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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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und sein Herz im seligsten Gefühl schwamm. Die
ganze Gesellschaft klatschte noch so lang, als sonst ge-
wöhnlich, als die beyden ausgesungen hatten. Sie
lobte seinen richtigen Gesang und seinen tiefen
Ausdruck mehr mit Blicken, als mit Worten. Wir
müssen öfter singen, sagte sie. Jch sang noch nie
mit solchem Erfer und mit solchem Antheil. Jch
gewiß auch nie! sagte Siegwart, und seufzte. --
Kronhelm kam dazu, und sagte: Hab ich nicht
Recht, Jungfer Fischerin, daß er gut singt? -- O,
sie haben mir nicht halb so viel gesagt, war ihre
Antwort. Herr Siegwart singt ausserordentlich
Endlich ward das Gespräch, durch andre, die dazu
kamen, allgemeiner.

Siegwart war nun so froh, daß er alles um sich
her vergaß. Er glaubte nun selber, daß ihn Ma-
riane liebe, und wünschte nur bald Gelegenheit, sie
allein zu sprechen, und ihr sein Herz ganz entdecken
zu können! Beym Weggehen, als er von ihr Ab-
schied nahm, sah sie ihn mit dem zärtlichsten schmach-
tendsten Blick, in dem eine Thräne schwamm, an.
Zu Haus machte er sogleich in seiner Freude fol-
gendes Gedicht:



und ſein Herz im ſeligſten Gefuͤhl ſchwamm. Die
ganze Geſellſchaft klatſchte noch ſo lang, als ſonſt ge-
woͤhnlich, als die beyden ausgeſungen hatten. Sie
lobte ſeinen richtigen Geſang und ſeinen tiefen
Ausdruck mehr mit Blicken, als mit Worten. Wir
muͤſſen oͤfter ſingen, ſagte ſie. Jch ſang noch nie
mit ſolchem Erfer und mit ſolchem Antheil. Jch
gewiß auch nie! ſagte Siegwart, und ſeufzte. —
Kronhelm kam dazu, und ſagte: Hab ich nicht
Recht, Jungfer Fiſcherin, daß er gut ſingt? — O,
ſie haben mir nicht halb ſo viel geſagt, war ihre
Antwort. Herr Siegwart ſingt auſſerordentlich
Endlich ward das Geſpraͤch, durch andre, die dazu
kamen, allgemeiner.

Siegwart war nun ſo froh, daß er alles um ſich
her vergaß. Er glaubte nun ſelber, daß ihn Ma-
riane liebe, und wuͤnſchte nur bald Gelegenheit, ſie
allein zu ſprechen, und ihr ſein Herz ganz entdecken
zu koͤnnen! Beym Weggehen, als er von ihr Ab-
ſchied nahm, ſah ſie ihn mit dem zaͤrtlichſten ſchmach-
tendſten Blick, in dem eine Thraͤne ſchwamm, an.
Zu Haus machte er ſogleich in ſeiner Freude fol-
gendes Gedicht:

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[657/0237] und ſein Herz im ſeligſten Gefuͤhl ſchwamm. Die ganze Geſellſchaft klatſchte noch ſo lang, als ſonſt ge- woͤhnlich, als die beyden ausgeſungen hatten. Sie lobte ſeinen richtigen Geſang und ſeinen tiefen Ausdruck mehr mit Blicken, als mit Worten. Wir muͤſſen oͤfter ſingen, ſagte ſie. Jch ſang noch nie mit ſolchem Erfer und mit ſolchem Antheil. Jch gewiß auch nie! ſagte Siegwart, und ſeufzte. — Kronhelm kam dazu, und ſagte: Hab ich nicht Recht, Jungfer Fiſcherin, daß er gut ſingt? — O, ſie haben mir nicht halb ſo viel geſagt, war ihre Antwort. Herr Siegwart ſingt auſſerordentlich Endlich ward das Geſpraͤch, durch andre, die dazu kamen, allgemeiner. Siegwart war nun ſo froh, daß er alles um ſich her vergaß. Er glaubte nun ſelber, daß ihn Ma- riane liebe, und wuͤnſchte nur bald Gelegenheit, ſie allein zu ſprechen, und ihr ſein Herz ganz entdecken zu koͤnnen! Beym Weggehen, als er von ihr Ab- ſchied nahm, ſah ſie ihn mit dem zaͤrtlichſten ſchmach- tendſten Blick, in dem eine Thraͤne ſchwamm, an. Zu Haus machte er ſogleich in ſeiner Freude fol- gendes Gedicht:

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 657. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/237>, abgerufen am 29.03.2024.