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Menzel, Carl August (Hrsg.): Der praktische Maurer. Halle, 1847.

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"Chor und Kirche sind massiv, und nur sechs Zoll dick
überwölbt, so wie mit Gräten (Gradbogen) verziert, die in den Kir-
chenschiffen mit einfachen Quer- und Diagonalrippen auf Tragsteinen
und den Säulen ruhen, im Chor aber in einer vielfach durchschlun-
genen Stütze die achteckige Lichtöffnung umgeben und tragen. Die
Ueberwölbung geschah nach der obengedachten Weise der Alten, ganz
aus freier Hand,
d. h. ohne Einschalung und mittelst ganz ein-
facher Unterstützung der Gräte (Gradgurten)."

"Die nur 3 Fuß dicken Mauern bestehen aus regelmäßigen
Schichten von einem sehr guten Thonschiefer. Die Gewölbe bestehen
aus einem Bimssteinconglomerate, welches bei Engers am Rhein als
ein vulkanisches Produkt gegraben wird, und nicht viel mehr Con-
sistenz besitzt wie ein Schwalbennest."

Betrachten wir nach diesem Vorausgeschickten die Zeichnung,
so ergiebt sich noch folgendes:

Fig. 170. stellt den einen Theil des Grundrisses, Fig. 171. den
Querdurchschnitt, Fig. 172. einen Theil des Längendurchschnitts und
Fig. 173. die Profile der Grad- und Gurtenendigung vor.

Die Gewölbe des Mittelschiffes sind doppelt so lang als breit.
Es ist bei Kirchen das gewöhnliche Verhältniß, welches jedoch nicht
leicht vergrößert werden darf, da die Kappen alsdann eine unbequeme
Gestalt erhalten. Die Räume der Gewölbe in den Seitenschiffen
verhalten sich wie 2:3, und sind die Umfassungsmauern mit einge-
rechnet, gerade halb so breit als die des Mittelschiffes. Die nur
schwachen Gewölbestützen, welche hier in runder Form auftreten, wür-
den unbedingt als Widerlager zu schwach sein, wenn die Gewölbegur-
ten den Seitenschub nicht gegenseitig aufhöben, und denselben zuletzt
auf die Strebepfeiler fortpflanzten.

Diese Strebepfeiler haben den vierten Theil der Breite der Mit-
telschiffgewölbe zur Stärke, sind also nach dem Seitenschube derselben
proportionirt, und deshalb stark genug dem gesammten Gewölbeschube
zu widerstehen. Die Schild- oder Stirnmauern erleiden keinen Sei-
tenschub und können deshalb entweder ganz fehlen (wie zwischen den
Säulen des Mittelschiffes) oder sie brauchen nur dünn zu sein (wie
in den Fronten zwischen den Strebepfeilern).

Was das Verfahren betrifft, um die Kappen ohne Holzverscha-
lung einwölben zu können, so geschieht dies in folgender Weise.

Gesetzt man wollte das Gewölbe abcd. in Fig. 170. einwöl-
ben, so werden zuvörderst die Lehrbogen der Gurten ab. ac. cd.
aufgestellt, die Mauer bd. mit ihrer gewölbten Chorniechenöffnung

„Chor und Kirche ſind maſſiv, und nur ſechs Zoll dick
überwölbt, ſo wie mit Gräten (Gradbogen) verziert, die in den Kir-
chenſchiffen mit einfachen Quer- und Diagonalrippen auf Tragſteinen
und den Säulen ruhen, im Chor aber in einer vielfach durchſchlun-
genen Stütze die achteckige Lichtöffnung umgeben und tragen. Die
Ueberwölbung geſchah nach der obengedachten Weiſe der Alten, ganz
aus freier Hand,
d. h. ohne Einſchalung und mittelſt ganz ein-
facher Unterſtützung der Gräte (Gradgurten).‟

„Die nur 3 Fuß dicken Mauern beſtehen aus regelmäßigen
Schichten von einem ſehr guten Thonſchiefer. Die Gewölbe beſtehen
aus einem Bimsſteinconglomerate, welches bei Engers am Rhein als
ein vulkaniſches Produkt gegraben wird, und nicht viel mehr Con-
ſiſtenz beſitzt wie ein Schwalbenneſt.‟

Betrachten wir nach dieſem Vorausgeſchickten die Zeichnung,
ſo ergiebt ſich noch folgendes:

Fig. 170. ſtellt den einen Theil des Grundriſſes, Fig. 171. den
Querdurchſchnitt, Fig. 172. einen Theil des Längendurchſchnitts und
Fig. 173. die Profile der Grad- und Gurtenendigung vor.

Die Gewölbe des Mittelſchiffes ſind doppelt ſo lang als breit.
Es iſt bei Kirchen das gewöhnliche Verhältniß, welches jedoch nicht
leicht vergrößert werden darf, da die Kappen alsdann eine unbequeme
Geſtalt erhalten. Die Räume der Gewölbe in den Seitenſchiffen
verhalten ſich wie 2:3, und ſind die Umfaſſungsmauern mit einge-
rechnet, gerade halb ſo breit als die des Mittelſchiffes. Die nur
ſchwachen Gewölbeſtützen, welche hier in runder Form auftreten, wür-
den unbedingt als Widerlager zu ſchwach ſein, wenn die Gewölbegur-
ten den Seitenſchub nicht gegenſeitig aufhöben, und denſelben zuletzt
auf die Strebepfeiler fortpflanzten.

Dieſe Strebepfeiler haben den vierten Theil der Breite der Mit-
telſchiffgewölbe zur Stärke, ſind alſo nach dem Seitenſchube derſelben
proportionirt, und deshalb ſtark genug dem geſammten Gewölbeſchube
zu widerſtehen. Die Schild- oder Stirnmauern erleiden keinen Sei-
tenſchub und können deshalb entweder ganz fehlen (wie zwiſchen den
Säulen des Mittelſchiffes) oder ſie brauchen nur dünn zu ſein (wie
in den Fronten zwiſchen den Strebepfeilern).

Was das Verfahren betrifft, um die Kappen ohne Holzverſcha-
lung einwölben zu können, ſo geſchieht dies in folgender Weiſe.

Geſetzt man wollte das Gewölbe abcd. in Fig. 170. einwöl-
ben, ſo werden zuvörderſt die Lehrbogen der Gurten ab. ac. cd.
aufgeſtellt, die Mauer bd. mit ihrer gewölbten Chorniechenöffnung

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[215/0225] „Chor und Kirche ſind maſſiv, und nur ſechs Zoll dick überwölbt, ſo wie mit Gräten (Gradbogen) verziert, die in den Kir- chenſchiffen mit einfachen Quer- und Diagonalrippen auf Tragſteinen und den Säulen ruhen, im Chor aber in einer vielfach durchſchlun- genen Stütze die achteckige Lichtöffnung umgeben und tragen. Die Ueberwölbung geſchah nach der obengedachten Weiſe der Alten, ganz aus freier Hand, d. h. ohne Einſchalung und mittelſt ganz ein- facher Unterſtützung der Gräte (Gradgurten).‟ „Die nur 3 Fuß dicken Mauern beſtehen aus regelmäßigen Schichten von einem ſehr guten Thonſchiefer. Die Gewölbe beſtehen aus einem Bimsſteinconglomerate, welches bei Engers am Rhein als ein vulkaniſches Produkt gegraben wird, und nicht viel mehr Con- ſiſtenz beſitzt wie ein Schwalbenneſt.‟ Betrachten wir nach dieſem Vorausgeſchickten die Zeichnung, ſo ergiebt ſich noch folgendes: Fig. 170. ſtellt den einen Theil des Grundriſſes, Fig. 171. den Querdurchſchnitt, Fig. 172. einen Theil des Längendurchſchnitts und Fig. 173. die Profile der Grad- und Gurtenendigung vor. Die Gewölbe des Mittelſchiffes ſind doppelt ſo lang als breit. Es iſt bei Kirchen das gewöhnliche Verhältniß, welches jedoch nicht leicht vergrößert werden darf, da die Kappen alsdann eine unbequeme Geſtalt erhalten. Die Räume der Gewölbe in den Seitenſchiffen verhalten ſich wie 2:3, und ſind die Umfaſſungsmauern mit einge- rechnet, gerade halb ſo breit als die des Mittelſchiffes. Die nur ſchwachen Gewölbeſtützen, welche hier in runder Form auftreten, wür- den unbedingt als Widerlager zu ſchwach ſein, wenn die Gewölbegur- ten den Seitenſchub nicht gegenſeitig aufhöben, und denſelben zuletzt auf die Strebepfeiler fortpflanzten. Dieſe Strebepfeiler haben den vierten Theil der Breite der Mit- telſchiffgewölbe zur Stärke, ſind alſo nach dem Seitenſchube derſelben proportionirt, und deshalb ſtark genug dem geſammten Gewölbeſchube zu widerſtehen. Die Schild- oder Stirnmauern erleiden keinen Sei- tenſchub und können deshalb entweder ganz fehlen (wie zwiſchen den Säulen des Mittelſchiffes) oder ſie brauchen nur dünn zu ſein (wie in den Fronten zwiſchen den Strebepfeilern). Was das Verfahren betrifft, um die Kappen ohne Holzverſcha- lung einwölben zu können, ſo geſchieht dies in folgender Weiſe. Geſetzt man wollte das Gewölbe abcd. in Fig. 170. einwöl- ben, ſo werden zuvörderſt die Lehrbogen der Gurten ab. ac. cd. aufgeſtellt, die Mauer bd. mit ihrer gewölbten Chorniechenöffnung

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Zitationshilfe: Menzel, Carl August (Hrsg.): Der praktische Maurer. Halle, 1847, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_maurer_1847/225>, abgerufen am 19.04.2024.