinem
Tod dem P. Anton zu geben, mit der Bitte, ihm
den letzten, darin gefoderten Freundschaftsdienst ja
nicht abzuschlagen.

Theurer Vater!

Die letzte Bitte deines sterbenden Sohnes, laß
sie ja nicht unerfüllt seyn! Jch hab auf Erden sonst
nichts mehr zu bitten. Laß mich ruhen neben ihr,
für die ich sterbe! Gott im Himmel lohne Dich da-
für, und für alle Deine Liebe, daß Du bald mir
folgest! Höre mich!

Leb ewig wohl, Du Theurer!
Höre mich! Gott segne Dich, Amen!



Als er entflohn war, gab man ihren Tod auch im
Kloſter vor, um allen ſeinen fernern Verſuchen Ma-
rianen zu entfuͤhren, vorzubeugen. Brigitte ward
zur Strafe eingeſchloſſen. Marianen brachte man
ſogleich heimlich nach einem andern Kloſter, und,
als dieſes Kloſter abbrannte, wurde ſie mit drey an-
dern Nonnen nach Bergkirch gebracht.

Als Kronhelm dieſes vorgeleſen hatte, war Sieg-
wart durch die vielen Thraͤnen und die heftige Be-
wegung aufs neue ganz entkraͤftet, und mußte ins
Bette gebracht werden. Nach einer halben Stunde
erholte er ſich wieder etwas, und bat ſeinen Kron-
helm, folgendes zu ſchreiben, und es nach ſeinem
Tod dem P. Anton zu geben, mit der Bitte, ihm
den letzten, darin gefoderten Freundſchaftsdienſt ja
nicht abzuſchlagen.

Theurer Vater!

Die letzte Bitte deines ſterbenden Sohnes, laß
ſie ja nicht unerfuͤllt ſeyn! Jch hab auf Erden ſonſt
nichts mehr zu bitten. Laß mich ruhen neben ihr,
fuͤr die ich ſterbe! Gott im Himmel lohne Dich da-
fuͤr, und fuͤr alle Deine Liebe, daß Du bald mir
folgeſt! Hoͤre mich!

Leb ewig wohl, Du Theurer!
Hoͤre mich! Gott ſegne Dich, Amen!
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[1066/0646] Als er entflohn war, gab man ihren Tod auch im Kloſter vor, um allen ſeinen fernern Verſuchen Ma- rianen zu entfuͤhren, vorzubeugen. Brigitte ward zur Strafe eingeſchloſſen. Marianen brachte man ſogleich heimlich nach einem andern Kloſter, und, als dieſes Kloſter abbrannte, wurde ſie mit drey an- dern Nonnen nach Bergkirch gebracht. Als Kronhelm dieſes vorgeleſen hatte, war Sieg- wart durch die vielen Thraͤnen und die heftige Be- wegung aufs neue ganz entkraͤftet, und mußte ins Bette gebracht werden. Nach einer halben Stunde erholte er ſich wieder etwas, und bat ſeinen Kron- helm, folgendes zu ſchreiben, und es nach ſeinem Tod dem P. Anton zu geben, mit der Bitte, ihm den letzten, darin gefoderten Freundſchaftsdienſt ja nicht abzuſchlagen. Theurer Vater! Die letzte Bitte deines ſterbenden Sohnes, laß ſie ja nicht unerfuͤllt ſeyn! Jch hab auf Erden ſonſt nichts mehr zu bitten. Laß mich ruhen neben ihr, fuͤr die ich ſterbe! Gott im Himmel lohne Dich da- fuͤr, und fuͤr alle Deine Liebe, daß Du bald mir folgeſt! Hoͤre mich! Leb ewig wohl, Du Theurer! Hoͤre mich! Gott ſegne Dich, Amen!

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 1066. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/646>, abgerufen am 29.03.2024.