ruhiger; denn ihre sanfte Stimme floß in seine Seele, wie das Lied der Nachtigall nach einem Sturm. Endlich sang und spielte sie ein Lied, voll Entschlossenheit, voll Hofnung, und Ergeben- heit in Gottes Willen. Ruh und Zuversicht träu- felte, wie Abendthau in sein Herz herab. Er sah zum Himmel auf. Die goldnen Sterne blinkten hell. -- Gott, Gott! seufzte er; du Schöpfer aller! und du Vater aller! Jeder Stern in seiner Bahn! Jeden lenkest du, und siehst du! Siehst auch mich, und Marianen! Alles lebt, und jauchzt ob deiner Güte. Gott, du Vater aller! Sey auch mein, und Marianens Vater! -- Der du diese Sterne schufest; hast auch mich, und sie er- schaffen. -- Gott! Barmherziger! Gnädiger! Mächtiger! Nein, du wirst, du kannst uns nicht verlassen! O, ich fühls, du kannst uns nicht ver- lassen! Jn deine Hände geb ich mein, und Ma- rianens Schicksal! Sey du unser Vater! Send uns Muth, und Zuversicht und Hofnung! Hilf uns alles tragen, was du sendest! Sey du unser Vater! -- Auf Einmal ward sein Herz leicht. Er sah in der ganzen Schöpfung nichts, als Selig- keit und Segen; fühlte ganz von Gottes Güte sich umflossen; war lebendig überzeugt, daß Gott kein
ruhiger; denn ihre ſanfte Stimme floß in ſeine Seele, wie das Lied der Nachtigall nach einem Sturm. Endlich ſang und ſpielte ſie ein Lied, voll Entſchloſſenheit, voll Hofnung, und Ergeben- heit in Gottes Willen. Ruh und Zuverſicht traͤu- felte, wie Abendthau in ſein Herz herab. Er ſah zum Himmel auf. Die goldnen Sterne blinkten hell. — Gott, Gott! ſeufzte er; du Schoͤpfer aller! und du Vater aller! Jeder Stern in ſeiner Bahn! Jeden lenkeſt du, und ſiehſt du! Siehſt auch mich, und Marianen! Alles lebt, und jauchzt ob deiner Guͤte. Gott, du Vater aller! Sey auch mein, und Marianens Vater! — Der du dieſe Sterne ſchufeſt; haſt auch mich, und ſie er- ſchaffen. — Gott! Barmherziger! Gnaͤdiger! Maͤchtiger! Nein, du wirſt, du kannſt uns nicht verlaſſen! O, ich fuͤhls, du kannſt uns nicht ver- laſſen! Jn deine Haͤnde geb ich mein, und Ma- rianens Schickſal! Sey du unſer Vater! Send uns Muth, und Zuverſicht und Hofnung! Hilf uns alles tragen, was du ſendeſt! Sey du unſer Vater! — Auf Einmal ward ſein Herz leicht. Er ſah in der ganzen Schoͤpfung nichts, als Selig- keit und Segen; fuͤhlte ganz von Gottes Guͤte ſich umfloſſen; war lebendig uͤberzeugt, daß Gott kein
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ruhiger; denn ihre ſanfte Stimme floß in ſeine
Seele, wie das Lied der Nachtigall nach einem
Sturm. Endlich ſang und ſpielte ſie ein Lied,
voll Entſchloſſenheit, voll Hofnung, und Ergeben-
heit in Gottes Willen. Ruh und Zuverſicht traͤu-
felte, wie Abendthau in ſein Herz herab. Er ſah
zum Himmel auf. Die goldnen Sterne blinkten
hell. — Gott, Gott! ſeufzte er; du Schoͤpfer
aller! und du Vater aller! Jeder Stern in ſeiner
Bahn! Jeden lenkeſt du, und ſiehſt du! Siehſt
auch mich, und Marianen! Alles lebt, und jauchzt
ob deiner Guͤte. Gott, du Vater aller! Sey
auch mein, und Marianens Vater! — Der du
dieſe Sterne ſchufeſt; haſt auch mich, und ſie er-
ſchaffen. — Gott! Barmherziger! Gnaͤdiger!
Maͤchtiger! Nein, du wirſt, du kannſt uns nicht
verlaſſen! O, ich fuͤhls, du kannſt uns nicht ver-
laſſen! Jn deine Haͤnde geb ich mein, und Ma-
rianens Schickſal! Sey du unſer Vater! Send
uns Muth, und Zuverſicht und Hofnung! Hilf
uns alles tragen, was du ſendeſt! Sey du unſer
Vater! — Auf Einmal ward ſein Herz leicht. Er
ſah in der ganzen Schoͤpfung nichts, als Selig-
keit und Segen; fuͤhlte ganz von Gottes Guͤte ſich
umfloſſen; war lebendig uͤberzeugt, daß Gott kein
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 790. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/370>, abgerufen am 19.04.2024.
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