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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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ternheit gemäß, seinen Kronhelm sehr, recht be-
hutsam drein zu gehen, und sich und ihn auf
keine Weise zu verrathen. Zu seiner grösten Freude
erfuhr er auch, daß ihre Verbindung mit dem As-
sessor eine falsche Nachricht sey, und sich bloß auf
einen Misverstand von Bolings Seite gegründet
habe. --

Die beyden Freunde verlohren sich nun in süsse
Träumereyen über das künftige Glück ihrer Liebe;
Kronhelm sprach von seiner Therese, und Siegwart
von seiner Mariane mit dem wärmsten Enthusias-
mus. Jeder lobte das Mädchen des andern mit
Begeisterung, um eben solches Lob auf das seinige
zu hören. Sie blieben bis um Mitternacht bey-
sammen, und konnten sich kaum trennen; denn
immer fiel, bald dem einen, bald dem andern et-
was neues ein. Kronhelm meynte, Siegwart soll-
te Theresen etwas von seiner Liebe schreiben, aber
Siegwart wollte sich dazu schlechterdings nicht ver-
stehen, denn er war in diesem Punkt übermässig
furchtsam und zurückhaltend, und zärtlich.

Täglich sprachen sie nun ganze Stunden lang
von ihrer beyderseitigen Liebe. Siegwart sah nun
ein, wie unrecht er seinem Freund mit seiner un-
gegründeten Eifersucht gethan habe, und ward täg-



ternheit gemaͤß, ſeinen Kronhelm ſehr, recht be-
hutſam drein zu gehen, und ſich und ihn auf
keine Weiſe zu verrathen. Zu ſeiner groͤſten Freude
erfuhr er auch, daß ihre Verbindung mit dem Aſ-
ſeſſor eine falſche Nachricht ſey, und ſich bloß auf
einen Misverſtand von Bolings Seite gegruͤndet
habe. —

Die beyden Freunde verlohren ſich nun in ſuͤſſe
Traͤumereyen uͤber das kuͤnftige Gluͤck ihrer Liebe;
Kronhelm ſprach von ſeiner Thereſe, und Siegwart
von ſeiner Mariane mit dem waͤrmſten Enthuſias-
mus. Jeder lobte das Maͤdchen des andern mit
Begeiſterung, um eben ſolches Lob auf das ſeinige
zu hoͤren. Sie blieben bis um Mitternacht bey-
ſammen, und konnten ſich kaum trennen; denn
immer fiel, bald dem einen, bald dem andern et-
was neues ein. Kronhelm meynte, Siegwart ſoll-
te Thereſen etwas von ſeiner Liebe ſchreiben, aber
Siegwart wollte ſich dazu ſchlechterdings nicht ver-
ſtehen, denn er war in dieſem Punkt uͤbermaͤſſig
furchtſam und zuruͤckhaltend, und zaͤrtlich.

Taͤglich ſprachen ſie nun ganze Stunden lang
von ihrer beyderſeitigen Liebe. Siegwart ſah nun
ein, wie unrecht er ſeinem Freund mit ſeiner un-
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[655/0235] ternheit gemaͤß, ſeinen Kronhelm ſehr, recht be- hutſam drein zu gehen, und ſich und ihn auf keine Weiſe zu verrathen. Zu ſeiner groͤſten Freude erfuhr er auch, daß ihre Verbindung mit dem Aſ- ſeſſor eine falſche Nachricht ſey, und ſich bloß auf einen Misverſtand von Bolings Seite gegruͤndet habe. — Die beyden Freunde verlohren ſich nun in ſuͤſſe Traͤumereyen uͤber das kuͤnftige Gluͤck ihrer Liebe; Kronhelm ſprach von ſeiner Thereſe, und Siegwart von ſeiner Mariane mit dem waͤrmſten Enthuſias- mus. Jeder lobte das Maͤdchen des andern mit Begeiſterung, um eben ſolches Lob auf das ſeinige zu hoͤren. Sie blieben bis um Mitternacht bey- ſammen, und konnten ſich kaum trennen; denn immer fiel, bald dem einen, bald dem andern et- was neues ein. Kronhelm meynte, Siegwart ſoll- te Thereſen etwas von ſeiner Liebe ſchreiben, aber Siegwart wollte ſich dazu ſchlechterdings nicht ver- ſtehen, denn er war in dieſem Punkt uͤbermaͤſſig furchtſam und zuruͤckhaltend, und zaͤrtlich. Taͤglich ſprachen ſie nun ganze Stunden lang von ihrer beyderſeitigen Liebe. Siegwart ſah nun ein, wie unrecht er ſeinem Freund mit ſeiner un- gegruͤndeten Eiferſucht gethan habe, und ward taͤg-

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 655. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/235>, abgerufen am 19.04.2024.