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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Ueber das jedem Zeitalter eigenthümliche Geld.
Augenzeugen die nachfolgenden erwähnt: Lebende und todte
Thiere, Kakao, alle sonstigen Esswaaren, Edelsteine, Medicinal-
waaren, Kräuter, Gummen, Harze, Erden, bereitete Heilmittel,
aus den Fäden der Aloe, der Bergpalme und aus Thierhaaren
bereitete Waaren, ferner Arbeiten aus Federn, Holz und Steinen,
endlich Gold, Kupfer, Zinn, Holz, Steine, Gerbstoffe und Felle.
Zieht man nun diese Waaren und den Umstand in Betracht,
dass Mexiko zur Zeit, wo es von den Europäern entdeckt wurde,
bereits ein fortgeschrittenes, industrietreibendes Land mit einer
zahlreichen städtischen Bevölkerung war, aus diesem Grunde
und weil es die meisten unserer Nutzthiere nicht kannte,
eine Viehwährung ganz ausser Betracht kommt, und berück-
sichtigt man ferner, dass Kakao das tägliche Getränke, Baum-
wollstoffe das allgemeinste Bekleidungsmittel, Gold, Kupfer und
Zinn die gebräuchlichsten Nutzmetalle des Aztekenvolkes waren,
Güter also, welche ihrer innern Natur, wie ihrem allgemeinen
Gebrauche nach eine über alle übrigen Waaren hervorragende
Absatzfähigkeit besassen, so ist unschwer zu erkennen, warum
eben diese Güter zum Gelde des Aztekenvolkes wurden. Sie
waren das natürliche, wenn auch noch wenig entwickelte Geld
des alten Mexiko.

Analoge Ursachen bewirken, dass unter Jägervölkern, in-
soferne dieselben auswärtigen Handel treiben, Thierfelle zum
Gelde werden. Bei Jägervölkern wird naturgemäss ein Ueber-
fluss an Pelzwerk bestehen, da die Versorgung einer Familie
mit Nahrungsmitteln auf dem Wege der Jagd die Anhäufung
von so grossen Quantitäten von Thierfellen zur Folge hat,
dass unter den einzelnen Mitgliedern des Jägerstammes
höchstens eine Concurrenz um besonders schöne oder seltene
Species von Thierfellen entstehen kann. Tritt ein Jägerstamm
indess mit fremden Völkern in Tauschverkehr und entsteht
ein Markt für Thierfelle, auf welchem hiefür zahlreiche Ge-
brauchsgüter, je nach der Wahl der Pelzjäger, eingetauscht
werden können, so ist nichts natürlicher, als dass das Pelzwerk
zum absatzfähigsten Gute und somit auch bei allfälligen Täuschen
der Pelzjäger unter sich selbst mit Vorliebe im Tausche an-
genommen wird. Der Pelzjäger A benöthigt allerdings nicht
die Thierfelle des Pelzjägers B, die er im Tausche annimmt,

Ueber das jedem Zeitalter eigenthümliche Geld.
Augenzeugen die nachfolgenden erwähnt: Lebende und todte
Thiere, Kakao, alle sonstigen Esswaaren, Edelsteine, Medicinal-
waaren, Kräuter, Gummen, Harze, Erden, bereitete Heilmittel,
aus den Fäden der Aloe, der Bergpalme und aus Thierhaaren
bereitete Waaren, ferner Arbeiten aus Federn, Holz und Steinen,
endlich Gold, Kupfer, Zinn, Holz, Steine, Gerbstoffe und Felle.
Zieht man nun diese Waaren und den Umstand in Betracht,
dass Mexiko zur Zeit, wo es von den Europäern entdeckt wurde,
bereits ein fortgeschrittenes, industrietreibendes Land mit einer
zahlreichen städtischen Bevölkerung war, aus diesem Grunde
und weil es die meisten unserer Nutzthiere nicht kannte,
eine Viehwährung ganz ausser Betracht kommt, und berück-
sichtigt man ferner, dass Kakao das tägliche Getränke, Baum-
wollstoffe das allgemeinste Bekleidungsmittel, Gold, Kupfer und
Zinn die gebräuchlichsten Nutzmetalle des Aztekenvolkes waren,
Güter also, welche ihrer innern Natur, wie ihrem allgemeinen
Gebrauche nach eine über alle übrigen Waaren hervorragende
Absatzfähigkeit besassen, so ist unschwer zu erkennen, warum
eben diese Güter zum Gelde des Aztekenvolkes wurden. Sie
waren das natürliche, wenn auch noch wenig entwickelte Geld
des alten Mexiko.

Analoge Ursachen bewirken, dass unter Jägervölkern, in-
soferne dieselben auswärtigen Handel treiben, Thierfelle zum
Gelde werden. Bei Jägervölkern wird naturgemäss ein Ueber-
fluss an Pelzwerk bestehen, da die Versorgung einer Familie
mit Nahrungsmitteln auf dem Wege der Jagd die Anhäufung
von so grossen Quantitäten von Thierfellen zur Folge hat,
dass unter den einzelnen Mitgliedern des Jägerstammes
höchstens eine Concurrenz um besonders schöne oder seltene
Species von Thierfellen entstehen kann. Tritt ein Jägerstamm
indess mit fremden Völkern in Tauschverkehr und entsteht
ein Markt für Thierfelle, auf welchem hiefür zahlreiche Ge-
brauchsgüter, je nach der Wahl der Pelzjäger, eingetauscht
werden können, so ist nichts natürlicher, als dass das Pelzwerk
zum absatzfähigsten Gute und somit auch bei allfälligen Täuschen
der Pelzjäger unter sich selbst mit Vorliebe im Tausche an-
genommen wird. Der Pelzjäger A benöthigt allerdings nicht
die Thierfelle des Pelzjägers B, die er im Tausche annimmt,

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[269/0287] Ueber das jedem Zeitalter eigenthümliche Geld. Augenzeugen die nachfolgenden erwähnt: Lebende und todte Thiere, Kakao, alle sonstigen Esswaaren, Edelsteine, Medicinal- waaren, Kräuter, Gummen, Harze, Erden, bereitete Heilmittel, aus den Fäden der Aloe, der Bergpalme und aus Thierhaaren bereitete Waaren, ferner Arbeiten aus Federn, Holz und Steinen, endlich Gold, Kupfer, Zinn, Holz, Steine, Gerbstoffe und Felle. Zieht man nun diese Waaren und den Umstand in Betracht, dass Mexiko zur Zeit, wo es von den Europäern entdeckt wurde, bereits ein fortgeschrittenes, industrietreibendes Land mit einer zahlreichen städtischen Bevölkerung war, aus diesem Grunde und weil es die meisten unserer Nutzthiere nicht kannte, eine Viehwährung ganz ausser Betracht kommt, und berück- sichtigt man ferner, dass Kakao das tägliche Getränke, Baum- wollstoffe das allgemeinste Bekleidungsmittel, Gold, Kupfer und Zinn die gebräuchlichsten Nutzmetalle des Aztekenvolkes waren, Güter also, welche ihrer innern Natur, wie ihrem allgemeinen Gebrauche nach eine über alle übrigen Waaren hervorragende Absatzfähigkeit besassen, so ist unschwer zu erkennen, warum eben diese Güter zum Gelde des Aztekenvolkes wurden. Sie waren das natürliche, wenn auch noch wenig entwickelte Geld des alten Mexiko. Analoge Ursachen bewirken, dass unter Jägervölkern, in- soferne dieselben auswärtigen Handel treiben, Thierfelle zum Gelde werden. Bei Jägervölkern wird naturgemäss ein Ueber- fluss an Pelzwerk bestehen, da die Versorgung einer Familie mit Nahrungsmitteln auf dem Wege der Jagd die Anhäufung von so grossen Quantitäten von Thierfellen zur Folge hat, dass unter den einzelnen Mitgliedern des Jägerstammes höchstens eine Concurrenz um besonders schöne oder seltene Species von Thierfellen entstehen kann. Tritt ein Jägerstamm indess mit fremden Völkern in Tauschverkehr und entsteht ein Markt für Thierfelle, auf welchem hiefür zahlreiche Ge- brauchsgüter, je nach der Wahl der Pelzjäger, eingetauscht werden können, so ist nichts natürlicher, als dass das Pelzwerk zum absatzfähigsten Gute und somit auch bei allfälligen Täuschen der Pelzjäger unter sich selbst mit Vorliebe im Tausche an- genommen wird. Der Pelzjäger A benöthigt allerdings nicht die Thierfelle des Pelzjägers B, die er im Tausche annimmt,

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/287>, abgerufen am 28.03.2024.