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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Die Münze.
Metallstücke, deren Feingehalt und Gewicht in vertrauenswür-
diger Weise und mit einer für die practischen Zwecke des wirth-
schaftlichen Lebens ausreichenden Genauigkeit festgestellt und
gegen Betrug in möglichst wirksamer Weise geschützt sind, ein
Umstand, welcher uns bei allen Transactionen die erforderlichen
Gewichtsmengen edlen Metalles, ohne lästige Probe, Theilung
und Wägung desselben, durch blosses Zuzählen in verlässlicher
Weise festzustellen, ermöglicht. Die volkswirthschaftliche Be-
deutung der Münze liegt also darin, dass sie (abgesehen von
der mechanischen Operation der Theilung des edlen Metalles in
die erforderlichen Quantitäten) uns bei der Uebernahme der-
selben die Prüfung der Echtheit, Feinhaltigkeit und des Ge-
wichtes des edlen Metalles, bei der Weiterbegebung aber den
Beweis dieser Umstände erspart, uns solcherart vor vielen
lästigen, zeitraubenden und mit ökonomischen Opfern ver-
bundenen Vorkehrungen bewahrt und in Folge dieses Umstandes
die von Natur aus grosse Absatzfähigkeit der edlen Metalle
noch um ein namhaftes gesteigert wird. *)


*) Ursprünglich wurden die Münz-Metalle wohl durchaus in Stücke
zerlegt, welche die auch sonst im Handel üblichen Gewichtsmengen aus-
drückten. Das römische As war ursprünglich ein Pfund Kupfer, das englische
Pfund Sterling enthielt zur Zeit Eduard's I nach Tower-Gewicht ein Pfund
Silber von bestimmtem Feingehalte, ebenso der französische livre zur Zeit
Karl des Grossen nach Troyes-Gewicht ein Pfund Silber. Der englische
Shilling und Penny waren gleichfalls im Handel gebräuchliche Gewichtsmen-
gen. "Wenn der Weizen zwölf Shilling das Quarter kostet," sagt ein altes
Statut Heinrich III., "so soll ein Weissbrod für einen Penny eilf Shilling und
vier Pence wiegen." (Vgl. Ad. Smith, W. o. N. B. I, Ch. 4.) Dass auch unsere
Mark, Schilling, Pfennig etc. ursprünglich Handelsgewichte gewesen, ist be-
kannt. Die Münzverschlechterungen, welche in der Folgezeit wiederholt von
den Münzherren vorgenommen wurden, haben bewirkt, dass das gemeine
Handelsgewicht und das Gewicht, nach welchem die edlen Metalle gehandelt
(beziehungsweise als Münzen zugezählt) werden, in den meisten Ländern bald
eine sehr grosse Verschiedenheit aufwiesen, ein Umstand, welcher seinerseits
wiederum nicht wenig dazu beitrug, dass in dem Gelde ein eigenthümlicher
"Massstab des Tauschwerthes" erblickt wurde, während doch in jeder natur-
gemässen Volkswirthschaft der Münzfuss nichts anderes als die Gewichts-
bestimmung ist, nach welcher die edlen Metalle gehandelt werden. In neuerer
Zeit hat man vielfach versucht, das Handelsgewicht, so weit dies die Rück-
sichtsnahme auf die Bequemlichkeit des Verkehres gestattet, mit dem Münz-

Die Münze.
Metallstücke, deren Feingehalt und Gewicht in vertrauenswür-
diger Weise und mit einer für die practischen Zwecke des wirth-
schaftlichen Lebens ausreichenden Genauigkeit festgestellt und
gegen Betrug in möglichst wirksamer Weise geschützt sind, ein
Umstand, welcher uns bei allen Transactionen die erforderlichen
Gewichtsmengen edlen Metalles, ohne lästige Probe, Theilung
und Wägung desselben, durch blosses Zuzählen in verlässlicher
Weise festzustellen, ermöglicht. Die volkswirthschaftliche Be-
deutung der Münze liegt also darin, dass sie (abgesehen von
der mechanischen Operation der Theilung des edlen Metalles in
die erforderlichen Quantitäten) uns bei der Uebernahme der-
selben die Prüfung der Echtheit, Feinhaltigkeit und des Ge-
wichtes des edlen Metalles, bei der Weiterbegebung aber den
Beweis dieser Umstände erspart, uns solcherart vor vielen
lästigen, zeitraubenden und mit ökonomischen Opfern ver-
bundenen Vorkehrungen bewahrt und in Folge dieses Umstandes
die von Natur aus grosse Absatzfähigkeit der edlen Metalle
noch um ein namhaftes gesteigert wird. *)


*) Ursprünglich wurden die Münz-Metalle wohl durchaus in Stücke
zerlegt, welche die auch sonst im Handel üblichen Gewichtsmengen aus-
drückten. Das römische As war ursprünglich ein Pfund Kupfer, das englische
Pfund Sterling enthielt zur Zeit Eduard’s I nach Tower-Gewicht ein Pfund
Silber von bestimmtem Feingehalte, ebenso der französische livre zur Zeit
Karl des Grossen nach Troyes-Gewicht ein Pfund Silber. Der englische
Shilling und Penny waren gleichfalls im Handel gebräuchliche Gewichtsmen-
gen. „Wenn der Weizen zwölf Shilling das Quarter kostet,“ sagt ein altes
Statut Heinrich III., „so soll ein Weissbrod für einen Penny eilf Shilling und
vier Pence wiegen.“ (Vgl. Ad. Smith, W. o. N. B. I, Ch. 4.) Dass auch unsere
Mark, Schilling, Pfennig etc. ursprünglich Handelsgewichte gewesen, ist be-
kannt. Die Münzverschlechterungen, welche in der Folgezeit wiederholt von
den Münzherren vorgenommen wurden, haben bewirkt, dass das gemeine
Handelsgewicht und das Gewicht, nach welchem die edlen Metalle gehandelt
(beziehungsweise als Münzen zugezählt) werden, in den meisten Ländern bald
eine sehr grosse Verschiedenheit aufwiesen, ein Umstand, welcher seinerseits
wiederum nicht wenig dazu beitrug, dass in dem Gelde ein eigenthümlicher
„Massstab des Tauschwerthes“ erblickt wurde, während doch in jeder natur-
gemässen Volkswirthschaft der Münzfuss nichts anderes als die Gewichts-
bestimmung ist, nach welcher die edlen Metalle gehandelt werden. In neuerer
Zeit hat man vielfach versucht, das Handelsgewicht, so weit dies die Rück-
sichtsnahme auf die Bequemlichkeit des Verkehres gestattet, mit dem Münz-
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[282/0300] Die Münze. Metallstücke, deren Feingehalt und Gewicht in vertrauenswür- diger Weise und mit einer für die practischen Zwecke des wirth- schaftlichen Lebens ausreichenden Genauigkeit festgestellt und gegen Betrug in möglichst wirksamer Weise geschützt sind, ein Umstand, welcher uns bei allen Transactionen die erforderlichen Gewichtsmengen edlen Metalles, ohne lästige Probe, Theilung und Wägung desselben, durch blosses Zuzählen in verlässlicher Weise festzustellen, ermöglicht. Die volkswirthschaftliche Be- deutung der Münze liegt also darin, dass sie (abgesehen von der mechanischen Operation der Theilung des edlen Metalles in die erforderlichen Quantitäten) uns bei der Uebernahme der- selben die Prüfung der Echtheit, Feinhaltigkeit und des Ge- wichtes des edlen Metalles, bei der Weiterbegebung aber den Beweis dieser Umstände erspart, uns solcherart vor vielen lästigen, zeitraubenden und mit ökonomischen Opfern ver- bundenen Vorkehrungen bewahrt und in Folge dieses Umstandes die von Natur aus grosse Absatzfähigkeit der edlen Metalle noch um ein namhaftes gesteigert wird. *) *) Ursprünglich wurden die Münz-Metalle wohl durchaus in Stücke zerlegt, welche die auch sonst im Handel üblichen Gewichtsmengen aus- drückten. Das römische As war ursprünglich ein Pfund Kupfer, das englische Pfund Sterling enthielt zur Zeit Eduard’s I nach Tower-Gewicht ein Pfund Silber von bestimmtem Feingehalte, ebenso der französische livre zur Zeit Karl des Grossen nach Troyes-Gewicht ein Pfund Silber. Der englische Shilling und Penny waren gleichfalls im Handel gebräuchliche Gewichtsmen- gen. „Wenn der Weizen zwölf Shilling das Quarter kostet,“ sagt ein altes Statut Heinrich III., „so soll ein Weissbrod für einen Penny eilf Shilling und vier Pence wiegen.“ (Vgl. Ad. Smith, W. o. N. B. I, Ch. 4.) Dass auch unsere Mark, Schilling, Pfennig etc. ursprünglich Handelsgewichte gewesen, ist be- kannt. Die Münzverschlechterungen, welche in der Folgezeit wiederholt von den Münzherren vorgenommen wurden, haben bewirkt, dass das gemeine Handelsgewicht und das Gewicht, nach welchem die edlen Metalle gehandelt (beziehungsweise als Münzen zugezählt) werden, in den meisten Ländern bald eine sehr grosse Verschiedenheit aufwiesen, ein Umstand, welcher seinerseits wiederum nicht wenig dazu beitrug, dass in dem Gelde ein eigenthümlicher „Massstab des Tauschwerthes“ erblickt wurde, während doch in jeder natur- gemässen Volkswirthschaft der Münzfuss nichts anderes als die Gewichts- bestimmung ist, nach welcher die edlen Metalle gehandelt werden. In neuerer Zeit hat man vielfach versucht, das Handelsgewicht, so weit dies die Rück- sichtsnahme auf die Bequemlichkeit des Verkehres gestattet, mit dem Münz-

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/300>, abgerufen am 29.03.2024.