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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Das Vermögen.

Die verfügbare Quantität irgend eines Mineralwassers sei
beispielsweise bei einem Volke geringer, als der Bedarf. Die in
der Verfügung der einzelnen wirthschaftenden Personen befind-
lichen Theilquantitäten dieses Gutes, sowie die einzelnen Quellen,
sind demnach ökonomische Güter, Vermögensbestandtheile. Setzen
wir nun den Fall, dass plötzlich einige Bäche dies Heilwasser
zu führen begännen, und zwar in so reichlichem Masse, dass
dasselbe dadurch seinen bisherigen ökonomischen Charakter ein-
büssen würde. In diesem Falle ist nichts sicherer, als dass die
oben erwähnten, bis zum Eintritte des eben gedachten Ereignisses
den wirthschaftenden Individuen verfügbaren Quantitäten von
Mineralwasser, so wie die Mineralquellen selbst, aufhören würden
Vermögens-Bestandtheile zu sein, und es würde demnach aller-
dings der Fall eintreten, dass die fortgesetzte Vermehrung von
Vermögensbestandtheilen schliesslich und endlich eine Ver-
minderung derselben zur Folge haben würde.

Dieses Paradoxon ist auf den ersten Blick höchst auffällig,
erweist sich indess bei genauerer Betrachtung nur als ein schein-
bares. Die ökonomischen Güter sind, wie wir oben sahen, solche,
deren verfügbare Quantität geringer ist, als der Bedarf an den-
selben, also jene Güter, an welchen ein partieller Mangel besteht,
und das Vermögen der wirthschaftenden Individuen ist nichts
Anderes, als die Gesammtheit dieser Güter. Wird nun die ver-
fügbare Quantität derselben fortschreitend vermehrt, bis diese
Güter ihren ökonomischen Charakter endlich einbüssen, so existirt
dann eben nicht weiter Mangel an denselben und sie treten aus
dem Kreise jener Güter, welche Theile des Vermögens der
wirthschaftenden Menschen bilden, das ist aus dem Kreise jener
Güter, an welchen partieller Mangel besteht. In dem Umstande,
dass die fortgesetzte Vermehrung eines Gutes, an welchem Man-
gel besteht, schliesslich und endlich bewirkt, dass dasselbe auf-
hört, ein solches zu sein, darin liegt nun aber doch sicherlich
kein Widerspruch.

Dass die fortgesetzte Vermehrung der ökonomischen Güter
schliesslich eine Verminderung jener Güter zur Folge haben
muss, an welchen bis dahin Mangel bestand, ist vielmehr ein
Satz, der Jedermann ebenso unmittelbar einleuchtet, als der ent-
gegengesetzte, dass eine durch längere Zeit fortgesetzte Ver-

Das Vermögen.

Die verfügbare Quantität irgend eines Mineralwassers sei
beispielsweise bei einem Volke geringer, als der Bedarf. Die in
der Verfügung der einzelnen wirthschaftenden Personen befind-
lichen Theilquantitäten dieses Gutes, sowie die einzelnen Quellen,
sind demnach ökonomische Güter, Vermögensbestandtheile. Setzen
wir nun den Fall, dass plötzlich einige Bäche dies Heilwasser
zu führen begännen, und zwar in so reichlichem Masse, dass
dasselbe dadurch seinen bisherigen ökonomischen Charakter ein-
büssen würde. In diesem Falle ist nichts sicherer, als dass die
oben erwähnten, bis zum Eintritte des eben gedachten Ereignisses
den wirthschaftenden Individuen verfügbaren Quantitäten von
Mineralwasser, so wie die Mineralquellen selbst, aufhören würden
Vermögens-Bestandtheile zu sein, und es würde demnach aller-
dings der Fall eintreten, dass die fortgesetzte Vermehrung von
Vermögensbestandtheilen schliesslich und endlich eine Ver-
minderung derselben zur Folge haben würde.

Dieses Paradoxon ist auf den ersten Blick höchst auffällig,
erweist sich indess bei genauerer Betrachtung nur als ein schein-
bares. Die ökonomischen Güter sind, wie wir oben sahen, solche,
deren verfügbare Quantität geringer ist, als der Bedarf an den-
selben, also jene Güter, an welchen ein partieller Mangel besteht,
und das Vermögen der wirthschaftenden Individuen ist nichts
Anderes, als die Gesammtheit dieser Güter. Wird nun die ver-
fügbare Quantität derselben fortschreitend vermehrt, bis diese
Güter ihren ökonomischen Charakter endlich einbüssen, so existirt
dann eben nicht weiter Mangel an denselben und sie treten aus
dem Kreise jener Güter, welche Theile des Vermögens der
wirthschaftenden Menschen bilden, das ist aus dem Kreise jener
Güter, an welchen partieller Mangel besteht. In dem Umstande,
dass die fortgesetzte Vermehrung eines Gutes, an welchem Man-
gel besteht, schliesslich und endlich bewirkt, dass dasselbe auf-
hört, ein solches zu sein, darin liegt nun aber doch sicherlich
kein Widerspruch.

Dass die fortgesetzte Vermehrung der ökonomischen Güter
schliesslich eine Verminderung jener Güter zur Folge haben
muss, an welchen bis dahin Mangel bestand, ist vielmehr ein
Satz, der Jedermann ebenso unmittelbar einleuchtet, als der ent-
gegengesetzte, dass eine durch längere Zeit fortgesetzte Ver-

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[73/0091] Das Vermögen. Die verfügbare Quantität irgend eines Mineralwassers sei beispielsweise bei einem Volke geringer, als der Bedarf. Die in der Verfügung der einzelnen wirthschaftenden Personen befind- lichen Theilquantitäten dieses Gutes, sowie die einzelnen Quellen, sind demnach ökonomische Güter, Vermögensbestandtheile. Setzen wir nun den Fall, dass plötzlich einige Bäche dies Heilwasser zu führen begännen, und zwar in so reichlichem Masse, dass dasselbe dadurch seinen bisherigen ökonomischen Charakter ein- büssen würde. In diesem Falle ist nichts sicherer, als dass die oben erwähnten, bis zum Eintritte des eben gedachten Ereignisses den wirthschaftenden Individuen verfügbaren Quantitäten von Mineralwasser, so wie die Mineralquellen selbst, aufhören würden Vermögens-Bestandtheile zu sein, und es würde demnach aller- dings der Fall eintreten, dass die fortgesetzte Vermehrung von Vermögensbestandtheilen schliesslich und endlich eine Ver- minderung derselben zur Folge haben würde. Dieses Paradoxon ist auf den ersten Blick höchst auffällig, erweist sich indess bei genauerer Betrachtung nur als ein schein- bares. Die ökonomischen Güter sind, wie wir oben sahen, solche, deren verfügbare Quantität geringer ist, als der Bedarf an den- selben, also jene Güter, an welchen ein partieller Mangel besteht, und das Vermögen der wirthschaftenden Individuen ist nichts Anderes, als die Gesammtheit dieser Güter. Wird nun die ver- fügbare Quantität derselben fortschreitend vermehrt, bis diese Güter ihren ökonomischen Charakter endlich einbüssen, so existirt dann eben nicht weiter Mangel an denselben und sie treten aus dem Kreise jener Güter, welche Theile des Vermögens der wirthschaftenden Menschen bilden, das ist aus dem Kreise jener Güter, an welchen partieller Mangel besteht. In dem Umstande, dass die fortgesetzte Vermehrung eines Gutes, an welchem Man- gel besteht, schliesslich und endlich bewirkt, dass dasselbe auf- hört, ein solches zu sein, darin liegt nun aber doch sicherlich kein Widerspruch. Dass die fortgesetzte Vermehrung der ökonomischen Güter schliesslich eine Verminderung jener Güter zur Folge haben muss, an welchen bis dahin Mangel bestand, ist vielmehr ein Satz, der Jedermann ebenso unmittelbar einleuchtet, als der ent- gegengesetzte, dass eine durch längere Zeit fortgesetzte Ver-

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/91>, abgerufen am 23.04.2024.