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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft.
ihre letzte Begründung finden, wollen wir noch einer Erschei-
nung des socialen Lebens gedenken, die von unermesslicher
Bedeutung für die Wohlfahrt der Menschen geworden ist, und
in ihren letzten Ursachen demselben Quantitätenverhältnisse ent-
springt, das wir oben kennen gelernt haben.

Wir haben bisher die Lebenserscheinungen, welche daraus
resultiren, dass bei einer Gruppe von Gütern der Bedarf der
Menschen grösser ist, als die ihnen verfügbare Quantität der-
selben, ganz im Allgemeinen, ohne besondere Rücksichtnahme
auf die sociale Gliederung der Menschen dargestellt, so zwar,
dass das bisher Gesagte, ebensowohl für das isolirte Individuum,
als für eine Gesellschaft in ihrer Gesammtheit, wie immer sie
auch organisirt sein mag, seine Geltung hat. Das Zusammen-
leben von Menschen, welche ihre individuellen Interessen auch
als Glieder der Gesellschaft verfolgen, fördert indess bei allen
jenen Gütern, welche in dem mehrerwähnten Quantitätenverhält-
nisse stehen, eine besondere Erscheinung zu Tage, deren Dar-
stellung hier ihre Stelle finden mag.

Tritt nämlich das obige Quantitätenverhältniss mit Rück-
sicht auf eine Gesellschaft ein, das ist, steht dem grösseren
Bedarfe einer Gesellschaft an einem Gute eine geringere verfüg-
bare Quantität desselben gegenüber, so ist, nach dem was wir
oben sagten, unmöglich, dass die bezüglichen Bedürfnisse aller
Individuen, aus welchen die Gesellschaft zusammengesetzt ist,
ihre vollständige Befriedigung finden, vielmehr ist nichts sicherer,
als dass die Bedürfnisse eines Theiles der Mitglieder dieser Ge-
sellschaft nicht, oder doch nur in unvollständiger Weise zur
Befriedigung gelangen werden. Da findet denn der menschliche
Egoismus einen Antrieb, sich geltend zu machen, und es wird
jedes Individuum bemüht sein, dort, wo die verfügbare Quan-
tität nicht für Alle ausreicht, seinen eigenen Bedarf mit Aus-
schluss der Andern möglichst vollständig zu decken.


I. 1857, S. 3) definirt in den neuern Auflagen seines Hauptwerkes die wirth-
schaftlichen Güter = "Zwecke und Mittel der Wirthschaft," eine Definition,
welche, da sie lediglich eine Umschreibung des zu definirenden Begriffes
ist, anzeigt, dass der ausgezeichnete Gelehrte die Frage nach dem Kriterium
der ökonomischen und nicht ökonomischen Güter als eine offene behandelt
Vgl. auch Schäffle: Tübing, Univ. Schrift. 1862, Abth. 5, S. 22, und: Das
gesellschaftliche System der menschlichen Wirthschaft, 1867, S. 2.

Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft.
ihre letzte Begründung finden, wollen wir noch einer Erschei-
nung des socialen Lebens gedenken, die von unermesslicher
Bedeutung für die Wohlfahrt der Menschen geworden ist, und
in ihren letzten Ursachen demselben Quantitätenverhältnisse ent-
springt, das wir oben kennen gelernt haben.

Wir haben bisher die Lebenserscheinungen, welche daraus
resultiren, dass bei einer Gruppe von Gütern der Bedarf der
Menschen grösser ist, als die ihnen verfügbare Quantität der-
selben, ganz im Allgemeinen, ohne besondere Rücksichtnahme
auf die sociale Gliederung der Menschen dargestellt, so zwar,
dass das bisher Gesagte, ebensowohl für das isolirte Individuum,
als für eine Gesellschaft in ihrer Gesammtheit, wie immer sie
auch organisirt sein mag, seine Geltung hat. Das Zusammen-
leben von Menschen, welche ihre individuellen Interessen auch
als Glieder der Gesellschaft verfolgen, fördert indess bei allen
jenen Gütern, welche in dem mehrerwähnten Quantitätenverhält-
nisse stehen, eine besondere Erscheinung zu Tage, deren Dar-
stellung hier ihre Stelle finden mag.

Tritt nämlich das obige Quantitätenverhältniss mit Rück-
sicht auf eine Gesellschaft ein, das ist, steht dem grösseren
Bedarfe einer Gesellschaft an einem Gute eine geringere verfüg-
bare Quantität desselben gegenüber, so ist, nach dem was wir
oben sagten, unmöglich, dass die bezüglichen Bedürfnisse aller
Individuen, aus welchen die Gesellschaft zusammengesetzt ist,
ihre vollständige Befriedigung finden, vielmehr ist nichts sicherer,
als dass die Bedürfnisse eines Theiles der Mitglieder dieser Ge-
sellschaft nicht, oder doch nur in unvollständiger Weise zur
Befriedigung gelangen werden. Da findet denn der menschliche
Egoismus einen Antrieb, sich geltend zu machen, und es wird
jedes Individuum bemüht sein, dort, wo die verfügbare Quan-
tität nicht für Alle ausreicht, seinen eigenen Bedarf mit Aus-
schluss der Andern möglichst vollständig zu decken.


I. 1857, S. 3) definirt in den neuern Auflagen seines Hauptwerkes die wirth-
schaftlichen Güter = „Zwecke und Mittel der Wirthschaft,“ eine Definition,
welche, da sie lediglich eine Umschreibung des zu definirenden Begriffes
ist, anzeigt, dass der ausgezeichnete Gelehrte die Frage nach dem Kriterium
der ökonomischen und nicht ökonomischen Güter als eine offene behandelt
Vgl. auch Schäffle: Tübing, Univ. Schrift. 1862, Abth. 5, S. 22, und: Das
gesellschaftliche System der menschlichen Wirthschaft, 1867, S. 2.
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[55/0073] Ueber den Ursprung der menschlichen Wirthschaft. ihre letzte Begründung finden, wollen wir noch einer Erschei- nung des socialen Lebens gedenken, die von unermesslicher Bedeutung für die Wohlfahrt der Menschen geworden ist, und in ihren letzten Ursachen demselben Quantitätenverhältnisse ent- springt, das wir oben kennen gelernt haben. Wir haben bisher die Lebenserscheinungen, welche daraus resultiren, dass bei einer Gruppe von Gütern der Bedarf der Menschen grösser ist, als die ihnen verfügbare Quantität der- selben, ganz im Allgemeinen, ohne besondere Rücksichtnahme auf die sociale Gliederung der Menschen dargestellt, so zwar, dass das bisher Gesagte, ebensowohl für das isolirte Individuum, als für eine Gesellschaft in ihrer Gesammtheit, wie immer sie auch organisirt sein mag, seine Geltung hat. Das Zusammen- leben von Menschen, welche ihre individuellen Interessen auch als Glieder der Gesellschaft verfolgen, fördert indess bei allen jenen Gütern, welche in dem mehrerwähnten Quantitätenverhält- nisse stehen, eine besondere Erscheinung zu Tage, deren Dar- stellung hier ihre Stelle finden mag. Tritt nämlich das obige Quantitätenverhältniss mit Rück- sicht auf eine Gesellschaft ein, das ist, steht dem grösseren Bedarfe einer Gesellschaft an einem Gute eine geringere verfüg- bare Quantität desselben gegenüber, so ist, nach dem was wir oben sagten, unmöglich, dass die bezüglichen Bedürfnisse aller Individuen, aus welchen die Gesellschaft zusammengesetzt ist, ihre vollständige Befriedigung finden, vielmehr ist nichts sicherer, als dass die Bedürfnisse eines Theiles der Mitglieder dieser Ge- sellschaft nicht, oder doch nur in unvollständiger Weise zur Befriedigung gelangen werden. Da findet denn der menschliche Egoismus einen Antrieb, sich geltend zu machen, und es wird jedes Individuum bemüht sein, dort, wo die verfügbare Quan- tität nicht für Alle ausreicht, seinen eigenen Bedarf mit Aus- schluss der Andern möglichst vollständig zu decken. *) *) I. 1857, S. 3) definirt in den neuern Auflagen seines Hauptwerkes die wirth- schaftlichen Güter = „Zwecke und Mittel der Wirthschaft,“ eine Definition, welche, da sie lediglich eine Umschreibung des zu definirenden Begriffes ist, anzeigt, dass der ausgezeichnete Gelehrte die Frage nach dem Kriterium der ökonomischen und nicht ökonomischen Güter als eine offene behandelt Vgl. auch Schäffle: Tübing, Univ. Schrift. 1862, Abth. 5, S. 22, und: Das gesellschaftliche System der menschlichen Wirthschaft, 1867, S. 2.

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/73>, abgerufen am 28.03.2024.