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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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einer Viertelstunde ging Siegwart weg. Zu Hause
machte er ein Lied:
Nach Kronhelms zweyten Abschied.
Gränzt die Freude denn hienieden
Jmmer nur an Traurigkeit?
Jst uns denn kein Glück beschieden,
Das sich ohne Thränen freut?
Kronhelm, ach, und du, Erwählte,
Schmerz und Wonne schafft ihr mir!
Kaum daß Liebe nicht mehr quälte,
Quälet Freundschaft mich dafür.
Kaum daß Sie dem wunden Herzen
Endlich Linderung ertheilt,
Wird mit neuen bangen Schmerzen
Die zerrißne Brust zertheilt.
An die Eine Seite sinket
Das erflehte Mädchen hin;
Ach, und von der andern winket
Unerforschte Schickung ihn.
Wandl', o Freund! nach tausend Thränen,
Dem erweinten Mädchen zu!
Erndte, nach so langem Sehnen,
Der erweichten Liebe Ruh!



einer Viertelſtunde ging Siegwart weg. Zu Hauſe
machte er ein Lied:
Nach Kronhelms zweyten Abſchied.
Graͤnzt die Freude denn hienieden
Jmmer nur an Traurigkeit?
Jſt uns denn kein Gluͤck beſchieden,
Das ſich ohne Thraͤnen freut?
Kronhelm, ach, und du, Erwaͤhlte,
Schmerz und Wonne ſchafft ihr mir!
Kaum daß Liebe nicht mehr quaͤlte,
Quaͤlet Freundſchaft mich dafuͤr.
Kaum daß Sie dem wunden Herzen
Endlich Linderung ertheilt,
Wird mit neuen bangen Schmerzen
Die zerrißne Bruſt zertheilt.
An die Eine Seite ſinket
Das erflehte Maͤdchen hin;
Ach, und von der andern winket
Unerforſchte Schickung ihn.
Wandl’, o Freund! nach tauſend Thraͤnen,
Dem erweinten Maͤdchen zu!
Erndte, nach ſo langem Sehnen,
Der erweichten Liebe Ruh!

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[755/0335] einer Viertelſtunde ging Siegwart weg. Zu Hauſe machte er ein Lied: Nach Kronhelms zweyten Abſchied. Graͤnzt die Freude denn hienieden Jmmer nur an Traurigkeit? Jſt uns denn kein Gluͤck beſchieden, Das ſich ohne Thraͤnen freut? Kronhelm, ach, und du, Erwaͤhlte, Schmerz und Wonne ſchafft ihr mir! Kaum daß Liebe nicht mehr quaͤlte, Quaͤlet Freundſchaft mich dafuͤr. Kaum daß Sie dem wunden Herzen Endlich Linderung ertheilt, Wird mit neuen bangen Schmerzen Die zerrißne Bruſt zertheilt. An die Eine Seite ſinket Das erflehte Maͤdchen hin; Ach, und von der andern winket Unerforſchte Schickung ihn. Wandl’, o Freund! nach tauſend Thraͤnen, Dem erweinten Maͤdchen zu! Erndte, nach ſo langem Sehnen, Der erweichten Liebe Ruh!

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 755. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/335>, abgerufen am 16.04.2024.