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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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lich; nur eine feinere Haut hat sie, sagte er, ist
nicht so ernsthaft, hat hellere und dunkelblauere
Augen, eine nicht so hoch gewölbte Stirne. Die
Frau von Eller that gegen unsern Siegwart recht
vertraut, trank auf Theresens Gesundheit, und war
ganz mit ihm zufrieden. Kronhelm sagte, auf den
Karfreytag wollten sie wieder zurückreiten; aber sie
drang so lang in sie, am Karfreytag noch in München
zu bleiben, um die Prozession zu sehen, und den feyer-
lichen Gottesdienst und die Trauermusik bey Nacht
mit anzuhören, bis sie endlich nachgaben. Der
kleine Karl kam wieder, und spielte mit Siegwart;
die Mädchen wurden auch nach und nach zuthäti-
ger und mischten sich mit in die Spiele. Sie er-
zählten in der Reihe herum Mährchen, und Sieg-
wart muste das seinige auch erzählen; aber er sah,
wie viel ihm dazu fehle, etwas auch den Kindern
wahrscheinliches, zu erzählen, denn sie machten ihm
alle Augenblicke Einwendungen und Fragen, die er
nicht beantworten konnte. Der Herr von Eller
kam auch wieder zurück, und war gegen unsre bey-
den Jünglinge ganz verbindlich; aber weil er um
6 Uhr mit seiner Frau in Gesellschaft gehen muste,
so bat er sie auf den andern Tag wieder zu Tisch,

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lich; nur eine feinere Haut hat ſie, ſagte er, iſt
nicht ſo ernſthaft, hat hellere und dunkelblauere
Augen, eine nicht ſo hoch gewoͤlbte Stirne. Die
Frau von Eller that gegen unſern Siegwart recht
vertraut, trank auf Thereſens Geſundheit, und war
ganz mit ihm zufrieden. Kronhelm ſagte, auf den
Karfreytag wollten ſie wieder zuruͤckreiten; aber ſie
drang ſo lang in ſie, am Karfreytag noch in Muͤnchen
zu bleiben, um die Prozeſſion zu ſehen, und den feyer-
lichen Gottesdienſt und die Trauermuſik bey Nacht
mit anzuhoͤren, bis ſie endlich nachgaben. Der
kleine Karl kam wieder, und ſpielte mit Siegwart;
die Maͤdchen wurden auch nach und nach zuthaͤti-
ger und miſchten ſich mit in die Spiele. Sie er-
zaͤhlten in der Reihe herum Maͤhrchen, und Sieg-
wart muſte das ſeinige auch erzaͤhlen; aber er ſah,
wie viel ihm dazu fehle, etwas auch den Kindern
wahrſcheinliches, zu erzaͤhlen, denn ſie machten ihm
alle Augenblicke Einwendungen und Fragen, die er
nicht beantworten konnte. Der Herr von Eller
kam auch wieder zuruͤck, und war gegen unſre bey-
den Juͤnglinge ganz verbindlich; aber weil er um
6 Uhr mit ſeiner Frau in Geſellſchaft gehen muſte,
ſo bat er ſie auf den andern Tag wieder zu Tiſch,

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[729/0309] lich; nur eine feinere Haut hat ſie, ſagte er, iſt nicht ſo ernſthaft, hat hellere und dunkelblauere Augen, eine nicht ſo hoch gewoͤlbte Stirne. Die Frau von Eller that gegen unſern Siegwart recht vertraut, trank auf Thereſens Geſundheit, und war ganz mit ihm zufrieden. Kronhelm ſagte, auf den Karfreytag wollten ſie wieder zuruͤckreiten; aber ſie drang ſo lang in ſie, am Karfreytag noch in Muͤnchen zu bleiben, um die Prozeſſion zu ſehen, und den feyer- lichen Gottesdienſt und die Trauermuſik bey Nacht mit anzuhoͤren, bis ſie endlich nachgaben. Der kleine Karl kam wieder, und ſpielte mit Siegwart; die Maͤdchen wurden auch nach und nach zuthaͤti- ger und miſchten ſich mit in die Spiele. Sie er- zaͤhlten in der Reihe herum Maͤhrchen, und Sieg- wart muſte das ſeinige auch erzaͤhlen; aber er ſah, wie viel ihm dazu fehle, etwas auch den Kindern wahrſcheinliches, zu erzaͤhlen, denn ſie machten ihm alle Augenblicke Einwendungen und Fragen, die er nicht beantworten konnte. Der Herr von Eller kam auch wieder zuruͤck, und war gegen unſre bey- den Juͤnglinge ganz verbindlich; aber weil er um 6 Uhr mit ſeiner Frau in Geſellſchaft gehen muſte, ſo bat er ſie auf den andern Tag wieder zu Tiſch, A a a

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 729. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/309>, abgerufen am 25.04.2024.