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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Das Vermögen.
minderung der im Ueberflusse vorhandenen (der nicht öko-
nomischen Güter) schliesslich bewirken muss, dass dieselben zu
solchen werden, an welchen theilweiser Mangel besteht, das ist
zu Vermögensbestandtheilen und der Kreis dieser letzteren daher
eine Erweiterung erfährt.

Das obige Parodoxon, das übrigens nicht nur hier, wo es
sich lediglich um den Umfang der Vermögensobjecte handelt,
sondern in analoger Weise auch rücksichtlich des Werthes und
Preises der ökonomischen Güter aufgestellt wurde *), ist demnach
nur ein scheinbares und beruht auf der Verkennung des Wesens
des Vermögens und seiner Bestandtheile.

Wir haben das Vermögen als die Gesammtheit der einem
wirthschaftenden Subjecte verfügbaren ökonomischen Güter be-
zeichnet. Ein jedes Vermögen setzt demnach ein wirthschaftendes
Subject, oder doch ein solches voraus, für welches gewirthschaftet
wird. Die einem bestimmten Zweck gewidmeten Quantitäten
ökonomischer Güter sind demnach kein Vermögen im öko-
nomischen Sinne des Wortes, da die Fiction einer juristischen
Person wohl für die Zwecke der practischen Rechtspflege, oder
aber selbst zum Zweck juristischer Constructionen gelten mag,
für unsere Wissenschaft aber, die jede Fiction zurückweist, ent-
schieden nicht vorhanden ist. Die sogenannten "Zweckvermögen"
sind demnach Quantitäten ökonomischer Güter, welche bestimmten
Zwecken gewidmet sind, aber nicht Vermögen im ökonomischen
Sinne des Wortes.

Die obige Frage führt uns zu jener über das Wesen des
Volksvermögens. Staaten, einzelne Landestheile, Gemeinden
und Gesellschaften verfügen der Regel nach über Quantitäten
ökonomischer Güter, um ihre Bedürfnisse befriedigen, um ihre
Zwecke verwirklichen zu können. Hier ist die Fiction einer
juristischen Person für den Nationalökonomen nicht erforderlich.
Für den existirt ohne jede Fiction ein wirthschaftendes Subject,
eine Gesellschaft, welche gewisse, ihr für den Zweck der
Befriedigung ihrer Bedürfnisse verfügbare ökonomische Güter
durch ihre Organe verwaltet und dieser Bestimmung zuführt.
Niemand wird demnach auch Anstand nehmen, die Existenz von

*) Proudhon, Contradictions, Chap. II. §. 1.

Das Vermögen.
minderung der im Ueberflusse vorhandenen (der nicht öko-
nomischen Güter) schliesslich bewirken muss, dass dieselben zu
solchen werden, an welchen theilweiser Mangel besteht, das ist
zu Vermögensbestandtheilen und der Kreis dieser letzteren daher
eine Erweiterung erfährt.

Das obige Parodoxon, das übrigens nicht nur hier, wo es
sich lediglich um den Umfang der Vermögensobjecte handelt,
sondern in analoger Weise auch rücksichtlich des Werthes und
Preises der ökonomischen Güter aufgestellt wurde *), ist demnach
nur ein scheinbares und beruht auf der Verkennung des Wesens
des Vermögens und seiner Bestandtheile.

Wir haben das Vermögen als die Gesammtheit der einem
wirthschaftenden Subjecte verfügbaren ökonomischen Güter be-
zeichnet. Ein jedes Vermögen setzt demnach ein wirthschaftendes
Subject, oder doch ein solches voraus, für welches gewirthschaftet
wird. Die einem bestimmten Zweck gewidmeten Quantitäten
ökonomischer Güter sind demnach kein Vermögen im öko-
nomischen Sinne des Wortes, da die Fiction einer juristischen
Person wohl für die Zwecke der practischen Rechtspflege, oder
aber selbst zum Zweck juristischer Constructionen gelten mag,
für unsere Wissenschaft aber, die jede Fiction zurückweist, ent-
schieden nicht vorhanden ist. Die sogenannten „Zweckvermögen“
sind demnach Quantitäten ökonomischer Güter, welche bestimmten
Zwecken gewidmet sind, aber nicht Vermögen im ökonomischen
Sinne des Wortes.

Die obige Frage führt uns zu jener über das Wesen des
Volksvermögens. Staaten, einzelne Landestheile, Gemeinden
und Gesellschaften verfügen der Regel nach über Quantitäten
ökonomischer Güter, um ihre Bedürfnisse befriedigen, um ihre
Zwecke verwirklichen zu können. Hier ist die Fiction einer
juristischen Person für den Nationalökonomen nicht erforderlich.
Für den existirt ohne jede Fiction ein wirthschaftendes Subject,
eine Gesellschaft, welche gewisse, ihr für den Zweck der
Befriedigung ihrer Bedürfnisse verfügbare ökonomische Güter
durch ihre Organe verwaltet und dieser Bestimmung zuführt.
Niemand wird demnach auch Anstand nehmen, die Existenz von

*) Proudhon, Contradictions, Chap. II. §. 1.
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[74/0092] Das Vermögen. minderung der im Ueberflusse vorhandenen (der nicht öko- nomischen Güter) schliesslich bewirken muss, dass dieselben zu solchen werden, an welchen theilweiser Mangel besteht, das ist zu Vermögensbestandtheilen und der Kreis dieser letzteren daher eine Erweiterung erfährt. Das obige Parodoxon, das übrigens nicht nur hier, wo es sich lediglich um den Umfang der Vermögensobjecte handelt, sondern in analoger Weise auch rücksichtlich des Werthes und Preises der ökonomischen Güter aufgestellt wurde *), ist demnach nur ein scheinbares und beruht auf der Verkennung des Wesens des Vermögens und seiner Bestandtheile. Wir haben das Vermögen als die Gesammtheit der einem wirthschaftenden Subjecte verfügbaren ökonomischen Güter be- zeichnet. Ein jedes Vermögen setzt demnach ein wirthschaftendes Subject, oder doch ein solches voraus, für welches gewirthschaftet wird. Die einem bestimmten Zweck gewidmeten Quantitäten ökonomischer Güter sind demnach kein Vermögen im öko- nomischen Sinne des Wortes, da die Fiction einer juristischen Person wohl für die Zwecke der practischen Rechtspflege, oder aber selbst zum Zweck juristischer Constructionen gelten mag, für unsere Wissenschaft aber, die jede Fiction zurückweist, ent- schieden nicht vorhanden ist. Die sogenannten „Zweckvermögen“ sind demnach Quantitäten ökonomischer Güter, welche bestimmten Zwecken gewidmet sind, aber nicht Vermögen im ökonomischen Sinne des Wortes. Die obige Frage führt uns zu jener über das Wesen des Volksvermögens. Staaten, einzelne Landestheile, Gemeinden und Gesellschaften verfügen der Regel nach über Quantitäten ökonomischer Güter, um ihre Bedürfnisse befriedigen, um ihre Zwecke verwirklichen zu können. Hier ist die Fiction einer juristischen Person für den Nationalökonomen nicht erforderlich. Für den existirt ohne jede Fiction ein wirthschaftendes Subject, eine Gesellschaft, welche gewisse, ihr für den Zweck der Befriedigung ihrer Bedürfnisse verfügbare ökonomische Güter durch ihre Organe verwaltet und dieser Bestimmung zuführt. Niemand wird demnach auch Anstand nehmen, die Existenz von *) Proudhon, Contradictions, Chap. II. §. 1.

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/92>, abgerufen am 25.04.2024.