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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Die Wirthschaft und die wirthschaftlichen Güter.
eignen, oder andere Personen für seinen Dienst besonders aus-
bilden lassen, selbst wenn er die Mittel hiefür besässe. Auch ist
in Culturländern für die Bedürfnisse der Gesellschaft nach sol-
chen und ähnlichen Dienstleistungen von langer Hand bereits
vorgesorgt, indem erfahrene und bewährte Männer, welche sich
bereits vor vielen Jahren für ihren Beruf herangebildet und
inzwischen durch ihre practische Thätigkeit reiche Erfah-
rungen gesammelt haben, der Gesellschaft ihre Dienste zur Ver-
fügung stellen. Während wir aber solcherart die Früchte der
Vorsorge vergangener Zeiten geniessen, bilden sich an unseren
Hochschulen bereits zahlreiche Männer heran, um den Bedürf-
nissen der Gesellschaft nach ähnlichen Dienstleistungen in der
Zukunft gerecht zu werden.

Die Sorge der Menschen für die Befriedigung ihrer Bedürf-
nisse wird demnach zur Vorsorge für die Deckung ihres Be-
darfes an Gütern für kommende Zeiträume, und wir nennen
dann den Bedarf eines Menschen jene Quantität von Gütern,
die erforderlich ist, um seine Bedürfnisse innerhalb jenes Zeit-
raumes, auf welchen sich seine Vorsorge erstreckt, zu befriedigen*).

Die Vorsorge der Menschen für die Befriedigung ihrer Be-
dürfnisse, soll sie anders eine erfolgreiche sein, hat nun aber

*) Das Wort "Bedarf" hat in unserer Sprache eine doppelte Bedeu-
tung. Einerseits bezeichnet man damit die zur vollständigen Befriedigung der
Bedürfnisse einer Person erforderlichen, andererseits jene Güterquantitäten,
welche eine Person voraussichtlich consumiren wird. In diesem letztern Sinne
hat z. B. ein Mann, der 20.000 Thaler Renten hat und dieselben zu
verbrauchen gewöhnt ist, einen sehr grossen, ein ländlicher Arbeiter, dessen
Einkommen 100 Thaler beträgt, einen sehr geringen und ein dem Elende
preisgegebener Bettler gar keinen Bedarf, während in ersterer Beziehung der
Bedarf der Menschen, je nach ihrer Bildungsstufe und ihren Gewohnheiten,
zwar gleichfalls eine sehr grosse Verschiedenheit aufweist, indess selbst eine
Person, die von allen Mitteln entblösst ist, noch immer einen Bedarf hat, der
in den zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse erforderlichen Güterquantitäten
sein Mass findet. Kaufleute und Industrielle gebrauchen den Ausdruck "Bedarf"
der Regel nach in dem engeren Sinne des Wortes und verstehen darunter
nicht selten die "voraussichtliche Nachfrage" nach einem Gute. In diesen
Sinne sagt man auch, dass "zu einem gewissen Preise" Bedarf an einer Waare
besteht, zu einem andern Preise jedoch nicht, u. dgl. m.

Die Wirthschaft und die wirthschaftlichen Güter.
eignen, oder andere Personen für seinen Dienst besonders aus-
bilden lassen, selbst wenn er die Mittel hiefür besässe. Auch ist
in Culturländern für die Bedürfnisse der Gesellschaft nach sol-
chen und ähnlichen Dienstleistungen von langer Hand bereits
vorgesorgt, indem erfahrene und bewährte Männer, welche sich
bereits vor vielen Jahren für ihren Beruf herangebildet und
inzwischen durch ihre practische Thätigkeit reiche Erfah-
rungen gesammelt haben, der Gesellschaft ihre Dienste zur Ver-
fügung stellen. Während wir aber solcherart die Früchte der
Vorsorge vergangener Zeiten geniessen, bilden sich an unseren
Hochschulen bereits zahlreiche Männer heran, um den Bedürf-
nissen der Gesellschaft nach ähnlichen Dienstleistungen in der
Zukunft gerecht zu werden.

Die Sorge der Menschen für die Befriedigung ihrer Bedürf-
nisse wird demnach zur Vorsorge für die Deckung ihres Be-
darfes an Gütern für kommende Zeiträume, und wir nennen
dann den Bedarf eines Menschen jene Quantität von Gütern,
die erforderlich ist, um seine Bedürfnisse innerhalb jenes Zeit-
raumes, auf welchen sich seine Vorsorge erstreckt, zu befriedigen*).

Die Vorsorge der Menschen für die Befriedigung ihrer Be-
dürfnisse, soll sie anders eine erfolgreiche sein, hat nun aber

*) Das Wort „Bedarf“ hat in unserer Sprache eine doppelte Bedeu-
tung. Einerseits bezeichnet man damit die zur vollständigen Befriedigung der
Bedürfnisse einer Person erforderlichen, andererseits jene Güterquantitäten,
welche eine Person voraussichtlich consumiren wird. In diesem letztern Sinne
hat z. B. ein Mann, der 20.000 Thaler Renten hat und dieselben zu
verbrauchen gewöhnt ist, einen sehr grossen, ein ländlicher Arbeiter, dessen
Einkommen 100 Thaler beträgt, einen sehr geringen und ein dem Elende
preisgegebener Bettler gar keinen Bedarf, während in ersterer Beziehung der
Bedarf der Menschen, je nach ihrer Bildungsstufe und ihren Gewohnheiten,
zwar gleichfalls eine sehr grosse Verschiedenheit aufweist, indess selbst eine
Person, die von allen Mitteln entblösst ist, noch immer einen Bedarf hat, der
in den zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse erforderlichen Güterquantitäten
sein Mass findet. Kaufleute und Industrielle gebrauchen den Ausdruck „Bedarf“
der Regel nach in dem engeren Sinne des Wortes und verstehen darunter
nicht selten die „voraussichtliche Nachfrage“ nach einem Gute. In diesen
Sinne sagt man auch, dass „zu einem gewissen Preise“ Bedarf an einer Waare
besteht, zu einem andern Preise jedoch nicht, u. dgl. m.
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[34/0052] Die Wirthschaft und die wirthschaftlichen Güter. eignen, oder andere Personen für seinen Dienst besonders aus- bilden lassen, selbst wenn er die Mittel hiefür besässe. Auch ist in Culturländern für die Bedürfnisse der Gesellschaft nach sol- chen und ähnlichen Dienstleistungen von langer Hand bereits vorgesorgt, indem erfahrene und bewährte Männer, welche sich bereits vor vielen Jahren für ihren Beruf herangebildet und inzwischen durch ihre practische Thätigkeit reiche Erfah- rungen gesammelt haben, der Gesellschaft ihre Dienste zur Ver- fügung stellen. Während wir aber solcherart die Früchte der Vorsorge vergangener Zeiten geniessen, bilden sich an unseren Hochschulen bereits zahlreiche Männer heran, um den Bedürf- nissen der Gesellschaft nach ähnlichen Dienstleistungen in der Zukunft gerecht zu werden. Die Sorge der Menschen für die Befriedigung ihrer Bedürf- nisse wird demnach zur Vorsorge für die Deckung ihres Be- darfes an Gütern für kommende Zeiträume, und wir nennen dann den Bedarf eines Menschen jene Quantität von Gütern, die erforderlich ist, um seine Bedürfnisse innerhalb jenes Zeit- raumes, auf welchen sich seine Vorsorge erstreckt, zu befriedigen *). Die Vorsorge der Menschen für die Befriedigung ihrer Be- dürfnisse, soll sie anders eine erfolgreiche sein, hat nun aber *) Das Wort „Bedarf“ hat in unserer Sprache eine doppelte Bedeu- tung. Einerseits bezeichnet man damit die zur vollständigen Befriedigung der Bedürfnisse einer Person erforderlichen, andererseits jene Güterquantitäten, welche eine Person voraussichtlich consumiren wird. In diesem letztern Sinne hat z. B. ein Mann, der 20.000 Thaler Renten hat und dieselben zu verbrauchen gewöhnt ist, einen sehr grossen, ein ländlicher Arbeiter, dessen Einkommen 100 Thaler beträgt, einen sehr geringen und ein dem Elende preisgegebener Bettler gar keinen Bedarf, während in ersterer Beziehung der Bedarf der Menschen, je nach ihrer Bildungsstufe und ihren Gewohnheiten, zwar gleichfalls eine sehr grosse Verschiedenheit aufweist, indess selbst eine Person, die von allen Mitteln entblösst ist, noch immer einen Bedarf hat, der in den zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse erforderlichen Güterquantitäten sein Mass findet. Kaufleute und Industrielle gebrauchen den Ausdruck „Bedarf“ der Regel nach in dem engeren Sinne des Wortes und verstehen darunter nicht selten die „voraussichtliche Nachfrage“ nach einem Gute. In diesen Sinne sagt man auch, dass „zu einem gewissen Preise“ Bedarf an einer Waare besteht, zu einem andern Preise jedoch nicht, u. dgl. m.

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/52>, abgerufen am 19.04.2024.