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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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Freude Gottes, und die Lust der Engel seyn! Laß
zwey solche Liebende auf Erden auch getrennt wer-
den! Jn der Ewigkeit eilen sie sich wieder zu, wo
ewig keine Trennung seyn wird! --

Lieben Sie mich auch? fragte sie nach einiger
Zeit, ganz bewegt. Ueber alles, über alles! gab
er ihr zur Antwort. -- Lieben Sie mich, Sieg-
wart? fragte sie bald darauf, noch bewegter wie-
der. -- Warlich! wie mein Leben; mehr noch,
als mein Leben! antwortete er, und ward trau-
rig. -- Lieben Sie mich mehr noch, als das Klo-
ster? fragte sie zum drittenmal. -- Thränen stürz-
ten ihm hier aus den Augen; ja, bey Gott! auch
mehr noch, als das Kloster! rief er aus. Liebstes,
bestes Mädchen! Jch will nächstens meinem Va-
ter drüber schreiben; denn er weis noch nichts.
Aber er hat nichts dagegen, davon bin ich über-
zeugt. Der geheime Rath von Kronhelm will
mir helfen, und im Baierschen ein Amt verschaf-
fen. -- Nun, das ist ja herrlich! sagte sie; nun bin
ich ruhig. Meine Mutter machte mir den Ein-
wurf: Sie würden ja ein Geistlicher, und ich
wuste nichts darauf zu antworten. Er versicherte
sie nochmals, daß er bald davon an seinen Vater
schreiben werde. Und nun goß die Zärtlichkeit von



Freude Gottes, und die Luſt der Engel ſeyn! Laß
zwey ſolche Liebende auf Erden auch getrennt wer-
den! Jn der Ewigkeit eilen ſie ſich wieder zu, wo
ewig keine Trennung ſeyn wird! —

Lieben Sie mich auch? fragte ſie nach einiger
Zeit, ganz bewegt. Ueber alles, uͤber alles! gab
er ihr zur Antwort. — Lieben Sie mich, Sieg-
wart? fragte ſie bald darauf, noch bewegter wie-
der. — Warlich! wie mein Leben; mehr noch,
als mein Leben! antwortete er, und ward trau-
rig. — Lieben Sie mich mehr noch, als das Klo-
ſter? fragte ſie zum drittenmal. — Thraͤnen ſtuͤrz-
ten ihm hier aus den Augen; ja, bey Gott! auch
mehr noch, als das Kloſter! rief er aus. Liebſtes,
beſtes Maͤdchen! Jch will naͤchſtens meinem Va-
ter druͤber ſchreiben; denn er weis noch nichts.
Aber er hat nichts dagegen, davon bin ich uͤber-
zeugt. Der geheime Rath von Kronhelm will
mir helfen, und im Baierſchen ein Amt verſchaf-
fen. — Nun, das iſt ja herrlich! ſagte ſie; nun bin
ich ruhig. Meine Mutter machte mir den Ein-
wurf: Sie wuͤrden ja ein Geiſtlicher, und ich
wuſte nichts darauf zu antworten. Er verſicherte
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[808/0388] Freude Gottes, und die Luſt der Engel ſeyn! Laß zwey ſolche Liebende auf Erden auch getrennt wer- den! Jn der Ewigkeit eilen ſie ſich wieder zu, wo ewig keine Trennung ſeyn wird! — Lieben Sie mich auch? fragte ſie nach einiger Zeit, ganz bewegt. Ueber alles, uͤber alles! gab er ihr zur Antwort. — Lieben Sie mich, Sieg- wart? fragte ſie bald darauf, noch bewegter wie- der. — Warlich! wie mein Leben; mehr noch, als mein Leben! antwortete er, und ward trau- rig. — Lieben Sie mich mehr noch, als das Klo- ſter? fragte ſie zum drittenmal. — Thraͤnen ſtuͤrz- ten ihm hier aus den Augen; ja, bey Gott! auch mehr noch, als das Kloſter! rief er aus. Liebſtes, beſtes Maͤdchen! Jch will naͤchſtens meinem Va- ter druͤber ſchreiben; denn er weis noch nichts. Aber er hat nichts dagegen, davon bin ich uͤber- zeugt. Der geheime Rath von Kronhelm will mir helfen, und im Baierſchen ein Amt verſchaf- fen. — Nun, das iſt ja herrlich! ſagte ſie; nun bin ich ruhig. Meine Mutter machte mir den Ein- wurf: Sie wuͤrden ja ein Geiſtlicher, und ich wuſte nichts darauf zu antworten. Er verſicherte ſie nochmals, daß er bald davon an ſeinen Vater ſchreiben werde. Und nun goß die Zaͤrtlichkeit von

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 808. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/388>, abgerufen am 25.04.2024.