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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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sey dem Geber des Lebens und des Todes, daß er
dich mir nicht entrissen hat, und daß ich hoffen
kann, noch einmal dein zu werden! O du Theure,
der lichte Stral der Hofnung hat mein dunk-
les Leben wieder aufgehellt, und mir gewinkt in
meiner Trauer, daß ich wieder geh ans Licht des
Tages, und mich froher Aussicht freue! Zwar du
Engel traurst in düstrer Zelle? Aber deine Trauer
soll nicht ewig währen! Der dich mir erhielt, der
Gott der Liebe, wird dich wieder geben meinen
Wünschen. Menschen wollten einem andern Bräu-
tigam dich geben; und du hast schon einen Bräu-
tigam, und er traurt und weint um dich. -- Sey
nicht treulos, meine Liebe! Eil ihm wieder zu mit
deinen Küssen, die der Himmel billigt! -- Bald
will ich suchen, dich zu sprechen und zu retten.
Hilf mir selbst dazu, und gib mir Antwort, nur in
wenig Zeilen! Jch bin dir nah, bey meinem
Schwager und bey meiner Schwester, die mit gu-
tem Rath mich unterstützen. Bleib standhast, o
Geliebte, und vergiß mich nicht! Jch bin jeden
Augenblick bey dir; meine Seele ist stets ausser
ihrem Körper, und umschwebt dich. Bald hoff ich
ganz bey dir zu seyn. Beth und glaub an die Vor-
sehung, und überlaß die Bedenklichkeiten mir!



ſey dem Geber des Lebens und des Todes, daß er
dich mir nicht entriſſen hat, und daß ich hoffen
kann, noch einmal dein zu werden! O du Theure,
der lichte Stral der Hofnung hat mein dunk-
les Leben wieder aufgehellt, und mir gewinkt in
meiner Trauer, daß ich wieder geh ans Licht des
Tages, und mich froher Ausſicht freue! Zwar du
Engel traurſt in duͤſtrer Zelle? Aber deine Trauer
ſoll nicht ewig waͤhren! Der dich mir erhielt, der
Gott der Liebe, wird dich wieder geben meinen
Wuͤnſchen. Menſchen wollten einem andern Braͤu-
tigam dich geben; und du haſt ſchon einen Braͤu-
tigam, und er traurt und weint um dich. — Sey
nicht treulos, meine Liebe! Eil ihm wieder zu mit
deinen Kuͤſſen, die der Himmel billigt! — Bald
will ich ſuchen, dich zu ſprechen und zu retten.
Hilf mir ſelbſt dazu, und gib mir Antwort, nur in
wenig Zeilen! Jch bin dir nah, bey meinem
Schwager und bey meiner Schweſter, die mit gu-
tem Rath mich unterſtuͤtzen. Bleib ſtandhaſt, o
Geliebte, und vergiß mich nicht! Jch bin jeden
Augenblick bey dir; meine Seele iſt ſtets auſſer
ihrem Koͤrper, und umſchwebt dich. Bald hoff ich
ganz bey dir zu ſeyn. Beth und glaub an die Vor-
ſehung, und uͤberlaß die Bedenklichkeiten mir!

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[991/0571] ſey dem Geber des Lebens und des Todes, daß er dich mir nicht entriſſen hat, und daß ich hoffen kann, noch einmal dein zu werden! O du Theure, der lichte Stral der Hofnung hat mein dunk- les Leben wieder aufgehellt, und mir gewinkt in meiner Trauer, daß ich wieder geh ans Licht des Tages, und mich froher Ausſicht freue! Zwar du Engel traurſt in duͤſtrer Zelle? Aber deine Trauer ſoll nicht ewig waͤhren! Der dich mir erhielt, der Gott der Liebe, wird dich wieder geben meinen Wuͤnſchen. Menſchen wollten einem andern Braͤu- tigam dich geben; und du haſt ſchon einen Braͤu- tigam, und er traurt und weint um dich. — Sey nicht treulos, meine Liebe! Eil ihm wieder zu mit deinen Kuͤſſen, die der Himmel billigt! — Bald will ich ſuchen, dich zu ſprechen und zu retten. Hilf mir ſelbſt dazu, und gib mir Antwort, nur in wenig Zeilen! Jch bin dir nah, bey meinem Schwager und bey meiner Schweſter, die mit gu- tem Rath mich unterſtuͤtzen. Bleib ſtandhaſt, o Geliebte, und vergiß mich nicht! Jch bin jeden Augenblick bey dir; meine Seele iſt ſtets auſſer ihrem Koͤrper, und umſchwebt dich. Bald hoff ich ganz bey dir zu ſeyn. Beth und glaub an die Vor- ſehung, und uͤberlaß die Bedenklichkeiten mir!

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 991. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/571>, abgerufen am 25.04.2024.