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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Ueber das Wesen und den Ursprung des Güterwerthes.
standes bewusst, erkennen sie nämlich, dass von der Verfügung
über jede Theilquantität der in Rede stehenden Güter, bezie-
hungsweise von jedem concreten, in dem obigen Quantitäten-
Verhältnisse stehenden Gute, die Befriedigung eines ihrer Be-
dürfnisse, oder doch die grössere oder geringere Vollständigkeit
derselben abhängig ist, so gewinnen diese Güter für sie jene
Bedeutung, die wir den Werth nennen, und es ist somit der
Werth die Bedeutung, welche concrete Güter oder Güterquanti-
täten für uns dadurch erlangen, dass wir in der Befriedigung
unserer Bedürfnisse von der Verfügung über dieselben abhängig
zu sein uns bewusst sind *).


*) Das Bestreben, die allen Erscheinungsformen des Güterwerthes
gemeinsamen Elemente festzustellen, d. i. den allgemeinen Begriff des
"Werthes" zu gewinnen, findet sich bei allen neuern Deutschen, welche die
Lehre vom Werthe in selbstständiger Weise bearbeitet haben. Ebenso
das Bestreben, den Gebrauchswerth der Güter von der blossen Nützlich-
keit zu unterscheiden. Friedländer (Theorie d. Werthes, Dorpater Univ.
Progr. 1852, S. 48) definirt den Werth als "das im menschlichen Urtheil
erkannte Verhältniss, wornach ein Ding Mittel für die Erfüllung eines erstrebens-
werthen Zweckes sein kann" (vergl. auch Storch, Cours d'econom. polit.
T. I., S. 36). Da nun das obige Verhältniss, (wofern der erstrebenswerthe
Zweck die Befriedigung eines menschlichen Bedürfnisses ist, oder doch mit
einer solchen im Zusammenhang steht,) eben die Nützlichkeit eines Dinges
begründet, so ist die obige Definition gleichbedeutend mit jener, wornach
der Güterwerth als die anerkannte Zweck-Tauglichkeit, beziehungsweise
als die anerkannte Nützlichkeit eines Dinges aufgefasst wird. Es ist diese
letztere aber eine allgemeine Voraussetzung der Güterqualität und demnach die
Definition Friedländer's, abgesehen davon, dass sie das Wesen des Werthes
nicht berührt, auch zu weit. In der That kommt derselbe (S. 50) zum
Schlusse, dass die nicht ökonomischen Güter eben so wohl Objecte der Werth-
schätzung der Menschen sind, als die ökonomischen. Knies (Lehre vom Werth,
Tübing. Zeitschr. 1855, S. 423) erkennt in dem Werthe, gleich wie viele
seiner Vorgänger, den Grad der Brauchbarkeit eines Gutes für menschliche
Zwecke, (vgl. noch die ältern Auflagen von Roscher's System I., §. 4,)
eine Ansicht, welcher ich jedoch um dessentwillen nicht folgen kann,
weil der Werth wohl eine Grösse ist, welche gemessen werden kann, das
Mass desselben aber eben so wenig zu seinem Wesen gehört, als zu jenem
des Raumes, oder der Zeit. In der That fühlt Knies auch die Schwierigkeiten,
zu welchen diese Auffassung vom Werthe in ihren weitern Consequenzen
führt, denn er erkennt auch die Begriffsbestimmung des Werthes als Brauch-
barkeit, Nützlichkeit Güterqualität selbst an und bemerkt "die Werththeorie sei

Ueber das Wesen und den Ursprung des Güterwerthes.
standes bewusst, erkennen sie nämlich, dass von der Verfügung
über jede Theilquantität der in Rede stehenden Güter, bezie-
hungsweise von jedem concreten, in dem obigen Quantitäten-
Verhältnisse stehenden Gute, die Befriedigung eines ihrer Be-
dürfnisse, oder doch die grössere oder geringere Vollständigkeit
derselben abhängig ist, so gewinnen diese Güter für sie jene
Bedeutung, die wir den Werth nennen, und es ist somit der
Werth die Bedeutung, welche concrete Güter oder Güterquanti-
täten für uns dadurch erlangen, dass wir in der Befriedigung
unserer Bedürfnisse von der Verfügung über dieselben abhängig
zu sein uns bewusst sind *).


*) Das Bestreben, die allen Erscheinungsformen des Güterwerthes
gemeinsamen Elemente festzustellen, d. i. den allgemeinen Begriff des
„Werthes“ zu gewinnen, findet sich bei allen neuern Deutschen, welche die
Lehre vom Werthe in selbstständiger Weise bearbeitet haben. Ebenso
das Bestreben, den Gebrauchswerth der Güter von der blossen Nützlich-
keit zu unterscheiden. Friedländer (Theorie d. Werthes, Dorpater Univ.
Progr. 1852, S. 48) definirt den Werth als „das im menschlichen Urtheil
erkannte Verhältniss, wornach ein Ding Mittel für die Erfüllung eines erstrebens-
werthen Zweckes sein kann“ (vergl. auch Storch, Cours d’économ. polit.
T. I., S. 36). Da nun das obige Verhältniss, (wofern der erstrebenswerthe
Zweck die Befriedigung eines menschlichen Bedürfnisses ist, oder doch mit
einer solchen im Zusammenhang steht,) eben die Nützlichkeit eines Dinges
begründet, so ist die obige Definition gleichbedeutend mit jener, wornach
der Güterwerth als die anerkannte Zweck-Tauglichkeit, beziehungsweise
als die anerkannte Nützlichkeit eines Dinges aufgefasst wird. Es ist diese
letztere aber eine allgemeine Voraussetzung der Güterqualität und demnach die
Definition Friedländer’s, abgesehen davon, dass sie das Wesen des Werthes
nicht berührt, auch zu weit. In der That kommt derselbe (S. 50) zum
Schlusse, dass die nicht ökonomischen Güter eben so wohl Objecte der Werth-
schätzung der Menschen sind, als die ökonomischen. Knies (Lehre vom Werth,
Tübing. Zeitschr. 1855, S. 423) erkennt in dem Werthe, gleich wie viele
seiner Vorgänger, den Grad der Brauchbarkeit eines Gutes für menschliche
Zwecke, (vgl. noch die ältern Auflagen von Roscher’s System I., §. 4,)
eine Ansicht, welcher ich jedoch um dessentwillen nicht folgen kann,
weil der Werth wohl eine Grösse ist, welche gemessen werden kann, das
Mass desselben aber eben so wenig zu seinem Wesen gehört, als zu jenem
des Raumes, oder der Zeit. In der That fühlt Knies auch die Schwierigkeiten,
zu welchen diese Auffassung vom Werthe in ihren weitern Consequenzen
führt, denn er erkennt auch die Begriffsbestimmung des Werthes als Brauch-
barkeit, Nützlichkeit Güterqualität selbst an und bemerkt „die Werththeorie sei
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[78/0096] Ueber das Wesen und den Ursprung des Güterwerthes. standes bewusst, erkennen sie nämlich, dass von der Verfügung über jede Theilquantität der in Rede stehenden Güter, bezie- hungsweise von jedem concreten, in dem obigen Quantitäten- Verhältnisse stehenden Gute, die Befriedigung eines ihrer Be- dürfnisse, oder doch die grössere oder geringere Vollständigkeit derselben abhängig ist, so gewinnen diese Güter für sie jene Bedeutung, die wir den Werth nennen, und es ist somit der Werth die Bedeutung, welche concrete Güter oder Güterquanti- täten für uns dadurch erlangen, dass wir in der Befriedigung unserer Bedürfnisse von der Verfügung über dieselben abhängig zu sein uns bewusst sind *). *) Das Bestreben, die allen Erscheinungsformen des Güterwerthes gemeinsamen Elemente festzustellen, d. i. den allgemeinen Begriff des „Werthes“ zu gewinnen, findet sich bei allen neuern Deutschen, welche die Lehre vom Werthe in selbstständiger Weise bearbeitet haben. Ebenso das Bestreben, den Gebrauchswerth der Güter von der blossen Nützlich- keit zu unterscheiden. Friedländer (Theorie d. Werthes, Dorpater Univ. Progr. 1852, S. 48) definirt den Werth als „das im menschlichen Urtheil erkannte Verhältniss, wornach ein Ding Mittel für die Erfüllung eines erstrebens- werthen Zweckes sein kann“ (vergl. auch Storch, Cours d’économ. polit. T. I., S. 36). Da nun das obige Verhältniss, (wofern der erstrebenswerthe Zweck die Befriedigung eines menschlichen Bedürfnisses ist, oder doch mit einer solchen im Zusammenhang steht,) eben die Nützlichkeit eines Dinges begründet, so ist die obige Definition gleichbedeutend mit jener, wornach der Güterwerth als die anerkannte Zweck-Tauglichkeit, beziehungsweise als die anerkannte Nützlichkeit eines Dinges aufgefasst wird. Es ist diese letztere aber eine allgemeine Voraussetzung der Güterqualität und demnach die Definition Friedländer’s, abgesehen davon, dass sie das Wesen des Werthes nicht berührt, auch zu weit. In der That kommt derselbe (S. 50) zum Schlusse, dass die nicht ökonomischen Güter eben so wohl Objecte der Werth- schätzung der Menschen sind, als die ökonomischen. Knies (Lehre vom Werth, Tübing. Zeitschr. 1855, S. 423) erkennt in dem Werthe, gleich wie viele seiner Vorgänger, den Grad der Brauchbarkeit eines Gutes für menschliche Zwecke, (vgl. noch die ältern Auflagen von Roscher’s System I., §. 4,) eine Ansicht, welcher ich jedoch um dessentwillen nicht folgen kann, weil der Werth wohl eine Grösse ist, welche gemessen werden kann, das Mass desselben aber eben so wenig zu seinem Wesen gehört, als zu jenem des Raumes, oder der Zeit. In der That fühlt Knies auch die Schwierigkeiten, zu welchen diese Auffassung vom Werthe in ihren weitern Consequenzen führt, denn er erkennt auch die Begriffsbestimmung des Werthes als Brauch- barkeit, Nützlichkeit Güterqualität selbst an und bemerkt „die Werththeorie sei

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/96>, abgerufen am 29.03.2024.