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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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empföhle? -- Schön! Schön! riefen Kronhelm
und Therese. Diese List kann gehen, wenn du
Klugheit und Geduld hast, Bruder! -- Jch will
alles thun, versetzte Siegwart, was ihr mir be-
fehlt. Wenns nur hurtig geht!

Es ward sogleich beschlossen, daß Siegwart noch
denselben Abend mit Rothfels in Gärtnerkleidung
auf sein Schloß fahren sollte. Man rieth ihm alle
mögliche Behutsamkeit an; seine schönen langen
Haare wurden ihm abgeschnitten; eine Gärtners-
kleidung ward ihm angelegt, und er fuhr mit
Rothfels weg, nachdem er mit tausend Thränen
von seinen Freunden, die ihm alles mögliche Glück
anwünschten, Abschied genommen hatte. Rothsels
erfuhr unterwegs von Siegwart, daß er die Gärt-
nersgeschäfte sehr gut versehen könne, weil er in
seiner Jugend mit Theresen beständig den Garten
seines Vaters gebaut habe. Rothfels versprach,
ihm bald Gelegenheit zu verschaffen, mit dem Pa-
ter zu reden, so, daß er noch diesen Herbst in die
Klosterdienste treten könne. Siegwart bekam den
Namen Georg, und trat gleich den folgenden Tag
seinen Dienst in Rothfels Garten an. Er arbei-
tete den Tag über sehr ämsig, und wußte sich so
gut in seinen neuen Stand zu schicken, daß kein



empfoͤhle? — Schoͤn! Schoͤn! riefen Kronhelm
und Thereſe. Dieſe Liſt kann gehen, wenn du
Klugheit und Geduld haſt, Bruder! — Jch will
alles thun, verſetzte Siegwart, was ihr mir be-
fehlt. Wenns nur hurtig geht!

Es ward ſogleich beſchloſſen, daß Siegwart noch
denſelben Abend mit Rothfels in Gaͤrtnerkleidung
auf ſein Schloß fahren ſollte. Man rieth ihm alle
moͤgliche Behutſamkeit an; ſeine ſchoͤnen langen
Haare wurden ihm abgeſchnitten; eine Gaͤrtners-
kleidung ward ihm angelegt, und er fuhr mit
Rothfels weg, nachdem er mit tauſend Thraͤnen
von ſeinen Freunden, die ihm alles moͤgliche Gluͤck
anwuͤnſchten, Abſchied genommen hatte. Rothſels
erfuhr unterwegs von Siegwart, daß er die Gaͤrt-
nersgeſchaͤfte ſehr gut verſehen koͤnne, weil er in
ſeiner Jugend mit Thereſen beſtaͤndig den Garten
ſeines Vaters gebaut habe. Rothfels verſprach,
ihm bald Gelegenheit zu verſchaffen, mit dem Pa-
ter zu reden, ſo, daß er noch dieſen Herbſt in die
Kloſterdienſte treten koͤnne. Siegwart bekam den
Namen Georg, und trat gleich den folgenden Tag
ſeinen Dienſt in Rothfels Garten an. Er arbei-
tete den Tag uͤber ſehr aͤmſig, und wußte ſich ſo
gut in ſeinen neuen Stand zu ſchicken, daß kein

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[997/0577] empfoͤhle? — Schoͤn! Schoͤn! riefen Kronhelm und Thereſe. Dieſe Liſt kann gehen, wenn du Klugheit und Geduld haſt, Bruder! — Jch will alles thun, verſetzte Siegwart, was ihr mir be- fehlt. Wenns nur hurtig geht! Es ward ſogleich beſchloſſen, daß Siegwart noch denſelben Abend mit Rothfels in Gaͤrtnerkleidung auf ſein Schloß fahren ſollte. Man rieth ihm alle moͤgliche Behutſamkeit an; ſeine ſchoͤnen langen Haare wurden ihm abgeſchnitten; eine Gaͤrtners- kleidung ward ihm angelegt, und er fuhr mit Rothfels weg, nachdem er mit tauſend Thraͤnen von ſeinen Freunden, die ihm alles moͤgliche Gluͤck anwuͤnſchten, Abſchied genommen hatte. Rothſels erfuhr unterwegs von Siegwart, daß er die Gaͤrt- nersgeſchaͤfte ſehr gut verſehen koͤnne, weil er in ſeiner Jugend mit Thereſen beſtaͤndig den Garten ſeines Vaters gebaut habe. Rothfels verſprach, ihm bald Gelegenheit zu verſchaffen, mit dem Pa- ter zu reden, ſo, daß er noch dieſen Herbſt in die Kloſterdienſte treten koͤnne. Siegwart bekam den Namen Georg, und trat gleich den folgenden Tag ſeinen Dienſt in Rothfels Garten an. Er arbei- tete den Tag uͤber ſehr aͤmſig, und wußte ſich ſo gut in ſeinen neuen Stand zu ſchicken, daß kein

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 997. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/577>, abgerufen am 20.04.2024.