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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Das Geld als Massstab der Preise.
tauschen, erlangen dadurch, dass sie zunächst gegen Geld um-
gesetzt werden, jene Form, in welcher der Besitzer seine Be-
dürfnisse jeweilig am raschesten und sichersten zu befriedigen
vermag, und auch rücksichtlich desjenigen Theiles des Capitals
eines wirthschaftenden Individuums, welcher nicht bereits aus
Elementen der beabsichtigten Production besteht, ist aus dem
gleichen Grunde die Geldform viel zweckmässiger, als jede andere,
denn jede Waare anderer Art muss erst gegen Geld ausgetauscht
werden, um weiter gegen die erforderlichen Productionsmittel
umgesetzt werden zu können. In der That lehrt uns die tägliche
Erfahrung, dass die wirthschaftenden Menschen denjenigen Theil
ihres Consumtionsvorrathes, welcher nicht aus Gütern, die zur
directen Befriedigung ihrer Bedürfnisse dienen, sondern aus
Waaren besteht, gegen Geld umzusetzen bemüht sind und auch
jenen Theil ihres Capitals, welcher nicht aus Elementen der be-
absichtigten Production besteht, zunächst zu Gelde machen, um
solcherart ihre wirthschaftlichen Zwecke um einen nicht unwesent-
lichen Schritt zu fördern.

Als irrthümlich muss dagegen jene Ansicht bezeichnet
werden, welche dem Gelde als solchen zugleich die Function zu-
schreibt, "Werthe" aus der Gegenwart in die Zukunft zu über-
tragen; denn, obzwar das Metallgeld wegen seiner Dauerhaftig-
keit, der wenig kostspieligen Conservirung desselben etc.,
allerdings auch zu diesem Zwecke geeignet ist, so ist doch
klar, dass andere Waaren hiezu eine noch höhere Eignung auf-
weisen, ja die Erfahrung lehrt, dass überall dort, wo nicht die
edlen Metalle, sondern minder conservirungsfähige Güter den
Geldcharakter erlangt haben, diese letztern wohl den Zwecken
der Circulation, nicht aber jenen der Conservirung von "Wer-
then" zu dienen pflegen. *)


*) Diese Theorie hat ihre hauptsächlichen Vertreter in den grossen eng-
lischen Philosophen des siebzehnten Jahrhundertes gefunden. Hobbes geht
(Leviathan: de civitate, Pars II, C. 24, S. 123, oper. 1668) von dem Be-
dürfnisse der Menschen nach Conservirung vergänglicher, aber nicht zur
sofortigen Consumtion bestimmter Vermögenswerthe aus, und zeigt, wie durch
den Umsatz (die "concoctio") derselben in Metallgeld dieser Zweck, sowie
der Zweck der leichtern Transportabilität erreicht wird. Ebenso Locke (Of
civil government, Book II, Ch. 5, §. 46 ff., 1691 und Further Considerations

Das Geld als Massstab der Preise.
tauschen, erlangen dadurch, dass sie zunächst gegen Geld um-
gesetzt werden, jene Form, in welcher der Besitzer seine Be-
dürfnisse jeweilig am raschesten und sichersten zu befriedigen
vermag, und auch rücksichtlich desjenigen Theiles des Capitals
eines wirthschaftenden Individuums, welcher nicht bereits aus
Elementen der beabsichtigten Production besteht, ist aus dem
gleichen Grunde die Geldform viel zweckmässiger, als jede andere,
denn jede Waare anderer Art muss erst gegen Geld ausgetauscht
werden, um weiter gegen die erforderlichen Productionsmittel
umgesetzt werden zu können. In der That lehrt uns die tägliche
Erfahrung, dass die wirthschaftenden Menschen denjenigen Theil
ihres Consumtionsvorrathes, welcher nicht aus Gütern, die zur
directen Befriedigung ihrer Bedürfnisse dienen, sondern aus
Waaren besteht, gegen Geld umzusetzen bemüht sind und auch
jenen Theil ihres Capitals, welcher nicht aus Elementen der be-
absichtigten Production besteht, zunächst zu Gelde machen, um
solcherart ihre wirthschaftlichen Zwecke um einen nicht unwesent-
lichen Schritt zu fördern.

Als irrthümlich muss dagegen jene Ansicht bezeichnet
werden, welche dem Gelde als solchen zugleich die Function zu-
schreibt, „Werthe“ aus der Gegenwart in die Zukunft zu über-
tragen; denn, obzwar das Metallgeld wegen seiner Dauerhaftig-
keit, der wenig kostspieligen Conservirung desselben etc.,
allerdings auch zu diesem Zwecke geeignet ist, so ist doch
klar, dass andere Waaren hiezu eine noch höhere Eignung auf-
weisen, ja die Erfahrung lehrt, dass überall dort, wo nicht die
edlen Metalle, sondern minder conservirungsfähige Güter den
Geldcharakter erlangt haben, diese letztern wohl den Zwecken
der Circulation, nicht aber jenen der Conservirung von „Wer-
then“ zu dienen pflegen. *)


*) Diese Theorie hat ihre hauptsächlichen Vertreter in den grossen eng-
lischen Philosophen des siebzehnten Jahrhundertes gefunden. Hobbes geht
(Leviathan: de civitate, Pars II, C. 24, S. 123, oper. 1668) von dem Be-
dürfnisse der Menschen nach Conservirung vergänglicher, aber nicht zur
sofortigen Consumtion bestimmter Vermögenswerthe aus, und zeigt, wie durch
den Umsatz (die „concoctio“) derselben in Metallgeld dieser Zweck, sowie
der Zweck der leichtern Transportabilität erreicht wird. Ebenso Locke (Of
civil government, Book II, Ch. 5, §. 46 ff., 1691 und Further Considerations
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[278/0296] Das Geld als Massstab der Preise. tauschen, erlangen dadurch, dass sie zunächst gegen Geld um- gesetzt werden, jene Form, in welcher der Besitzer seine Be- dürfnisse jeweilig am raschesten und sichersten zu befriedigen vermag, und auch rücksichtlich desjenigen Theiles des Capitals eines wirthschaftenden Individuums, welcher nicht bereits aus Elementen der beabsichtigten Production besteht, ist aus dem gleichen Grunde die Geldform viel zweckmässiger, als jede andere, denn jede Waare anderer Art muss erst gegen Geld ausgetauscht werden, um weiter gegen die erforderlichen Productionsmittel umgesetzt werden zu können. In der That lehrt uns die tägliche Erfahrung, dass die wirthschaftenden Menschen denjenigen Theil ihres Consumtionsvorrathes, welcher nicht aus Gütern, die zur directen Befriedigung ihrer Bedürfnisse dienen, sondern aus Waaren besteht, gegen Geld umzusetzen bemüht sind und auch jenen Theil ihres Capitals, welcher nicht aus Elementen der be- absichtigten Production besteht, zunächst zu Gelde machen, um solcherart ihre wirthschaftlichen Zwecke um einen nicht unwesent- lichen Schritt zu fördern. Als irrthümlich muss dagegen jene Ansicht bezeichnet werden, welche dem Gelde als solchen zugleich die Function zu- schreibt, „Werthe“ aus der Gegenwart in die Zukunft zu über- tragen; denn, obzwar das Metallgeld wegen seiner Dauerhaftig- keit, der wenig kostspieligen Conservirung desselben etc., allerdings auch zu diesem Zwecke geeignet ist, so ist doch klar, dass andere Waaren hiezu eine noch höhere Eignung auf- weisen, ja die Erfahrung lehrt, dass überall dort, wo nicht die edlen Metalle, sondern minder conservirungsfähige Güter den Geldcharakter erlangt haben, diese letztern wohl den Zwecken der Circulation, nicht aber jenen der Conservirung von „Wer- then“ zu dienen pflegen. *) *) Diese Theorie hat ihre hauptsächlichen Vertreter in den grossen eng- lischen Philosophen des siebzehnten Jahrhundertes gefunden. Hobbes geht (Leviathan: de civitate, Pars II, C. 24, S. 123, oper. 1668) von dem Be- dürfnisse der Menschen nach Conservirung vergänglicher, aber nicht zur sofortigen Consumtion bestimmter Vermögenswerthe aus, und zeigt, wie durch den Umsatz (die „concoctio“) derselben in Metallgeld dieser Zweck, sowie der Zweck der leichtern Transportabilität erreicht wird. Ebenso Locke (Of civil government, Book II, Ch. 5, §. 46 ff., 1691 und Further Considerations

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/296>, abgerufen am 29.03.2024.