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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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zween Studenten mit dem blossen Degen angriffen.
Man kann Muth haben, ohne ihn zum Schaden
andrer ohne Noth zu brauchen. Jch schlage mich
gewiß nicht, aber deswegen komm mir keiner und
necke mich! Jch will ihms zeigen, daß ich meine
Faust und meinen Degen nicht umsonst habe.
Und bey den groben Schlägern fehlts gar oft an
Herz, wenns auf wirkliche Vertheidigung ankommt.
Beym bösen Gewissen gibts keine wahre Herz-
haftigkeit, und ein gutes Gewissen hat der niemals, der
vorsetzlich, um einer Kleinigkeit willen, sein Leben
aufs Spiel setzt, oder nach dem Leben eines andern
trachtet. -- Aber die Weissin ist nun doch verloh-
ren, sagte Dahlmund, und das thut mir in der
Seele weh! -- Kanns das wol mit Recht?
sagte Kronhelm. Sie hat sich schlecht aufgesührt,
das must du selbst bekennen, da sie dir einen sol-
chen Menschen vorzieht. Ein Mädchen, das aus-
ser uns, noch mit einem andern, auch sonst guten
Menschen, liebelt, verdient warlich unsere Liebe nicht.
Ganz und allein muß man ein Herz haben, das
man ganz liebt. Wenn ich meinem Mädchen nicht
Alles bin, so bin ich gar nichts, und nehm auch
mein Herz zurück. Du must stolz seyn, Dahl-
mund, und den Flattergeist verachten können. Du



zween Studenten mit dem bloſſen Degen angriffen.
Man kann Muth haben, ohne ihn zum Schaden
andrer ohne Noth zu brauchen. Jch ſchlage mich
gewiß nicht, aber deswegen komm mir keiner und
necke mich! Jch will ihms zeigen, daß ich meine
Fauſt und meinen Degen nicht umſonſt habe.
Und bey den groben Schlaͤgern fehlts gar oft an
Herz, wenns auf wirkliche Vertheidigung ankommt.
Beym boͤſen Gewiſſen gibts keine wahre Herz-
haftigkeit, und ein gutes Gewiſſen hat der niemals, der
vorſetzlich, um einer Kleinigkeit willen, ſein Leben
aufs Spiel ſetzt, oder nach dem Leben eines andern
trachtet. — Aber die Weiſſin iſt nun doch verloh-
ren, ſagte Dahlmund, und das thut mir in der
Seele weh! — Kanns das wol mit Recht?
ſagte Kronhelm. Sie hat ſich ſchlecht aufgeſuͤhrt,
das muſt du ſelbſt bekennen, da ſie dir einen ſol-
chen Menſchen vorzieht. Ein Maͤdchen, das auſ-
ſer uns, noch mit einem andern, auch ſonſt guten
Menſchen, liebelt, verdient warlich unſere Liebe nicht.
Ganz und allein muß man ein Herz haben, das
man ganz liebt. Wenn ich meinem Maͤdchen nicht
Alles bin, ſo bin ich gar nichts, und nehm auch
mein Herz zuruͤck. Du muſt ſtolz ſeyn, Dahl-
mund, und den Flattergeiſt verachten koͤnnen. Du

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[707/0287] zween Studenten mit dem bloſſen Degen angriffen. Man kann Muth haben, ohne ihn zum Schaden andrer ohne Noth zu brauchen. Jch ſchlage mich gewiß nicht, aber deswegen komm mir keiner und necke mich! Jch will ihms zeigen, daß ich meine Fauſt und meinen Degen nicht umſonſt habe. Und bey den groben Schlaͤgern fehlts gar oft an Herz, wenns auf wirkliche Vertheidigung ankommt. Beym boͤſen Gewiſſen gibts keine wahre Herz- haftigkeit, und ein gutes Gewiſſen hat der niemals, der vorſetzlich, um einer Kleinigkeit willen, ſein Leben aufs Spiel ſetzt, oder nach dem Leben eines andern trachtet. — Aber die Weiſſin iſt nun doch verloh- ren, ſagte Dahlmund, und das thut mir in der Seele weh! — Kanns das wol mit Recht? ſagte Kronhelm. Sie hat ſich ſchlecht aufgeſuͤhrt, das muſt du ſelbſt bekennen, da ſie dir einen ſol- chen Menſchen vorzieht. Ein Maͤdchen, das auſ- ſer uns, noch mit einem andern, auch ſonſt guten Menſchen, liebelt, verdient warlich unſere Liebe nicht. Ganz und allein muß man ein Herz haben, das man ganz liebt. Wenn ich meinem Maͤdchen nicht Alles bin, ſo bin ich gar nichts, und nehm auch mein Herz zuruͤck. Du muſt ſtolz ſeyn, Dahl- mund, und den Flattergeiſt verachten koͤnnen. Du

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 707. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/287>, abgerufen am 29.03.2024.