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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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ist. Jch kann meinem Bruder keine beßre Gattin
wünschen, und sehne mich recht darnach, sie bald
meine Schwägerin zu nennen. Wenn nur mein
Onkel bald zurückkommt, dann soll, hoff ich, alles
noch gut gehen. Jndem kam ihr Mann, und em-
pfieng unsern Siegwart freundlich. Er erkundigte
sich nach seinem Schwager, und verwunderte sich
über seine so beschleunigte Abreise von Jngolstadt.
Bey Tisch wurde viel über den Junker Veit ge-
sprochen. Sie beklagten sich alle über sein rohes
Wesen, und daß er sich so von Kunigunden regie-
ren lasse.

Bald nach dem Essen empfahl sich Siegwart,
nachdem er erst noch einige Augenblicke mit der
Frau von Eller allein gesprochen hatte, und ritt
wieder nach Jngolstadt zurück. Unterwegs dachte
er nur an Kronhelm, an Theresen, und an seine
Mariane. Er dachte hin und her, ob er seiner
Schwester etwas von dem unglücklichen Vorfall
schreiben sollte? und konnte nicht mit sich einig
werden. Den folgenden Tag kam er sehr spät
wieder in Jngolstadt an, denn er wollte nicht noch
eine Nacht weg bleiben; der Gedanke, seiner Ma-
riane nah zu seyn, hatte zu viel süsses für ihn.
Den andern Tag stund er etwas spät auf, und sah,



iſt. Jch kann meinem Bruder keine beßre Gattin
wuͤnſchen, und ſehne mich recht darnach, ſie bald
meine Schwaͤgerin zu nennen. Wenn nur mein
Onkel bald zuruͤckkommt, dann ſoll, hoff ich, alles
noch gut gehen. Jndem kam ihr Mann, und em-
pfieng unſern Siegwart freundlich. Er erkundigte
ſich nach ſeinem Schwager, und verwunderte ſich
uͤber ſeine ſo beſchleunigte Abreiſe von Jngolſtadt.
Bey Tiſch wurde viel uͤber den Junker Veit ge-
ſprochen. Sie beklagten ſich alle uͤber ſein rohes
Weſen, und daß er ſich ſo von Kunigunden regie-
ren laſſe.

Bald nach dem Eſſen empfahl ſich Siegwart,
nachdem er erſt noch einige Augenblicke mit der
Frau von Eller allein geſprochen hatte, und ritt
wieder nach Jngolſtadt zuruͤck. Unterwegs dachte
er nur an Kronhelm, an Thereſen, und an ſeine
Mariane. Er dachte hin und her, ob er ſeiner
Schweſter etwas von dem ungluͤcklichen Vorfall
ſchreiben ſollte? und konnte nicht mit ſich einig
werden. Den folgenden Tag kam er ſehr ſpaͤt
wieder in Jngolſtadt an, denn er wollte nicht noch
eine Nacht weg bleiben; der Gedanke, ſeiner Ma-
riane nah zu ſeyn, hatte zu viel ſuͤſſes fuͤr ihn.
Den andern Tag ſtund er etwas ſpaͤt auf, und ſah,

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[781/0361] iſt. Jch kann meinem Bruder keine beßre Gattin wuͤnſchen, und ſehne mich recht darnach, ſie bald meine Schwaͤgerin zu nennen. Wenn nur mein Onkel bald zuruͤckkommt, dann ſoll, hoff ich, alles noch gut gehen. Jndem kam ihr Mann, und em- pfieng unſern Siegwart freundlich. Er erkundigte ſich nach ſeinem Schwager, und verwunderte ſich uͤber ſeine ſo beſchleunigte Abreiſe von Jngolſtadt. Bey Tiſch wurde viel uͤber den Junker Veit ge- ſprochen. Sie beklagten ſich alle uͤber ſein rohes Weſen, und daß er ſich ſo von Kunigunden regie- ren laſſe. Bald nach dem Eſſen empfahl ſich Siegwart, nachdem er erſt noch einige Augenblicke mit der Frau von Eller allein geſprochen hatte, und ritt wieder nach Jngolſtadt zuruͤck. Unterwegs dachte er nur an Kronhelm, an Thereſen, und an ſeine Mariane. Er dachte hin und her, ob er ſeiner Schweſter etwas von dem ungluͤcklichen Vorfall ſchreiben ſollte? und konnte nicht mit ſich einig werden. Den folgenden Tag kam er ſehr ſpaͤt wieder in Jngolſtadt an, denn er wollte nicht noch eine Nacht weg bleiben; der Gedanke, ſeiner Ma- riane nah zu ſeyn, hatte zu viel ſuͤſſes fuͤr ihn. Den andern Tag ſtund er etwas ſpaͤt auf, und ſah,

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 781. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/361>, abgerufen am 29.03.2024.