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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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eine Kugel auf mich wartet, und meiner Qual ein
Ende macht.

O Bruder, so weit ists mit mir gekommen.
Das sind nun meine Hoffnungen! Gott, was wird
aus Theresen werden? Schick ihr diesen Brief,
wenn dus für gut hältst, und schreib ihr das übri-
ge! Tröst sie, wenn du kannst! Jch bins nicht im
Stand. An meinen Onkel hab ich vor 2 Tagen
geschrieben, daß er Sorge trägt, daß ihr mein Va-
ter nichts thut, und daß er mir Geld schickt, denn
ich hab nur 15 Gulden bey mir, und mein Pferd
nehm ich mit. Der Hauptmann will mir indessen
Geld auf den Weg mitgeben. Mein Onkel kann
meinen Schritt unmöglich misbilligen; es war mir
nichts anders übrig. Jch gehe nicht aus dem Haus,
um nicht entdeckt zu werden; sonst wär ich zum
P. Philipp gegangen. Schreib mir unter der
Adresse an den Hauptmann!

Jch kann dir nicht sagen, wie mir ist. An The-
resen darf ich kaum gedenken, und doch ist sie fast
mein einziger Gedanke. Sie auf ewig nun ver-
lieren! Sie auf ewig nicht mehr sehen! Und doch
ist dieß all mein Trost, daß ich nun dem Tod ent-
gegen gehe. Die Preussen schiessen gut, und ich
will mich immer dahin stellen, wo der Tod am



eine Kugel auf mich wartet, und meiner Qual ein
Ende macht.

O Bruder, ſo weit iſts mit mir gekommen.
Das ſind nun meine Hoffnungen! Gott, was wird
aus Thereſen werden? Schick ihr dieſen Brief,
wenn dus fuͤr gut haͤltſt, und ſchreib ihr das uͤbri-
ge! Troͤſt ſie, wenn du kannſt! Jch bins nicht im
Stand. An meinen Onkel hab ich vor 2 Tagen
geſchrieben, daß er Sorge traͤgt, daß ihr mein Va-
ter nichts thut, und daß er mir Geld ſchickt, denn
ich hab nur 15 Gulden bey mir, und mein Pferd
nehm ich mit. Der Hauptmann will mir indeſſen
Geld auf den Weg mitgeben. Mein Onkel kann
meinen Schritt unmoͤglich misbilligen; es war mir
nichts anders uͤbrig. Jch gehe nicht aus dem Haus,
um nicht entdeckt zu werden; ſonſt waͤr ich zum
P. Philipp gegangen. Schreib mir unter der
Adreſſe an den Hauptmann!

Jch kann dir nicht ſagen, wie mir iſt. An The-
reſen darf ich kaum gedenken, und doch iſt ſie faſt
mein einziger Gedanke. Sie auf ewig nun ver-
lieren! Sie auf ewig nicht mehr ſehen! Und doch
iſt dieß all mein Troſt, daß ich nun dem Tod ent-
gegen gehe. Die Preuſſen ſchieſſen gut, und ich
will mich immer dahin ſtellen, wo der Tod am

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[773/0353] eine Kugel auf mich wartet, und meiner Qual ein Ende macht. O Bruder, ſo weit iſts mit mir gekommen. Das ſind nun meine Hoffnungen! Gott, was wird aus Thereſen werden? Schick ihr dieſen Brief, wenn dus fuͤr gut haͤltſt, und ſchreib ihr das uͤbri- ge! Troͤſt ſie, wenn du kannſt! Jch bins nicht im Stand. An meinen Onkel hab ich vor 2 Tagen geſchrieben, daß er Sorge traͤgt, daß ihr mein Va- ter nichts thut, und daß er mir Geld ſchickt, denn ich hab nur 15 Gulden bey mir, und mein Pferd nehm ich mit. Der Hauptmann will mir indeſſen Geld auf den Weg mitgeben. Mein Onkel kann meinen Schritt unmoͤglich misbilligen; es war mir nichts anders uͤbrig. Jch gehe nicht aus dem Haus, um nicht entdeckt zu werden; ſonſt waͤr ich zum P. Philipp gegangen. Schreib mir unter der Adreſſe an den Hauptmann! Jch kann dir nicht ſagen, wie mir iſt. An The- reſen darf ich kaum gedenken, und doch iſt ſie faſt mein einziger Gedanke. Sie auf ewig nun ver- lieren! Sie auf ewig nicht mehr ſehen! Und doch iſt dieß all mein Troſt, daß ich nun dem Tod ent- gegen gehe. Die Preuſſen ſchieſſen gut, und ich will mich immer dahin ſtellen, wo der Tod am

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 773. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/353>, abgerufen am 20.04.2024.