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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft.

Solch ein Gut pflegt bei hoher Cultur z. B. der Volks-
schulunterricht zu sein. Auch gutes gesundes Trinkwasser gilt
den Bewohnern vieler Städte für ein so wichtiges Gut, dass sie
dasselbe, wo es nicht in natürlicher Fülle vorhanden ist, mittelst
Wasserleitungen in die öffentlichen Brunnen führen und zwar in
so grossen Quantitäten, dass der Bedarf der Bewohner an
Trinkwasser nicht nur vollständig gedeckt ist, sondern der Regel
nach noch bedeutende Quantitäten über diesen Bedarf hinaus
verfügbar sind. Während auf niederen Culturstufen die Unter-
weisung eines Lehrers für den dieser Unterweisung Bedürftigen
ein ökonomisches Gut ist, wird dies Gut bei hoch entwickelter
Cultur, Dank der Vorsorge der Gesellschaft, für jeden einzelnen
Bewohner des Landes zu einem nicht ökonomischen und nicht
minder in vielen grossen Städten gutes und gesundes Trink-
wasser, wo es bisher für die Consumenten einen ökonomischen
Charakter hatte, zu einem nicht ökonomischen Gute.

Umgekehrt können Güter, welche den Menschen von Na-
tur aus in einer ihren Bedarf übersteigenden Quantität verfüg-
bar sind, doch für die Consumenten derselben den ökonomischen
Charakter erlangen, wenn ein Gewalthaber die übrigen wirth-
schaften Subjecte von der freien Verfügung über diese Güter
ausschliesst. In waldreichen Ländern sind die Ortschaften sehr
zahlreich, die von Natur aus von holzreichen Wäldern umgeben
sind, so zwar, dass die verfügbare Holzquantität den Bedarf
der Bewohner weitaus übersteigt und demnach das Holz in rohen
Baumstämmen dem natürlichen Laufe der Dinge nach keinen
ökonomischen Charakter haben würde. Dadurch aber, dass ein
Gewalthaber sich des ganzen Waldes, oder doch des weitaus
grösseren Theiles desselben bemächtigt, kann er die Holzquan-
titäten, die den Bewohnern der betreffenden Ortschaft thatsäch-
lich verfügbar sind, derart reguliren, dass das Holz für dieselben
nichtsdestoweniger einen ökonomischen Charakter gewinnt. In
den waldreichen Karpathen gibt es z. B. zahlreiche Ortschaften,
in welchen die Kleingrundbesitzer, die ehemaligen Grundholden,
von den Grossgrundbesitzern das ihnen nöthige Holz kaufen
müssen, während diese Letzteren selbst jährlich viele tausende
Baumstämme im Walde vermodern lassen, da die ihnen verfüg-
baren Quantitäten weitaus grösser sind als der vorhandene

Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft.

Solch ein Gut pflegt bei hoher Cultur z. B. der Volks-
schulunterricht zu sein. Auch gutes gesundes Trinkwasser gilt
den Bewohnern vieler Städte für ein so wichtiges Gut, dass sie
dasselbe, wo es nicht in natürlicher Fülle vorhanden ist, mittelst
Wasserleitungen in die öffentlichen Brunnen führen und zwar in
so grossen Quantitäten, dass der Bedarf der Bewohner an
Trinkwasser nicht nur vollständig gedeckt ist, sondern der Regel
nach noch bedeutende Quantitäten über diesen Bedarf hinaus
verfügbar sind. Während auf niederen Culturstufen die Unter-
weisung eines Lehrers für den dieser Unterweisung Bedürftigen
ein ökonomisches Gut ist, wird dies Gut bei hoch entwickelter
Cultur, Dank der Vorsorge der Gesellschaft, für jeden einzelnen
Bewohner des Landes zu einem nicht ökonomischen und nicht
minder in vielen grossen Städten gutes und gesundes Trink-
wasser, wo es bisher für die Consumenten einen ökonomischen
Charakter hatte, zu einem nicht ökonomischen Gute.

Umgekehrt können Güter, welche den Menschen von Na-
tur aus in einer ihren Bedarf übersteigenden Quantität verfüg-
bar sind, doch für die Consumenten derselben den ökonomischen
Charakter erlangen, wenn ein Gewalthaber die übrigen wirth-
schaften Subjecte von der freien Verfügung über diese Güter
ausschliesst. In waldreichen Ländern sind die Ortschaften sehr
zahlreich, die von Natur aus von holzreichen Wäldern umgeben
sind, so zwar, dass die verfügbare Holzquantität den Bedarf
der Bewohner weitaus übersteigt und demnach das Holz in rohen
Baumstämmen dem natürlichen Laufe der Dinge nach keinen
ökonomischen Charakter haben würde. Dadurch aber, dass ein
Gewalthaber sich des ganzen Waldes, oder doch des weitaus
grösseren Theiles desselben bemächtigt, kann er die Holzquan-
titäten, die den Bewohnern der betreffenden Ortschaft thatsäch-
lich verfügbar sind, derart reguliren, dass das Holz für dieselben
nichtsdestoweniger einen ökonomischen Charakter gewinnt. In
den waldreichen Karpathen gibt es z. B. zahlreiche Ortschaften,
in welchen die Kleingrundbesitzer, die ehemaligen Grundholden,
von den Grossgrundbesitzern das ihnen nöthige Holz kaufen
müssen, während diese Letzteren selbst jährlich viele tausende
Baumstämme im Walde vermodern lassen, da die ihnen verfüg-
baren Quantitäten weitaus grösser sind als der vorhandene

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[64/0082] Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft. Solch ein Gut pflegt bei hoher Cultur z. B. der Volks- schulunterricht zu sein. Auch gutes gesundes Trinkwasser gilt den Bewohnern vieler Städte für ein so wichtiges Gut, dass sie dasselbe, wo es nicht in natürlicher Fülle vorhanden ist, mittelst Wasserleitungen in die öffentlichen Brunnen führen und zwar in so grossen Quantitäten, dass der Bedarf der Bewohner an Trinkwasser nicht nur vollständig gedeckt ist, sondern der Regel nach noch bedeutende Quantitäten über diesen Bedarf hinaus verfügbar sind. Während auf niederen Culturstufen die Unter- weisung eines Lehrers für den dieser Unterweisung Bedürftigen ein ökonomisches Gut ist, wird dies Gut bei hoch entwickelter Cultur, Dank der Vorsorge der Gesellschaft, für jeden einzelnen Bewohner des Landes zu einem nicht ökonomischen und nicht minder in vielen grossen Städten gutes und gesundes Trink- wasser, wo es bisher für die Consumenten einen ökonomischen Charakter hatte, zu einem nicht ökonomischen Gute. Umgekehrt können Güter, welche den Menschen von Na- tur aus in einer ihren Bedarf übersteigenden Quantität verfüg- bar sind, doch für die Consumenten derselben den ökonomischen Charakter erlangen, wenn ein Gewalthaber die übrigen wirth- schaften Subjecte von der freien Verfügung über diese Güter ausschliesst. In waldreichen Ländern sind die Ortschaften sehr zahlreich, die von Natur aus von holzreichen Wäldern umgeben sind, so zwar, dass die verfügbare Holzquantität den Bedarf der Bewohner weitaus übersteigt und demnach das Holz in rohen Baumstämmen dem natürlichen Laufe der Dinge nach keinen ökonomischen Charakter haben würde. Dadurch aber, dass ein Gewalthaber sich des ganzen Waldes, oder doch des weitaus grösseren Theiles desselben bemächtigt, kann er die Holzquan- titäten, die den Bewohnern der betreffenden Ortschaft thatsäch- lich verfügbar sind, derart reguliren, dass das Holz für dieselben nichtsdestoweniger einen ökonomischen Charakter gewinnt. In den waldreichen Karpathen gibt es z. B. zahlreiche Ortschaften, in welchen die Kleingrundbesitzer, die ehemaligen Grundholden, von den Grossgrundbesitzern das ihnen nöthige Holz kaufen müssen, während diese Letzteren selbst jährlich viele tausende Baumstämme im Walde vermodern lassen, da die ihnen verfüg- baren Quantitäten weitaus grösser sind als der vorhandene

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/82>, abgerufen am 19.04.2024.