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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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ein braver Kerl sie ins Auge fast. Du nimmst's
ja auch nicht übel, wenn du einem Mädchen wohl-
gefällst, zumal wenns von Liebe von der rechten
Art herkommt. Fang nur keine Grillen! Das ist
bey der Liebe, und zumal im Anfang so gewöhn-
lich. Wenn du Marianen, wie ich glaube, wirk-
lich wohlgefällst, so kann ihr dein Geständniß nicht
misfallen. Wart nur den rechten Zeitpunkt ab,
und sprich mit ihr aus dem Herzen!

Siegwart versprach, zu thun, was er könnte,
und gieng nun, Marianen zum Ball abzuholen.
Er gieng aufs Wohnzimmer, wo ihre Eltern wa-
ren, die ihm beyderseits sehr höflich begegneten.
Die Mutter that besonders ausserordentlich freund-
schaftlich, und bat ihn, sie und ihren Mann und
ihre Tochter zuweilen am Abend zu besuchen. Wenn
Sie den Herrn von Kronhelm mitbringen, und
mein Joseph (so hieß Marianens jüngster Bruder,
der auch im Zimmer war) zu Haus ist, so kön-
nen Sie, wenn es Jhnen gefällig ist, zuweilen
ein kleines Privatkonzert machen. Siegwart nahm
den Antrag mit Freuden und einer tiefen Ver-
beugung an. Der Hofrath Fischer sagte eben die-
ses, und war überhaupt ungewöhnlich höflich, er-
kundigte sich sehr forgfältig nach seinem Vater, trug



ein braver Kerl ſie ins Auge faſt. Du nimmſt’s
ja auch nicht uͤbel, wenn du einem Maͤdchen wohl-
gefaͤllſt, zumal wenns von Liebe von der rechten
Art herkommt. Fang nur keine Grillen! Das iſt
bey der Liebe, und zumal im Anfang ſo gewoͤhn-
lich. Wenn du Marianen, wie ich glaube, wirk-
lich wohlgefaͤllſt, ſo kann ihr dein Geſtaͤndniß nicht
misfallen. Wart nur den rechten Zeitpunkt ab,
und ſprich mit ihr aus dem Herzen!

Siegwart verſprach, zu thun, was er koͤnnte,
und gieng nun, Marianen zum Ball abzuholen.
Er gieng aufs Wohnzimmer, wo ihre Eltern wa-
ren, die ihm beyderſeits ſehr hoͤflich begegneten.
Die Mutter that beſonders auſſerordentlich freund-
ſchaftlich, und bat ihn, ſie und ihren Mann und
ihre Tochter zuweilen am Abend zu beſuchen. Wenn
Sie den Herrn von Kronhelm mitbringen, und
mein Joſeph (ſo hieß Marianens juͤngſter Bruder,
der auch im Zimmer war) zu Haus iſt, ſo koͤn-
nen Sie, wenn es Jhnen gefaͤllig iſt, zuweilen
ein kleines Privatkonzert machen. Siegwart nahm
den Antrag mit Freuden und einer tiefen Ver-
beugung an. Der Hofrath Fiſcher ſagte eben die-
ſes, und war uͤberhaupt ungewoͤhnlich hoͤflich, er-
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[664/0244] ein braver Kerl ſie ins Auge faſt. Du nimmſt’s ja auch nicht uͤbel, wenn du einem Maͤdchen wohl- gefaͤllſt, zumal wenns von Liebe von der rechten Art herkommt. Fang nur keine Grillen! Das iſt bey der Liebe, und zumal im Anfang ſo gewoͤhn- lich. Wenn du Marianen, wie ich glaube, wirk- lich wohlgefaͤllſt, ſo kann ihr dein Geſtaͤndniß nicht misfallen. Wart nur den rechten Zeitpunkt ab, und ſprich mit ihr aus dem Herzen! Siegwart verſprach, zu thun, was er koͤnnte, und gieng nun, Marianen zum Ball abzuholen. Er gieng aufs Wohnzimmer, wo ihre Eltern wa- ren, die ihm beyderſeits ſehr hoͤflich begegneten. Die Mutter that beſonders auſſerordentlich freund- ſchaftlich, und bat ihn, ſie und ihren Mann und ihre Tochter zuweilen am Abend zu beſuchen. Wenn Sie den Herrn von Kronhelm mitbringen, und mein Joſeph (ſo hieß Marianens juͤngſter Bruder, der auch im Zimmer war) zu Haus iſt, ſo koͤn- nen Sie, wenn es Jhnen gefaͤllig iſt, zuweilen ein kleines Privatkonzert machen. Siegwart nahm den Antrag mit Freuden und einer tiefen Ver- beugung an. Der Hofrath Fiſcher ſagte eben die- ſes, und war uͤberhaupt ungewoͤhnlich hoͤflich, er- kundigte ſich ſehr forgfaͤltig nach ſeinem Vater, trug

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 664. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/244>, abgerufen am 28.03.2024.