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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

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chen. Zugleich aber wurde durch das System der
Interessen den Verleihern im Gelde selbst ein neuer
sicherer Handelsartikel eröffnet, der ins Große getrie¬
ben, im System der Staatsanleihen wieder jeden an¬
dern Handel verdunkelt. Der Triumph des moder¬
nen Handels wurde darin erreicht, daß man mit ge¬
borgtem Vermögen wieder durch Ausleihen gewann,
und aus Nichts Etwas machte.

Der ursprüngliche und natürliche Produktenhan¬
del leidetn atürlich unter diesem Geldhandel ausneh¬
mend, indem der durch ihn redlich gewonnene Ge¬
winn sogleich wieder in jenem zweiten höhern Handel
zur Waare und einem neuen Risico ausgesetzt wird.
Hundertmal verrinnt im Geldhandel wieder, was durch
den Produktenhandel gewonnen war, und jener zehrt
beständig von diesem, wie alles künstliche Vermögen
vom natürlichen, aller Scheinwerth vom wahren
Werthe zehrt. So viel die Geldspeculanten aus dem
Nichts, womit sie anfangen, gewinnen, so viel wird
den ursprünglichen Besitzern von ihrem Etwas ent¬
zogen. Ein reicher Geldhändler macht zehn und
hundert arme Waarenhändler. Der Produktenhandel
leidet in Deutschland auch noch durch andre Beschrän¬
kungen. Wir Deutsche produciren theils selbst, theils
sind wir durch unsre Lage in der Mitte von Europa
zu einem sehr einträglichen Transitohandel berufen.
Aber gerade dieser verhältnißmäßig geringe Vortheil,
dessen wir uns im Vergleich mit den Seestaaten zu
erfreuen haben, wird uns verkümmert durch die Han¬

chen. Zugleich aber wurde durch das Syſtem der
Intereſſen den Verleihern im Gelde ſelbſt ein neuer
ſicherer Handelsartikel eroͤffnet, der ins Große getrie¬
ben, im Syſtem der Staatsanleihen wieder jeden an¬
dern Handel verdunkelt. Der Triumph des moder¬
nen Handels wurde darin erreicht, daß man mit ge¬
borgtem Vermoͤgen wieder durch Ausleihen gewann,
und aus Nichts Etwas machte.

Der urſpruͤngliche und natuͤrliche Produktenhan¬
del leidetn atuͤrlich unter dieſem Geldhandel ausneh¬
mend, indem der durch ihn redlich gewonnene Ge¬
winn ſogleich wieder in jenem zweiten hoͤhern Handel
zur Waare und einem neuen Riſico ausgeſetzt wird.
Hundertmal verrinnt im Geldhandel wieder, was durch
den Produktenhandel gewonnen war, und jener zehrt
beſtaͤndig von dieſem, wie alles kuͤnſtliche Vermoͤgen
vom natuͤrlichen, aller Scheinwerth vom wahren
Werthe zehrt. So viel die Geldſpeculanten aus dem
Nichts, womit ſie anfangen, gewinnen, ſo viel wird
den urſpruͤnglichen Beſitzern von ihrem Etwas ent¬
zogen. Ein reicher Geldhaͤndler macht zehn und
hundert arme Waarenhaͤndler. Der Produktenhandel
leidet in Deutſchland auch noch durch andre Beſchraͤn¬
kungen. Wir Deutſche produciren theils ſelbſt, theils
ſind wir durch unſre Lage in der Mitte von Europa
zu einem ſehr eintraͤglichen Tranſitohandel berufen.
Aber gerade dieſer verhaͤltnißmaͤßig geringe Vortheil,
deſſen wir uns im Vergleich mit den Seeſtaaten zu
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[40/0050] chen. Zugleich aber wurde durch das Syſtem der Intereſſen den Verleihern im Gelde ſelbſt ein neuer ſicherer Handelsartikel eroͤffnet, der ins Große getrie¬ ben, im Syſtem der Staatsanleihen wieder jeden an¬ dern Handel verdunkelt. Der Triumph des moder¬ nen Handels wurde darin erreicht, daß man mit ge¬ borgtem Vermoͤgen wieder durch Ausleihen gewann, und aus Nichts Etwas machte. Der urſpruͤngliche und natuͤrliche Produktenhan¬ del leidetn atuͤrlich unter dieſem Geldhandel ausneh¬ mend, indem der durch ihn redlich gewonnene Ge¬ winn ſogleich wieder in jenem zweiten hoͤhern Handel zur Waare und einem neuen Riſico ausgeſetzt wird. Hundertmal verrinnt im Geldhandel wieder, was durch den Produktenhandel gewonnen war, und jener zehrt beſtaͤndig von dieſem, wie alles kuͤnſtliche Vermoͤgen vom natuͤrlichen, aller Scheinwerth vom wahren Werthe zehrt. So viel die Geldſpeculanten aus dem Nichts, womit ſie anfangen, gewinnen, ſo viel wird den urſpruͤnglichen Beſitzern von ihrem Etwas ent¬ zogen. Ein reicher Geldhaͤndler macht zehn und hundert arme Waarenhaͤndler. Der Produktenhandel leidet in Deutſchland auch noch durch andre Beſchraͤn¬ kungen. Wir Deutſche produciren theils ſelbſt, theils ſind wir durch unſre Lage in der Mitte von Europa zu einem ſehr eintraͤglichen Tranſitohandel berufen. Aber gerade dieſer verhaͤltnißmaͤßig geringe Vortheil, deſſen wir uns im Vergleich mit den Seeſtaaten zu erfreuen haben, wird uns verkuͤmmert durch die Han¬

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/50>, abgerufen am 28.03.2024.