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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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ger (der gestern zu mir kam, als ich mit Jhnen
sprach). Wenn nun unsers Theodors Frau, die
ihm gut ist, noch dazu kommt, dann weis ich nicht,
wie es gehen wird? Prüf dich recht, meine Toch-
ter, wie es um dein Herz steht; ob du den Antrag
annehmen kannst? -- Jch fiel ihr weinend um
den Hals. Ach meine Mutter! sagte ich. -- Jch
weis wohl, meine Tochter, fiel sie mir ein, und
weinte mit; Siegwart wäre besser. Aber denk, er
ist ein Student, und darauf sieht dein Vater sehr.
Jch will thun, was ich kann; aber ich kann nichts
versprechen. Halt nur alles recht geheim, mit
Siegwart! und vertrau auf Gott! das ist das
Beste. Jch rathe dir, wenn dein Herz noch nicht
ganz an ihm hängt, so reiß dich los! Denn ich
sehe nichts vor mir, als tausend Kummer und Ver-
druß. -- O Mutter, sagt ich, thun Sie was
Sie können, und entfernen Sie den Hofrath! Denn
er ist mir unausstehlich. Gott erbarm sich meiner!
Siegwart ist allein der Mann. Gott weis, daß
ich ohne ihn nicht leben kann. -- Hier sank Sieg-
wart weinend, und halb ohnmächtig an ihr Herz. --
Sie werden mich verlassen, und mir untreu wer-
den, sagte er nach einiger Zeit. Nein, bey Gott
nicht! war ihre Antwort. Lieber sterben! Aber,



ger (der geſtern zu mir kam, als ich mit Jhnen
ſprach). Wenn nun unſers Theodors Frau, die
ihm gut iſt, noch dazu kommt, dann weis ich nicht,
wie es gehen wird? Pruͤf dich recht, meine Toch-
ter, wie es um dein Herz ſteht; ob du den Antrag
annehmen kannſt? — Jch fiel ihr weinend um
den Hals. Ach meine Mutter! ſagte ich. — Jch
weis wohl, meine Tochter, fiel ſie mir ein, und
weinte mit; Siegwart waͤre beſſer. Aber denk, er
iſt ein Student, und darauf ſieht dein Vater ſehr.
Jch will thun, was ich kann; aber ich kann nichts
verſprechen. Halt nur alles recht geheim, mit
Siegwart! und vertrau auf Gott! das iſt das
Beſte. Jch rathe dir, wenn dein Herz noch nicht
ganz an ihm haͤngt, ſo reiß dich los! Denn ich
ſehe nichts vor mir, als tauſend Kummer und Ver-
druß. — O Mutter, ſagt ich, thun Sie was
Sie koͤnnen, und entfernen Sie den Hofrath! Denn
er iſt mir unausſtehlich. Gott erbarm ſich meiner!
Siegwart iſt allein der Mann. Gott weis, daß
ich ohne ihn nicht leben kann. — Hier ſank Sieg-
wart weinend, und halb ohnmaͤchtig an ihr Herz. —
Sie werden mich verlaſſen, und mir untreu wer-
den, ſagte er nach einiger Zeit. Nein, bey Gott
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[786/0366] ger (der geſtern zu mir kam, als ich mit Jhnen ſprach). Wenn nun unſers Theodors Frau, die ihm gut iſt, noch dazu kommt, dann weis ich nicht, wie es gehen wird? Pruͤf dich recht, meine Toch- ter, wie es um dein Herz ſteht; ob du den Antrag annehmen kannſt? — Jch fiel ihr weinend um den Hals. Ach meine Mutter! ſagte ich. — Jch weis wohl, meine Tochter, fiel ſie mir ein, und weinte mit; Siegwart waͤre beſſer. Aber denk, er iſt ein Student, und darauf ſieht dein Vater ſehr. Jch will thun, was ich kann; aber ich kann nichts verſprechen. Halt nur alles recht geheim, mit Siegwart! und vertrau auf Gott! das iſt das Beſte. Jch rathe dir, wenn dein Herz noch nicht ganz an ihm haͤngt, ſo reiß dich los! Denn ich ſehe nichts vor mir, als tauſend Kummer und Ver- druß. — O Mutter, ſagt ich, thun Sie was Sie koͤnnen, und entfernen Sie den Hofrath! Denn er iſt mir unausſtehlich. Gott erbarm ſich meiner! Siegwart iſt allein der Mann. Gott weis, daß ich ohne ihn nicht leben kann. — Hier ſank Sieg- wart weinend, und halb ohnmaͤchtig an ihr Herz. — Sie werden mich verlaſſen, und mir untreu wer- den, ſagte er nach einiger Zeit. Nein, bey Gott nicht! war ihre Antwort. Lieber ſterben! Aber,

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 786. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/366>, abgerufen am 25.04.2024.