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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Der menschliche Bedarf.
Bedarfe der Menschen an Gütern erster Ordnung beschäftigen
und hierauf die Grundsätze darlegen, nach welchen sich der
menschliche Bedarf an Gütern höherer Ordnung regelt.

Die Quantität eines Gutes erster Ordnung, welche zur Be-
friedigung eines concreten menschlichen Bedürfnisses und somit
auch die Quantität, die zur Befriedigung der gesammten, inner-
halb eines gegebenen Zeitraumes nach einem Gute erster Ord-
nung sich geltend machenden Bedürfnisse erforderlich ist, ist
durch das Bedürfniss, beziehungsweise durch die Bedürfnisse
selbst in unmittelbarer Weise gegeben und findet in denselben
ihr Mass. Würden demnach die Menschen rücksichtlich jener
Zeiträume, auf welche sich ihre Vorsorge erstreckt, darüber
immer genau und vollständig unterrichtet sein, welche concreten
Bedürfnisse sie haben und mit welcher Itensität sich dieselben
geltend machen werden, so würden sie an der Hand der bis-
herigen Erfahrungen, über die ihnen zur Befriedigung derselben
erforderlichen Güterquantitäten, das ist über die Grösse ihres
Bedarfes an Gütern erster Ordnung niemals in Zweifel sein
können.

Nun lehrt uns aber die Erfahrung, dass es mit Rücksicht
auf kommende Zeiträume nicht selten mehr oder minder ungewiss
ist, ob sich gewisse Bedürfnisse innerhalb derselben überhaupt
geltend machen werden. Dass wir innerhalb eines gegebenen
kommenden Zeitraumes Speise, Trank, Kleidung, Wohnung,
u. dgl. m. benöthigen werden, ist uns von vornherein bekannt;
nicht dasselbe ist aber rücksichtlich vieler anderen Güter der
Fall, z. B. rücksichtlich ärztlicher Dienstleistungen, Medicamente
u. dgl. m., da die Geltendmachung unserer Bedürfnisse nach die-
sen Gütern nicht selten von Einflüssen auf unsere Personen ab-
hängig ist, welche wir nicht mit Bestimmtheit voraus zu sehen
vermögen.

Hiezu tritt nun noch der Umstand, dass selbst bei jenen
Bedürfnissen, von welchen wir von vornherein wissen, dass sie
sich innerhalb jenes Zeitraumes, auf welchen sich unsere Vor-
sorge erstreckt, geltend machen werden, doch in quantitativer
Beziehung eine Unbestimmtheit vorhanden sein kann, indem wir
wohl die Thatsache, dass jene Bedürfnisse sich geltend machen
werden, nicht aber von vornherein eben so genau das Mass der

Der menschliche Bedarf.
Bedarfe der Menschen an Gütern erster Ordnung beschäftigen
und hierauf die Grundsätze darlegen, nach welchen sich der
menschliche Bedarf an Gütern höherer Ordnung regelt.

Die Quantität eines Gutes erster Ordnung, welche zur Be-
friedigung eines concreten menschlichen Bedürfnisses und somit
auch die Quantität, die zur Befriedigung der gesammten, inner-
halb eines gegebenen Zeitraumes nach einem Gute erster Ord-
nung sich geltend machenden Bedürfnisse erforderlich ist, ist
durch das Bedürfniss, beziehungsweise durch die Bedürfnisse
selbst in unmittelbarer Weise gegeben und findet in denselben
ihr Mass. Würden demnach die Menschen rücksichtlich jener
Zeiträume, auf welche sich ihre Vorsorge erstreckt, darüber
immer genau und vollständig unterrichtet sein, welche concreten
Bedürfnisse sie haben und mit welcher Itensität sich dieselben
geltend machen werden, so würden sie an der Hand der bis-
herigen Erfahrungen, über die ihnen zur Befriedigung derselben
erforderlichen Güterquantitäten, das ist über die Grösse ihres
Bedarfes an Gütern erster Ordnung niemals in Zweifel sein
können.

Nun lehrt uns aber die Erfahrung, dass es mit Rücksicht
auf kommende Zeiträume nicht selten mehr oder minder ungewiss
ist, ob sich gewisse Bedürfnisse innerhalb derselben überhaupt
geltend machen werden. Dass wir innerhalb eines gegebenen
kommenden Zeitraumes Speise, Trank, Kleidung, Wohnung,
u. dgl. m. benöthigen werden, ist uns von vornherein bekannt;
nicht dasselbe ist aber rücksichtlich vieler anderen Güter der
Fall, z. B. rücksichtlich ärztlicher Dienstleistungen, Medicamente
u. dgl. m., da die Geltendmachung unserer Bedürfnisse nach die-
sen Gütern nicht selten von Einflüssen auf unsere Personen ab-
hängig ist, welche wir nicht mit Bestimmtheit voraus zu sehen
vermögen.

Hiezu tritt nun noch der Umstand, dass selbst bei jenen
Bedürfnissen, von welchen wir von vornherein wissen, dass sie
sich innerhalb jenes Zeitraumes, auf welchen sich unsere Vor-
sorge erstreckt, geltend machen werden, doch in quantitativer
Beziehung eine Unbestimmtheit vorhanden sein kann, indem wir
wohl die Thatsache, dass jene Bedürfnisse sich geltend machen
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[36/0054] Der menschliche Bedarf. Bedarfe der Menschen an Gütern erster Ordnung beschäftigen und hierauf die Grundsätze darlegen, nach welchen sich der menschliche Bedarf an Gütern höherer Ordnung regelt. Die Quantität eines Gutes erster Ordnung, welche zur Be- friedigung eines concreten menschlichen Bedürfnisses und somit auch die Quantität, die zur Befriedigung der gesammten, inner- halb eines gegebenen Zeitraumes nach einem Gute erster Ord- nung sich geltend machenden Bedürfnisse erforderlich ist, ist durch das Bedürfniss, beziehungsweise durch die Bedürfnisse selbst in unmittelbarer Weise gegeben und findet in denselben ihr Mass. Würden demnach die Menschen rücksichtlich jener Zeiträume, auf welche sich ihre Vorsorge erstreckt, darüber immer genau und vollständig unterrichtet sein, welche concreten Bedürfnisse sie haben und mit welcher Itensität sich dieselben geltend machen werden, so würden sie an der Hand der bis- herigen Erfahrungen, über die ihnen zur Befriedigung derselben erforderlichen Güterquantitäten, das ist über die Grösse ihres Bedarfes an Gütern erster Ordnung niemals in Zweifel sein können. Nun lehrt uns aber die Erfahrung, dass es mit Rücksicht auf kommende Zeiträume nicht selten mehr oder minder ungewiss ist, ob sich gewisse Bedürfnisse innerhalb derselben überhaupt geltend machen werden. Dass wir innerhalb eines gegebenen kommenden Zeitraumes Speise, Trank, Kleidung, Wohnung, u. dgl. m. benöthigen werden, ist uns von vornherein bekannt; nicht dasselbe ist aber rücksichtlich vieler anderen Güter der Fall, z. B. rücksichtlich ärztlicher Dienstleistungen, Medicamente u. dgl. m., da die Geltendmachung unserer Bedürfnisse nach die- sen Gütern nicht selten von Einflüssen auf unsere Personen ab- hängig ist, welche wir nicht mit Bestimmtheit voraus zu sehen vermögen. Hiezu tritt nun noch der Umstand, dass selbst bei jenen Bedürfnissen, von welchen wir von vornherein wissen, dass sie sich innerhalb jenes Zeitraumes, auf welchen sich unsere Vor- sorge erstreckt, geltend machen werden, doch in quantitativer Beziehung eine Unbestimmtheit vorhanden sein kann, indem wir wohl die Thatsache, dass jene Bedürfnisse sich geltend machen werden, nicht aber von vornherein eben so genau das Mass der

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/54>, abgerufen am 28.03.2024.