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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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sichtslose Eindringen in seinen Reiseplan die Röthe der
Entrüstung auf Stirn und Wangen trieb.

"Ein nichtswürdiger Bube!" grollte Herr Pompejus.

"Mit Gunst, das ist ab irato gesprochen, Herr.
Wohl mögt Ihr Euch mit Recht über meinen Schul¬
genossen zu beklagen haben. Ich verzichte darauf, ihn
Euch gegenüber und in dieser Stunde zu vertheidigen.
-- Erlaubt mir lieber, Euch um geneigten Aufschluß zu
bitten über jene merkwürdigen Säulen dort. Sind sie
römischen Ursprungs? Ihr müßt das wissen, ist doch
Euer hochberühmtes Geschlecht seit Kaiser Trajan in
diesen Bergen heimisch."

"Darüber," antwortete Planta, wird Euch Euer
gelehrter Freund, der Blutpfarrer, Auskunft geben. --
Du bist bereit, Lucretia?" rief er dem Fräulein zu,
das, als das Gespräch sich zu erhitzen begann, mit be¬
kümmerter Miene still nach dem Saumpfad hinauf sich
entfernt und bei den Säulen verweilt hatte, wo ihr
jetzt eben Lucas eines der wieder gezäumten Pferde vor¬
führte.

"Gehabt Euch wohl, Herr Waser!" grüßte Planta,
sich rasch in den Sattel des zweiten schwingend. "Ich
kann Euch nicht einladen, auf Euerm Heimwege bei
mir im Domleschg einzusprechen, wie ich es unter andern
Umständen gerne gethan hätte. Die schuftigen Hände,

ſichtsloſe Eindringen in ſeinen Reiſeplan die Röthe der
Entrüſtung auf Stirn und Wangen trieb.

„Ein nichtswürdiger Bube!“ grollte Herr Pompejus.

„Mit Gunſt, das iſt ab irato geſprochen, Herr.
Wohl mögt Ihr Euch mit Recht über meinen Schul¬
genoſſen zu beklagen haben. Ich verzichte darauf, ihn
Euch gegenüber und in dieſer Stunde zu vertheidigen.
— Erlaubt mir lieber, Euch um geneigten Aufſchluß zu
bitten über jene merkwürdigen Säulen dort. Sind ſie
römiſchen Urſprungs? Ihr müßt das wiſſen, iſt doch
Euer hochberühmtes Geſchlecht ſeit Kaiſer Trajan in
dieſen Bergen heimiſch.“

„Darüber,“ antwortete Planta, wird Euch Euer
gelehrter Freund, der Blutpfarrer, Auskunft geben. —
Du biſt bereit, Lucretia?“ rief er dem Fräulein zu,
das, als das Geſpräch ſich zu erhitzen begann, mit be¬
kümmerter Miene ſtill nach dem Saumpfad hinauf ſich
entfernt und bei den Säulen verweilt hatte, wo ihr
jetzt eben Lucas eines der wieder gezäumten Pferde vor¬
führte.

„Gehabt Euch wohl, Herr Waſer!“ grüßte Planta,
ſich raſch in den Sattel des zweiten ſchwingend. „Ich
kann Euch nicht einladen, auf Euerm Heimwege bei
mir im Domleſchg einzuſprechen, wie ich es unter andern
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[12/0022] ſichtsloſe Eindringen in ſeinen Reiſeplan die Röthe der Entrüſtung auf Stirn und Wangen trieb. „Ein nichtswürdiger Bube!“ grollte Herr Pompejus. „Mit Gunſt, das iſt ab irato geſprochen, Herr. Wohl mögt Ihr Euch mit Recht über meinen Schul¬ genoſſen zu beklagen haben. Ich verzichte darauf, ihn Euch gegenüber und in dieſer Stunde zu vertheidigen. — Erlaubt mir lieber, Euch um geneigten Aufſchluß zu bitten über jene merkwürdigen Säulen dort. Sind ſie römiſchen Urſprungs? Ihr müßt das wiſſen, iſt doch Euer hochberühmtes Geſchlecht ſeit Kaiſer Trajan in dieſen Bergen heimiſch.“ „Darüber,“ antwortete Planta, wird Euch Euer gelehrter Freund, der Blutpfarrer, Auskunft geben. — Du biſt bereit, Lucretia?“ rief er dem Fräulein zu, das, als das Geſpräch ſich zu erhitzen begann, mit be¬ kümmerter Miene ſtill nach dem Saumpfad hinauf ſich entfernt und bei den Säulen verweilt hatte, wo ihr jetzt eben Lucas eines der wieder gezäumten Pferde vor¬ führte. „Gehabt Euch wohl, Herr Waſer!“ grüßte Planta, ſich raſch in den Sattel des zweiten ſchwingend. „Ich kann Euch nicht einladen, auf Euerm Heimwege bei mir im Domleſchg einzuſprechen, wie ich es unter andern Umſtänden gerne gethan hätte. Die ſchuftigen Hände,

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/22>, abgerufen am 29.03.2024.