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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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verdanken können; aber einst im Himmel will ichs
thun, wenn mir Gott barmherzig ist, und mich zu
sich nimmt. -- Kronhelm versprach, morgen hin-
zureiten, wenns nicht besser werde. Und nun ward
Gutfried etwas ruhiger. Doch aß er nicht mit,
und beklagte sich über innerliche Hitze. Siegwart
hatte mit seinem Zustand vieles Mitleid, und zit-
terte vor gleichem Schicksal. Nach Tische muste
er ins Kollegium gehen. Gegen Abend kam er
wieder hin. Gutfried beklagte sich sehr über Kopf-
weh, und innre Hitze, und muste sich zu Bette le-
gen. Kronhelm, der Gefahr befürchtete, erbot sich,
diese Nacht bey ihm zu bleiben und zu wachen.
Siegwart kann dann morgen da bleiben, wenns
nöthig ist, sagte er, weil ich morgen weg reite.
Siegwart gieng nach Haus, und machte sich wegen
seines Betragens gegen Kronhelm neue Vorwürfe.
Er weinte über seine Thorheit, die ihn auf seinen
besten Freund eifersüchtig machte, und zu einem so
lieblosen Betragen verleitete. Nach vielen Seuf-
zern entschloß er sich recht fest, sich künftig vor die-
sem schrecklichen und thörichten Verdacht in Acht zu
nehmen, und weder sich, noch seinen edeldenkenden
Freund mit einem so ungegründeten Verdacht zu
quälen. --



verdanken koͤnnen; aber einſt im Himmel will ichs
thun, wenn mir Gott barmherzig iſt, und mich zu
ſich nimmt. — Kronhelm verſprach, morgen hin-
zureiten, wenns nicht beſſer werde. Und nun ward
Gutfried etwas ruhiger. Doch aß er nicht mit,
und beklagte ſich uͤber innerliche Hitze. Siegwart
hatte mit ſeinem Zuſtand vieles Mitleid, und zit-
terte vor gleichem Schickſal. Nach Tiſche muſte
er ins Kollegium gehen. Gegen Abend kam er
wieder hin. Gutfried beklagte ſich ſehr uͤber Kopf-
weh, und innre Hitze, und muſte ſich zu Bette le-
gen. Kronhelm, der Gefahr befuͤrchtete, erbot ſich,
dieſe Nacht bey ihm zu bleiben und zu wachen.
Siegwart kann dann morgen da bleiben, wenns
noͤthig iſt, ſagte er, weil ich morgen weg reite.
Siegwart gieng nach Haus, und machte ſich wegen
ſeines Betragens gegen Kronhelm neue Vorwuͤrfe.
Er weinte uͤber ſeine Thorheit, die ihn auf ſeinen
beſten Freund eiferſuͤchtig machte, und zu einem ſo
liebloſen Betragen verleitete. Nach vielen Seuf-
zern entſchloß er ſich recht feſt, ſich kuͤnftig vor die-
ſem ſchrecklichen und thoͤrichten Verdacht in Acht zu
nehmen, und weder ſich, noch ſeinen edeldenkenden
Freund mit einem ſo ungegruͤndeten Verdacht zu
quaͤlen. —

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[626/0206] verdanken koͤnnen; aber einſt im Himmel will ichs thun, wenn mir Gott barmherzig iſt, und mich zu ſich nimmt. — Kronhelm verſprach, morgen hin- zureiten, wenns nicht beſſer werde. Und nun ward Gutfried etwas ruhiger. Doch aß er nicht mit, und beklagte ſich uͤber innerliche Hitze. Siegwart hatte mit ſeinem Zuſtand vieles Mitleid, und zit- terte vor gleichem Schickſal. Nach Tiſche muſte er ins Kollegium gehen. Gegen Abend kam er wieder hin. Gutfried beklagte ſich ſehr uͤber Kopf- weh, und innre Hitze, und muſte ſich zu Bette le- gen. Kronhelm, der Gefahr befuͤrchtete, erbot ſich, dieſe Nacht bey ihm zu bleiben und zu wachen. Siegwart kann dann morgen da bleiben, wenns noͤthig iſt, ſagte er, weil ich morgen weg reite. Siegwart gieng nach Haus, und machte ſich wegen ſeines Betragens gegen Kronhelm neue Vorwuͤrfe. Er weinte uͤber ſeine Thorheit, die ihn auf ſeinen beſten Freund eiferſuͤchtig machte, und zu einem ſo liebloſen Betragen verleitete. Nach vielen Seuf- zern entſchloß er ſich recht feſt, ſich kuͤnftig vor die- ſem ſchrecklichen und thoͤrichten Verdacht in Acht zu nehmen, und weder ſich, noch ſeinen edeldenkenden Freund mit einem ſo ungegruͤndeten Verdacht zu quaͤlen. —

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 626. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/206>, abgerufen am 24.04.2024.