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Menzel, Carl August (Hrsg.): Der praktische Maurer. Halle, 1847.

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dünnen Fliesen auf der flachen Seite doppelt über einander gelegt,
und mit vorzüglich gutem Gypsmörtel aufgeführt. Vorzüglich sind
sie im südlichen Frankreich, wo sich Gyps von besonderer Güte findet,
im Gebrauch. Bei uns hat man nicht viel Anwendungen davon ge-
macht; einmal, weil der hiesige Gyps weniger gut, und dann aber
auch weil die Construktion nicht geeignet ist, viel Vertrauen auf ihre
Festigkeit einzuflößen. Nach der Meinung des Erfinders, eines Grafen
d' Espie, können die hölzernen Fußböden gänzlich wegfallen, und
statt deren soll ein Gypsestrich über dem Gewölbe angebracht werden.
Feuersicher sind diese sehr flachen Gewölbe nicht, weil sie leicht durch-
geschlagen werden.

Jn Bezug auf die Widerlager würde hierbei zu bemerken sein:
die beinahe scheitrechte Wölbung würde ein sehr starkes Widerlager
fordern, da aber das Gewölbe in augenblicklich bindenden Gyps ge-
legt wird, das Ganze also sowohl während der Arbeit, als auch nach
der Vollendung gleichsam nur einen einzigen Stein ausmacht; so fin-
det so gut wie gar kein Seitenschub statt.

Wie außerordentlich ein schnell bindender Mörtel zur Festigkeit
der Wölbungen beiträgt, möge man aus Folgendem sehen. Bei dem
Bau des neuen Berliner Museums wurde versuchsweise ein scheit-
rechter Bogen von 13 -- 14 Fuß Länge mit nur 1 -- 2 Zoll
Sprengung, einen Stein hoch und einen Stein breit, zwischen 2 star-
ken Mauern in Cement gewölbt, und unmittelbar nachdem der Schluß-
stein eingelegt und die Rüstung weggenommen war, ging ein starker
Mann über den ganz frei schwebenden scheitrechten Bogen. Bei einer
Einwölbung mit gewöhnlichem Kalk wäre dies unmöglich gewesen.

Wählt man Gyps als Mörtel, so ist nur darauf zu sehen, daß
es nach Beendigung des Gewölbes niemals durch Feuchtigkeit
leide, weil sonst der Gyps sich auflöset, ausdehnt und alles ein-
stürzen würde.

§. 47. Einige weniger übliche Gewölbearten.

1) (Tafel VIII. Fig. 185.) Das Muldengewölbe. Es ist
ein doppeltes Tonnengewölbe, wobei sowohl cd. und ab. als auch
ac. und bd. Widerlager werden.

Wenn dabei nach Fig. 186. die Wölbung vom Widerlager ab.
bis zum Widerlager cd. nicht überspannt, sondern in den Punkten
m. und n. anschließet, so daß im Scheitel die Linie mn. eine scharfe
Kante bildet, bei am. bm. cn. dn., so entsteht ein sogenanntes

2) Walmgewölbe.

dünnen Flieſen auf der flachen Seite doppelt über einander gelegt,
und mit vorzüglich gutem Gypsmörtel aufgeführt. Vorzüglich ſind
ſie im ſüdlichen Frankreich, wo ſich Gyps von beſonderer Güte findet,
im Gebrauch. Bei uns hat man nicht viel Anwendungen davon ge-
macht; einmal, weil der hieſige Gyps weniger gut, und dann aber
auch weil die Conſtruktion nicht geeignet iſt, viel Vertrauen auf ihre
Feſtigkeit einzuflößen. Nach der Meinung des Erfinders, eines Grafen
d’ Eſpié, können die hölzernen Fußböden gänzlich wegfallen, und
ſtatt deren ſoll ein Gypseſtrich über dem Gewölbe angebracht werden.
Feuerſicher ſind dieſe ſehr flachen Gewölbe nicht, weil ſie leicht durch-
geſchlagen werden.

Jn Bezug auf die Widerlager würde hierbei zu bemerken ſein:
die beinahe ſcheitrechte Wölbung würde ein ſehr ſtarkes Widerlager
fordern, da aber das Gewölbe in augenblicklich bindenden Gyps ge-
legt wird, das Ganze alſo ſowohl während der Arbeit, als auch nach
der Vollendung gleichſam nur einen einzigen Stein ausmacht; ſo fin-
det ſo gut wie gar kein Seitenſchub ſtatt.

Wie außerordentlich ein ſchnell bindender Mörtel zur Feſtigkeit
der Wölbungen beiträgt, möge man aus Folgendem ſehen. Bei dem
Bau des neuen Berliner Muſeums wurde verſuchsweiſe ein ſcheit-
rechter Bogen von 13 — 14 Fuß Länge mit nur 1 — 2 Zoll
Sprengung, einen Stein hoch und einen Stein breit, zwiſchen 2 ſtar-
ken Mauern in Cement gewölbt, und unmittelbar nachdem der Schluß-
ſtein eingelegt und die Rüſtung weggenommen war, ging ein ſtarker
Mann über den ganz frei ſchwebenden ſcheitrechten Bogen. Bei einer
Einwölbung mit gewöhnlichem Kalk wäre dies unmöglich geweſen.

Wählt man Gyps als Mörtel, ſo iſt nur darauf zu ſehen, daß
es nach Beendigung des Gewölbes niemals durch Feuchtigkeit
leide, weil ſonſt der Gyps ſich auflöſet, ausdehnt und alles ein-
ſtürzen würde.

§. 47. Einige weniger übliche Gewölbearten.

1) (Tafel VIII. Fig. 185.) Das Muldengewölbe. Es iſt
ein doppeltes Tonnengewölbe, wobei ſowohl cd. und ab. als auch
ac. und bd. Widerlager werden.

Wenn dabei nach Fig. 186. die Wölbung vom Widerlager ab.
bis zum Widerlager cd. nicht überſpannt, ſondern in den Punkten
m. und n. anſchließet, ſo daß im Scheitel die Linie mn. eine ſcharfe
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2) Walmgewölbe.

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[210/0220] dünnen Flieſen auf der flachen Seite doppelt über einander gelegt, und mit vorzüglich gutem Gypsmörtel aufgeführt. Vorzüglich ſind ſie im ſüdlichen Frankreich, wo ſich Gyps von beſonderer Güte findet, im Gebrauch. Bei uns hat man nicht viel Anwendungen davon ge- macht; einmal, weil der hieſige Gyps weniger gut, und dann aber auch weil die Conſtruktion nicht geeignet iſt, viel Vertrauen auf ihre Feſtigkeit einzuflößen. Nach der Meinung des Erfinders, eines Grafen d’ Eſpié, können die hölzernen Fußböden gänzlich wegfallen, und ſtatt deren ſoll ein Gypseſtrich über dem Gewölbe angebracht werden. Feuerſicher ſind dieſe ſehr flachen Gewölbe nicht, weil ſie leicht durch- geſchlagen werden. Jn Bezug auf die Widerlager würde hierbei zu bemerken ſein: die beinahe ſcheitrechte Wölbung würde ein ſehr ſtarkes Widerlager fordern, da aber das Gewölbe in augenblicklich bindenden Gyps ge- legt wird, das Ganze alſo ſowohl während der Arbeit, als auch nach der Vollendung gleichſam nur einen einzigen Stein ausmacht; ſo fin- det ſo gut wie gar kein Seitenſchub ſtatt. Wie außerordentlich ein ſchnell bindender Mörtel zur Feſtigkeit der Wölbungen beiträgt, möge man aus Folgendem ſehen. Bei dem Bau des neuen Berliner Muſeums wurde verſuchsweiſe ein ſcheit- rechter Bogen von 13 — 14 Fuß Länge mit nur 1 — 2 Zoll Sprengung, einen Stein hoch und einen Stein breit, zwiſchen 2 ſtar- ken Mauern in Cement gewölbt, und unmittelbar nachdem der Schluß- ſtein eingelegt und die Rüſtung weggenommen war, ging ein ſtarker Mann über den ganz frei ſchwebenden ſcheitrechten Bogen. Bei einer Einwölbung mit gewöhnlichem Kalk wäre dies unmöglich geweſen. Wählt man Gyps als Mörtel, ſo iſt nur darauf zu ſehen, daß es nach Beendigung des Gewölbes niemals durch Feuchtigkeit leide, weil ſonſt der Gyps ſich auflöſet, ausdehnt und alles ein- ſtürzen würde. §. 47. Einige weniger übliche Gewölbearten. 1) (Tafel VIII. Fig. 185.) Das Muldengewölbe. Es iſt ein doppeltes Tonnengewölbe, wobei ſowohl cd. und ab. als auch ac. und bd. Widerlager werden. Wenn dabei nach Fig. 186. die Wölbung vom Widerlager ab. bis zum Widerlager cd. nicht überſpannt, ſondern in den Punkten m. und n. anſchließet, ſo daß im Scheitel die Linie mn. eine ſcharfe Kante bildet, bei am. bm. cn. dn., ſo entſteht ein ſogenanntes 2) Walmgewölbe.

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Zitationshilfe: Menzel, Carl August (Hrsg.): Der praktische Maurer. Halle, 1847, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_maurer_1847/220>, abgerufen am 25.04.2024.