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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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diese Hoffnung wäre mir die Trennung unerträg-
lich. Aber schreib mir fleissig. Laß mich nicht in
meiner Einsamkeit verschmachten! -- Du mich
auch nicht, Kronhelm! Du weist, wie ich ohnehin
zur Schwermuth geneigt bin. Wenn ich dich nicht
hätte, und es ginge mir in meiner Liebe widerwär-
tig! Bruder, Bruder, schreib mir! -- Du must
glücklich werden, sagte Kronhelm, du, und Mariane!
Wenn ein Mensch es werth ist, so seyd ihrs. Aber,
Bruder, du must dich bald entschliessen, welche Le-
bensart du wählen willst. Ein Geistlicher wirst
du nun doch nicht, und das ist recht gut, ich war
nie damit zufrieden. Aber, da Mariane weis, was
du bisher studirt hast, so könnte sie leicht unruhig
werden. Neiß sie bald aus ihrer Unruhe! -- Jch
wills thun, Bruder! versetzte Siegwart. Es geht
mir schon lang im Kopf herum, und quält mich
heimlich. Jch bin selber noch nicht schlüssig; so
bald ichs bin, schreib ich dir davon. Ein Geistli-
cher kann ich freylich nicht werden. Gott wird
mirs vergeben, und ich hoffe, mein Vater wird es
auch zufrieden seyn. Jch muß mich erst an The-
resen wenden. -- Thu es bald! sagte Kronhelm
du weist, wie der Engel denkt. --



dieſe Hoffnung waͤre mir die Trennung unertraͤg-
lich. Aber ſchreib mir fleiſſig. Laß mich nicht in
meiner Einſamkeit verſchmachten! — Du mich
auch nicht, Kronhelm! Du weiſt, wie ich ohnehin
zur Schwermuth geneigt bin. Wenn ich dich nicht
haͤtte, und es ginge mir in meiner Liebe widerwaͤr-
tig! Bruder, Bruder, ſchreib mir! — Du muſt
gluͤcklich werden, ſagte Kronhelm, du, und Mariane!
Wenn ein Menſch es werth iſt, ſo ſeyd ihrs. Aber,
Bruder, du muſt dich bald entſchlieſſen, welche Le-
bensart du waͤhlen willſt. Ein Geiſtlicher wirſt
du nun doch nicht, und das iſt recht gut, ich war
nie damit zufrieden. Aber, da Mariane weis, was
du bisher ſtudirt haſt, ſo koͤnnte ſie leicht unruhig
werden. Neiß ſie bald aus ihrer Unruhe! — Jch
wills thun, Bruder! verſetzte Siegwart. Es geht
mir ſchon lang im Kopf herum, und quaͤlt mich
heimlich. Jch bin ſelber noch nicht ſchluͤſſig; ſo
bald ichs bin, ſchreib ich dir davon. Ein Geiſtli-
cher kann ich freylich nicht werden. Gott wird
mirs vergeben, und ich hoffe, mein Vater wird es
auch zufrieden ſeyn. Jch muß mich erſt an The-
reſen wenden. — Thu es bald! ſagte Kronhelm
du weiſt, wie der Engel denkt. —

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[750/0330] dieſe Hoffnung waͤre mir die Trennung unertraͤg- lich. Aber ſchreib mir fleiſſig. Laß mich nicht in meiner Einſamkeit verſchmachten! — Du mich auch nicht, Kronhelm! Du weiſt, wie ich ohnehin zur Schwermuth geneigt bin. Wenn ich dich nicht haͤtte, und es ginge mir in meiner Liebe widerwaͤr- tig! Bruder, Bruder, ſchreib mir! — Du muſt gluͤcklich werden, ſagte Kronhelm, du, und Mariane! Wenn ein Menſch es werth iſt, ſo ſeyd ihrs. Aber, Bruder, du muſt dich bald entſchlieſſen, welche Le- bensart du waͤhlen willſt. Ein Geiſtlicher wirſt du nun doch nicht, und das iſt recht gut, ich war nie damit zufrieden. Aber, da Mariane weis, was du bisher ſtudirt haſt, ſo koͤnnte ſie leicht unruhig werden. Neiß ſie bald aus ihrer Unruhe! — Jch wills thun, Bruder! verſetzte Siegwart. Es geht mir ſchon lang im Kopf herum, und quaͤlt mich heimlich. Jch bin ſelber noch nicht ſchluͤſſig; ſo bald ichs bin, ſchreib ich dir davon. Ein Geiſtli- cher kann ich freylich nicht werden. Gott wird mirs vergeben, und ich hoffe, mein Vater wird es auch zufrieden ſeyn. Jch muß mich erſt an The- reſen wenden. — Thu es bald! ſagte Kronhelm du weiſt, wie der Engel denkt. —

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 750. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/330>, abgerufen am 28.03.2024.