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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

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III. Gepäckreductionen -- Joppe -- Knöpfe -- Reservesystem.

Da Unterkleider Umfang und Gewicht des Gepäcks weni-
ger als Oberkleider vermehren und mehr leisten, so kann man
diesen letzteren, wo es sich um Reductionen handelt, leicht
viel abbrechen, wenn nur jenen ein Weniges zugelegt wird.

Die Joppe, bei längerem Aufenthalt in Gebirgsorten
und kleinen Ausflügen recht verwendbar, reicht als Haupt-
rock unterwegs nicht aus, weil das Lodenzeug zu locker ist,
um gehörig Stand zu halten, wenn's einmal hart hergeht,
und das Ding in seiner Knappheit und Kürze zu wenig Raum
für Taschen bietet. Auf alle Fälle lasse man deren zwei oder
drei übereinander mit Knöpfen versehen äußerlich vorn an
der Brust und innerlich zwei größere Seitentaschen an-
bringen.

Von den Knöpfen der Beinkleider, an denen der Hosen-
träger befestigt wird, lasse ich eine doppelte Garnitur an-
nähen, statt sechs also zwölf, so daß, wenn einer abreißt, sein
Stellvertreter schon bereit ist und in den Dienst tritt. An
diese Knöpfe sei gleich eine Bemerkung über das Reserve-
system
geknüpft, welches in der Touristenpraxis so gut seine
Rolle spielt, wie überall. So nimmt der Vorsichtige für län-
gere Reisen (vergl. S. 19) von den ihm nöthigsten, nicht
umfänglichen und schwer wiegenden Dingen, namentlich sol-
chen, die dem Verlust, dem raschen Verbrauch oder der Be-
schädigung ausgesetzt und nicht allerwärts leicht zu kaufen
sind, etwas über den nächsten Bedarf mit, denn Vieles kauft
sich zu Hause besser, Anderes ist nicht zu haben, wo man es
gerade braucht, endlich die Zeit an fremden Orten nützlicher
zu verwenden, als in Läden und Magazinen. Die vielwieder-
holte Reiseregel: "Gepäck so wenig als möglich," erleidet
also hierdurch eine Einschränkung.

Ueberhaupt gehört der Satz so allgemein gefaßt gar nicht
in den neueren Reisecodex und scheint nur eingeschwärzt aus
irgend einem alten Wanderbüchlein für Handwerksburschen.
Soll durchaus ein Gesetz daraus werden, so könnte ich -- in
Erwägung, daß alles Gepäck unterwegs dem Verlust und

III. Gepäckreductionen — Joppe — Knöpfe — Reſerveſyſtem.

Da Unterkleider Umfang und Gewicht des Gepäcks weni-
ger als Oberkleider vermehren und mehr leiſten, ſo kann man
dieſen letzteren, wo es ſich um Reductionen handelt, leicht
viel abbrechen, wenn nur jenen ein Weniges zugelegt wird.

Die Joppe, bei längerem Aufenthalt in Gebirgsorten
und kleinen Ausflügen recht verwendbar, reicht als Haupt-
rock unterwegs nicht aus, weil das Lodenzeug zu locker iſt,
um gehörig Stand zu halten, wenn’s einmal hart hergeht,
und das Ding in ſeiner Knappheit und Kürze zu wenig Raum
für Taſchen bietet. Auf alle Fälle laſſe man deren zwei oder
drei übereinander mit Knöpfen verſehen äußerlich vorn an
der Bruſt und innerlich zwei größere Seitentaſchen an-
bringen.

Von den Knöpfen der Beinkleider, an denen der Hoſen-
träger befeſtigt wird, laſſe ich eine doppelte Garnitur an-
nähen, ſtatt ſechs alſo zwölf, ſo daß, wenn einer abreißt, ſein
Stellvertreter ſchon bereit iſt und in den Dienſt tritt. An
dieſe Knöpfe ſei gleich eine Bemerkung über das Reſerve-
ſyſtem
geknüpft, welches in der Touriſtenpraxis ſo gut ſeine
Rolle ſpielt, wie überall. So nimmt der Vorſichtige für län-
gere Reiſen (vergl. S. 19) von den ihm nöthigſten, nicht
umfänglichen und ſchwer wiegenden Dingen, namentlich ſol-
chen, die dem Verluſt, dem raſchen Verbrauch oder der Be-
ſchädigung ausgeſetzt und nicht allerwärts leicht zu kaufen
ſind, etwas über den nächſten Bedarf mit, denn Vieles kauft
ſich zu Hauſe beſſer, Anderes iſt nicht zu haben, wo man es
gerade braucht, endlich die Zeit an fremden Orten nützlicher
zu verwenden, als in Läden und Magazinen. Die vielwieder-
holte Reiſeregel: „Gepäck ſo wenig als möglich,“ erleidet
alſo hierdurch eine Einſchränkung.

Ueberhaupt gehört der Satz ſo allgemein gefaßt gar nicht
in den neueren Reiſecodex und ſcheint nur eingeſchwärzt aus
irgend einem alten Wanderbüchlein für Handwerksburſchen.
Soll durchaus ein Geſetz daraus werden, ſo könnte ich — in
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[34/0048] III. Gepäckreductionen — Joppe — Knöpfe — Reſerveſyſtem. Da Unterkleider Umfang und Gewicht des Gepäcks weni- ger als Oberkleider vermehren und mehr leiſten, ſo kann man dieſen letzteren, wo es ſich um Reductionen handelt, leicht viel abbrechen, wenn nur jenen ein Weniges zugelegt wird. Die Joppe, bei längerem Aufenthalt in Gebirgsorten und kleinen Ausflügen recht verwendbar, reicht als Haupt- rock unterwegs nicht aus, weil das Lodenzeug zu locker iſt, um gehörig Stand zu halten, wenn’s einmal hart hergeht, und das Ding in ſeiner Knappheit und Kürze zu wenig Raum für Taſchen bietet. Auf alle Fälle laſſe man deren zwei oder drei übereinander mit Knöpfen verſehen äußerlich vorn an der Bruſt und innerlich zwei größere Seitentaſchen an- bringen. Von den Knöpfen der Beinkleider, an denen der Hoſen- träger befeſtigt wird, laſſe ich eine doppelte Garnitur an- nähen, ſtatt ſechs alſo zwölf, ſo daß, wenn einer abreißt, ſein Stellvertreter ſchon bereit iſt und in den Dienſt tritt. An dieſe Knöpfe ſei gleich eine Bemerkung über das Reſerve- ſyſtem geknüpft, welches in der Touriſtenpraxis ſo gut ſeine Rolle ſpielt, wie überall. So nimmt der Vorſichtige für län- gere Reiſen (vergl. S. 19) von den ihm nöthigſten, nicht umfänglichen und ſchwer wiegenden Dingen, namentlich ſol- chen, die dem Verluſt, dem raſchen Verbrauch oder der Be- ſchädigung ausgeſetzt und nicht allerwärts leicht zu kaufen ſind, etwas über den nächſten Bedarf mit, denn Vieles kauft ſich zu Hauſe beſſer, Anderes iſt nicht zu haben, wo man es gerade braucht, endlich die Zeit an fremden Orten nützlicher zu verwenden, als in Läden und Magazinen. Die vielwieder- holte Reiſeregel: „Gepäck ſo wenig als möglich,“ erleidet alſo hierdurch eine Einſchränkung. Ueberhaupt gehört der Satz ſo allgemein gefaßt gar nicht in den neueren Reiſecodex und ſcheint nur eingeſchwärzt aus irgend einem alten Wanderbüchlein für Handwerksburſchen. Soll durchaus ein Geſetz daraus werden, ſo könnte ich — in Erwägung, daß alles Gepäck unterwegs dem Verluſt und

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Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/48>, abgerufen am 23.04.2024.