Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



Geschöpf ganz unglücklich machen kann; daß alles,
was er thut, zu unserm Besten abzweckt. Freu-
denthränen flossen in die Thräne des Elends. Er
dankte Gott für alles, was er ihm gegeben hatte,
auch für seine Leiden. -- Voll sichrer Zuversicht
und Hofnung gieng er schlafen; und ward durch
einen ruhigen und milden Schlaf erquickt. Am
Morgen, als er aufwachte, betete er mit heisser
Jnbrunst für Kronhelms und Theresens Schicksal,
und dann erst für sich und Marianen. -- Endlich
bekam er auch um zehn Uhr einen dicken Brief
von Kronhelm. Mit dem Zittern der Hofnung
und Erwartung und der Angst, brach er das Packet
auf, und fand einen Brief von Theresen und von
Kronhelm. Erst las er Kronhelms Brief:
Liebster, bester Schwager!

O daß ich endlich diesen Namen schreiben darf mit
zuverläßigster Gewißheit! Jauchze laut mit mir,
Geliebter meines Herzens! Der Herr hat wegge-
nommen meine Leiden, meinen bittern Jammer!
Hat in Freude sie verwandelt und Frohlocken. Hoch
sey er dafür gepriesen bis in Ewigkeit! O Gelieb-
ter, sag, wo fang ich an die Geschichte meiner
grossen Freude? Daß sie mein ist, daß sie mein



Geſchoͤpf ganz ungluͤcklich machen kann; daß alles,
was er thut, zu unſerm Beſten abzweckt. Freu-
denthraͤnen floſſen in die Thraͤne des Elends. Er
dankte Gott fuͤr alles, was er ihm gegeben hatte,
auch fuͤr ſeine Leiden. — Voll ſichrer Zuverſicht
und Hofnung gieng er ſchlafen; und ward durch
einen ruhigen und milden Schlaf erquickt. Am
Morgen, als er aufwachte, betete er mit heiſſer
Jnbrunſt fuͤr Kronhelms und Thereſens Schickſal,
und dann erſt fuͤr ſich und Marianen. — Endlich
bekam er auch um zehn Uhr einen dicken Brief
von Kronhelm. Mit dem Zittern der Hofnung
und Erwartung und der Angſt, brach er das Packet
auf, und fand einen Brief von Thereſen und von
Kronhelm. Erſt las er Kronhelms Brief:
Liebſter, beſter Schwager!

O daß ich endlich dieſen Namen ſchreiben darf mit
zuverlaͤßigſter Gewißheit! Jauchze laut mit mir,
Geliebter meines Herzens! Der Herr hat wegge-
nommen meine Leiden, meinen bittern Jammer!
Hat in Freude ſie verwandelt und Frohlocken. Hoch
ſey er dafuͤr geprieſen bis in Ewigkeit! O Gelieb-
ter, ſag, wo fang ich an die Geſchichte meiner
groſſen Freude? Daß ſie mein iſt, daß ſie mein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0371" n="791"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Ge&#x017F;cho&#x0364;pf ganz unglu&#x0364;cklich machen kann; daß alles,<lb/>
was er thut, zu un&#x017F;erm Be&#x017F;ten abzweckt. Freu-<lb/>
denthra&#x0364;nen flo&#x017F;&#x017F;en in die Thra&#x0364;ne des Elends. Er<lb/>
dankte Gott fu&#x0364;r alles, was er ihm gegeben hatte,<lb/>
auch fu&#x0364;r &#x017F;eine Leiden. &#x2014; Voll &#x017F;ichrer Zuver&#x017F;icht<lb/>
und Hofnung gieng er &#x017F;chlafen; und ward durch<lb/>
einen ruhigen und milden Schlaf erquickt. Am<lb/>
Morgen, als er aufwachte, betete er mit hei&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Jnbrun&#x017F;t fu&#x0364;r Kronhelms und There&#x017F;ens Schick&#x017F;al,<lb/>
und dann er&#x017F;t fu&#x0364;r &#x017F;ich und Marianen. &#x2014; Endlich<lb/>
bekam er auch um zehn Uhr einen dicken Brief<lb/>
von Kronhelm. Mit dem Zittern der Hofnung<lb/>
und Erwartung und der Ang&#x017F;t, brach er das Packet<lb/>
auf, und fand einen Brief von There&#x017F;en und von<lb/>
Kronhelm. Er&#x017F;t las er Kronhelms Brief:<lb/><floatingText><body><div type="letter"><opener><salute>Lieb&#x017F;ter, be&#x017F;ter Schwager!</salute></opener><lb/><p>O daß ich endlich die&#x017F;en Namen &#x017F;chreiben darf mit<lb/>
zuverla&#x0364;ßig&#x017F;ter Gewißheit! Jauchze laut mit mir,<lb/>
Geliebter meines Herzens! Der Herr hat wegge-<lb/>
nommen meine Leiden, meinen bittern Jammer!<lb/>
Hat in Freude &#x017F;ie verwandelt und Frohlocken. Hoch<lb/>
&#x017F;ey er dafu&#x0364;r geprie&#x017F;en bis in Ewigkeit! O Gelieb-<lb/>
ter, &#x017F;ag, wo fang ich an die Ge&#x017F;chichte meiner<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;en Freude? Daß &#x017F;ie mein i&#x017F;t, daß &#x017F;ie mein<lb/></p></div></body></floatingText></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[791/0371] Geſchoͤpf ganz ungluͤcklich machen kann; daß alles, was er thut, zu unſerm Beſten abzweckt. Freu- denthraͤnen floſſen in die Thraͤne des Elends. Er dankte Gott fuͤr alles, was er ihm gegeben hatte, auch fuͤr ſeine Leiden. — Voll ſichrer Zuverſicht und Hofnung gieng er ſchlafen; und ward durch einen ruhigen und milden Schlaf erquickt. Am Morgen, als er aufwachte, betete er mit heiſſer Jnbrunſt fuͤr Kronhelms und Thereſens Schickſal, und dann erſt fuͤr ſich und Marianen. — Endlich bekam er auch um zehn Uhr einen dicken Brief von Kronhelm. Mit dem Zittern der Hofnung und Erwartung und der Angſt, brach er das Packet auf, und fand einen Brief von Thereſen und von Kronhelm. Erſt las er Kronhelms Brief: Liebſter, beſter Schwager! O daß ich endlich dieſen Namen ſchreiben darf mit zuverlaͤßigſter Gewißheit! Jauchze laut mit mir, Geliebter meines Herzens! Der Herr hat wegge- nommen meine Leiden, meinen bittern Jammer! Hat in Freude ſie verwandelt und Frohlocken. Hoch ſey er dafuͤr geprieſen bis in Ewigkeit! O Gelieb- ter, ſag, wo fang ich an die Geſchichte meiner groſſen Freude? Daß ſie mein iſt, daß ſie mein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/371
Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 791. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/371>, abgerufen am 24.04.2024.