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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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Herz eines Engels, das ist alles, was ich sagen
kann. -- Beyde schwiegen nun wieder eine Zeit-
lang, und sahn aus dem Fenster. Sie kam wie-
der in ihr Zimmer, weiß gekleidet mit rosenrothen
Bändern, stellte sich ans Fenster, und sah ein
paarmal herüber. Dann gieng sie an ihr Klavier,
und spielte. Alles, was Siegwart hören konnte,
war bezaubernd schön. Er glaubte im Paradies zu
seyn, und Harmonien der Engel anzuhören. --
Sie spielt ja himmlisch! sagte Siegwart. -- O, bey
Nacht sollten Sies erst hören, versetzte Gutfried,
wenn alles still ist; da weis man nicht mehr, ob
man im Himmel, oder auf der Welt ist? -- Zu-
mal, wenn sie singt. Das ist ein Silberton! Ein
... ein ... Ach, man kanns nicht sagen! --
Sie singt auch zuweilen im Konzert, da können
Sie sie hören. -- Wo? fragte Siegwart hastig. --
Jn ihrem Hause, war die Antwort. -- Jhr Va-
ter hat im Winter alle Wochen Konzert, es wird
nun bald wieder anfangen. -- Kann man da
auch drein gehen? fragte Siegwart. O ja, ant-
wortete Gutfried, wenn man nur den Hofrath
drum ersucht; zumal wenn man selbst zuweilen mit-
spielt. Kronhelm und ich gehen auch drein. --
Aber der Hofrath ist so ein stolzer Mann, erwie-



Herz eines Engels, das iſt alles, was ich ſagen
kann. — Beyde ſchwiegen nun wieder eine Zeit-
lang, und ſahn aus dem Fenſter. Sie kam wie-
der in ihr Zimmer, weiß gekleidet mit roſenrothen
Baͤndern, ſtellte ſich ans Fenſter, und ſah ein
paarmal heruͤber. Dann gieng ſie an ihr Klavier,
und ſpielte. Alles, was Siegwart hoͤren konnte,
war bezaubernd ſchoͤn. Er glaubte im Paradies zu
ſeyn, und Harmonien der Engel anzuhoͤren. —
Sie ſpielt ja himmliſch! ſagte Siegwart. — O, bey
Nacht ſollten Sies erſt hoͤren, verſetzte Gutfried,
wenn alles ſtill iſt; da weis man nicht mehr, ob
man im Himmel, oder auf der Welt iſt? — Zu-
mal, wenn ſie ſingt. Das iſt ein Silberton! Ein
… ein … Ach, man kanns nicht ſagen! —
Sie ſingt auch zuweilen im Konzert, da koͤnnen
Sie ſie hoͤren. — Wo? fragte Siegwart haſtig. —
Jn ihrem Hauſe, war die Antwort. — Jhr Va-
ter hat im Winter alle Wochen Konzert, es wird
nun bald wieder anfangen. — Kann man da
auch drein gehen? fragte Siegwart. O ja, ant-
wortete Gutfried, wenn man nur den Hofrath
drum erſucht; zumal wenn man ſelbſt zuweilen mit-
ſpielt. Kronhelm und ich gehen auch drein. —
Aber der Hofrath iſt ſo ein ſtolzer Mann, erwie-

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[596/0176] Herz eines Engels, das iſt alles, was ich ſagen kann. — Beyde ſchwiegen nun wieder eine Zeit- lang, und ſahn aus dem Fenſter. Sie kam wie- der in ihr Zimmer, weiß gekleidet mit roſenrothen Baͤndern, ſtellte ſich ans Fenſter, und ſah ein paarmal heruͤber. Dann gieng ſie an ihr Klavier, und ſpielte. Alles, was Siegwart hoͤren konnte, war bezaubernd ſchoͤn. Er glaubte im Paradies zu ſeyn, und Harmonien der Engel anzuhoͤren. — Sie ſpielt ja himmliſch! ſagte Siegwart. — O, bey Nacht ſollten Sies erſt hoͤren, verſetzte Gutfried, wenn alles ſtill iſt; da weis man nicht mehr, ob man im Himmel, oder auf der Welt iſt? — Zu- mal, wenn ſie ſingt. Das iſt ein Silberton! Ein … ein … Ach, man kanns nicht ſagen! — Sie ſingt auch zuweilen im Konzert, da koͤnnen Sie ſie hoͤren. — Wo? fragte Siegwart haſtig. — Jn ihrem Hauſe, war die Antwort. — Jhr Va- ter hat im Winter alle Wochen Konzert, es wird nun bald wieder anfangen. — Kann man da auch drein gehen? fragte Siegwart. O ja, ant- wortete Gutfried, wenn man nur den Hofrath drum erſucht; zumal wenn man ſelbſt zuweilen mit- ſpielt. Kronhelm und ich gehen auch drein. — Aber der Hofrath iſt ſo ein ſtolzer Mann, erwie-

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 596. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/176>, abgerufen am 29.03.2024.