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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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hatte, gieng er zu Dahlmund, kam aber, weil
er ihn nicht zu Haus angetroffen hatte, nach einer
halben Viertelstunde wieder nach Haus. Er wünschte
sich nun keine Wohlthat, als jemand zu haben, in
dessen Busen er seinen Schmerz ausschütten, und
mit dem er gewissermaßen seinen Jammer theilen
könnte; aber keine solche Seele war für ihn in
Jngolstadt. Es fiel ihm ein, daß der geheime
Rath von Kronhelm versprochen habe, ihm eine
ansehnliche Bedienung zu verschaffen. Vielleicht,
dachte er, stimmt dieses den Hofrath Fischer um.
Ohne sich erst lange zu bedenken, gieng er aus dem
Haus, und ließ sich bey dem Hofrath melden, mit
dem Anhang: Er habe viel wichtiges mit ihm zu
reden. Der Bediente kam wieder mit dem Auf-
trag: Der Herr Hofrath müsse sich erstaunlich
wundern, wie er sich noch unterstehen könne,
ihm unter die Augen treten zu wollen, da er wis-
se, wie schlecht er sich gegen ihn betragen habe. Er
möchte sich ja in Acht nehmen, und dem Herrn
Hofrath nicht zu nahe kommen! Es könnte schlim-
me Folgen für ihn haben. Der Herr Hosrath
werd ihn nie anhören. Er habe nichts mit einem
solchen Menschen zu reden, und das rathsamste
wäre, wenn er sich recht bald von Jngolstadt weg



hatte, gieng er zu Dahlmund, kam aber, weil
er ihn nicht zu Haus angetroffen hatte, nach einer
halben Viertelſtunde wieder nach Haus. Er wuͤnſchte
ſich nun keine Wohlthat, als jemand zu haben, in
deſſen Buſen er ſeinen Schmerz ausſchuͤtten, und
mit dem er gewiſſermaßen ſeinen Jammer theilen
koͤnnte; aber keine ſolche Seele war fuͤr ihn in
Jngolſtadt. Es fiel ihm ein, daß der geheime
Rath von Kronhelm verſprochen habe, ihm eine
anſehnliche Bedienung zu verſchaffen. Vielleicht,
dachte er, ſtimmt dieſes den Hofrath Fiſcher um.
Ohne ſich erſt lange zu bedenken, gieng er aus dem
Haus, und ließ ſich bey dem Hofrath melden, mit
dem Anhang: Er habe viel wichtiges mit ihm zu
reden. Der Bediente kam wieder mit dem Auf-
trag: Der Herr Hofrath muͤſſe ſich erſtaunlich
wundern, wie er ſich noch unterſtehen koͤnne,
ihm unter die Augen treten zu wollen, da er wiſ-
ſe, wie ſchlecht er ſich gegen ihn betragen habe. Er
moͤchte ſich ja in Acht nehmen, und dem Herrn
Hofrath nicht zu nahe kommen! Es koͤnnte ſchlim-
me Folgen fuͤr ihn haben. Der Herr Hoſrath
werd ihn nie anhoͤren. Er habe nichts mit einem
ſolchen Menſchen zu reden, und das rathſamſte
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[924/0504] hatte, gieng er zu Dahlmund, kam aber, weil er ihn nicht zu Haus angetroffen hatte, nach einer halben Viertelſtunde wieder nach Haus. Er wuͤnſchte ſich nun keine Wohlthat, als jemand zu haben, in deſſen Buſen er ſeinen Schmerz ausſchuͤtten, und mit dem er gewiſſermaßen ſeinen Jammer theilen koͤnnte; aber keine ſolche Seele war fuͤr ihn in Jngolſtadt. Es fiel ihm ein, daß der geheime Rath von Kronhelm verſprochen habe, ihm eine anſehnliche Bedienung zu verſchaffen. Vielleicht, dachte er, ſtimmt dieſes den Hofrath Fiſcher um. Ohne ſich erſt lange zu bedenken, gieng er aus dem Haus, und ließ ſich bey dem Hofrath melden, mit dem Anhang: Er habe viel wichtiges mit ihm zu reden. Der Bediente kam wieder mit dem Auf- trag: Der Herr Hofrath muͤſſe ſich erſtaunlich wundern, wie er ſich noch unterſtehen koͤnne, ihm unter die Augen treten zu wollen, da er wiſ- ſe, wie ſchlecht er ſich gegen ihn betragen habe. Er moͤchte ſich ja in Acht nehmen, und dem Herrn Hofrath nicht zu nahe kommen! Es koͤnnte ſchlim- me Folgen fuͤr ihn haben. Der Herr Hoſrath werd ihn nie anhoͤren. Er habe nichts mit einem ſolchen Menſchen zu reden, und das rathſamſte waͤre, wenn er ſich recht bald von Jngolſtadt weg

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 924. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/504>, abgerufen am 24.04.2024.