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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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der Thüre stand Sophie, um ihm auch ihr Lebe-
wohl zu sagen; sie weinte, und nun weinte er auf
einmal mit, weil ihm seine Therese mit aller Leb-
haftigkeit einfiel. Er lief, so schnell er konnte,
über die Strasse. Dann nahm er von seinen Leh-
rern Abschied. Beym P. Johann ward er sehr
bewegt. Der kränkliche Mann wünschte ihm mit
der herzlichsten Rührung allen Segen des Him-
mels. Kronhelm dankte ihm für seinen Unter-
richt. Jch wünsche, sagte Johann, daß meine Leh-
ren auch bey Jhm Frucht bringen, und Jhn, wie
mich, in Freud und Leid erquicken mögen. Sie
flossen aus reinem Herzen, und nie ohne vorher-
gehendes Gebeth, daß Gott sie segnen möge! Jch
wünschte so gern alle Menschen, und besonders
meine Schüler, am meisten aber Jhn, mein lie-
ber Herr von Kronhelm glücklich, weil er so sitt-
sam und rechtschaffen ist; und das wird man am
ersten durch Religion. Vergeß Er also Gottes
Wort und meine Lehren nicht! Jch werd oft an
Jhn denken, und für Jhn beten. Denk Er auch
zuweilen an mich, und bet Er, daß mich Gott fer-
ner treu und geduldig in der Leidenszeit erhalte,
die wol nicht mehr lange währen wird. Leb Er

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der Thuͤre ſtand Sophie, um ihm auch ihr Lebe-
wohl zu ſagen; ſie weinte, und nun weinte er auf
einmal mit, weil ihm ſeine Thereſe mit aller Leb-
haftigkeit einfiel. Er lief, ſo ſchnell er konnte,
uͤber die Straſſe. Dann nahm er von ſeinen Leh-
rern Abſchied. Beym P. Johann ward er ſehr
bewegt. Der kraͤnkliche Mann wuͤnſchte ihm mit
der herzlichſten Ruͤhrung allen Segen des Him-
mels. Kronhelm dankte ihm fuͤr ſeinen Unter-
richt. Jch wuͤnſche, ſagte Johann, daß meine Leh-
ren auch bey Jhm Frucht bringen, und Jhn, wie
mich, in Freud und Leid erquicken moͤgen. Sie
floſſen aus reinem Herzen, und nie ohne vorher-
gehendes Gebeth, daß Gott ſie ſegnen moͤge! Jch
wuͤnſchte ſo gern alle Menſchen, und beſonders
meine Schuͤler, am meiſten aber Jhn, mein lie-
ber Herr von Kronhelm gluͤcklich, weil er ſo ſitt-
ſam und rechtſchaffen iſt; und das wird man am
erſten durch Religion. Vergeß Er alſo Gottes
Wort und meine Lehren nicht! Jch werd oft an
Jhn denken, und fuͤr Jhn beten. Denk Er auch
zuweilen an mich, und bet Er, daß mich Gott fer-
ner treu und geduldig in der Leidenszeit erhalte,
die wol nicht mehr lange waͤhren wird. Leb Er

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[473/0053] der Thuͤre ſtand Sophie, um ihm auch ihr Lebe- wohl zu ſagen; ſie weinte, und nun weinte er auf einmal mit, weil ihm ſeine Thereſe mit aller Leb- haftigkeit einfiel. Er lief, ſo ſchnell er konnte, uͤber die Straſſe. Dann nahm er von ſeinen Leh- rern Abſchied. Beym P. Johann ward er ſehr bewegt. Der kraͤnkliche Mann wuͤnſchte ihm mit der herzlichſten Ruͤhrung allen Segen des Him- mels. Kronhelm dankte ihm fuͤr ſeinen Unter- richt. Jch wuͤnſche, ſagte Johann, daß meine Leh- ren auch bey Jhm Frucht bringen, und Jhn, wie mich, in Freud und Leid erquicken moͤgen. Sie floſſen aus reinem Herzen, und nie ohne vorher- gehendes Gebeth, daß Gott ſie ſegnen moͤge! Jch wuͤnſchte ſo gern alle Menſchen, und beſonders meine Schuͤler, am meiſten aber Jhn, mein lie- ber Herr von Kronhelm gluͤcklich, weil er ſo ſitt- ſam und rechtſchaffen iſt; und das wird man am erſten durch Religion. Vergeß Er alſo Gottes Wort und meine Lehren nicht! Jch werd oft an Jhn denken, und fuͤr Jhn beten. Denk Er auch zuweilen an mich, und bet Er, daß mich Gott fer- ner treu und geduldig in der Leidenszeit erhalte, die wol nicht mehr lange waͤhren wird. Leb Er H h

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/53>, abgerufen am 19.04.2024.