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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Ueber das Wesen und den Ursprung des Geldes.

Einen nicht zu leugnenden, wenn auch geringeren Einfluss
auf den Geldcharakter einer Waare, pflegt innerhalb der staat-

in ausreichender Weise gedeckt haben, hat bereits die grossen Denker des
Alterthums und bis auf unsere Tage eine lange Reihe der ausgezeichnetsten
Forscher beschäftigt, wie kein anderes Problem unserer Wissenschaft. Dass
ein Gut von seinem Besitzer gegen ein anderes ihm nützlicheres im Aus-
tausche hingegeben wird, ist eine Erscheinung, die auch dem gemeinsten
Verstande einleuchtet; dass aber jedes wirthschaftende Subject eines Volkes
begierig sein sollte, seine Waaren gegen kleine Metall-Platten einzutauschen,
von welchen der Regel nach doch nur Wenige in directer Weise Ge-
brauch zu machen in der Lage sind, dies ist ein dem gewöhnlichen Laufe
der Dinge so widersprechender Vorgang, dass es uns nicht Wunder nehmen
darf, wenn er selbst einem so ausgezeichneten Denker, wie Savigny (Obligat.
II, 406), geradezu als "geheimnissvoll" erscheint. Die Aufgabe, welche die
Wissenschaft hier zu lösen hat, besteht in der Erklärung eines allge-
meinen
Handelns der Menschen, dessen Motive nicht klar zu Tage liegen,
und der Gedanke, dasselbe auf eine Uebereinkunft der Menschen, beziehungs-
weise auf den Ausdruck ihres Gesammtwillens, das Gesetz, zurückzuführen,
lag demnach, insbesondere mit Rücksicht auf die Münzform des Geldes, am
nächsten. Platon und Aristoteles folgen dieser Meinung. Der Erstere
nennt (de. rep. II, 12) das Geld "ein verabredetes Zeichen für den Tausch"
und Aristoteles sagt an einer vielfach angeführten Stelle (Eth. Nic. V, 8),
das Geld sei durch Uebereinkunft entstanden; nicht durch die Natur, sondern
durch das Gesetz. Deutlicher gibt er noch an einer andern Stelle (Pol. I, 6)
dieser Meinung Ausdruck. "Die Menschen," sagt er, "sind übereingekommen,
etwas als Aequivalent für jede Waare zu geben und zu nehmen," und daher
die Erscheinung des Geldes. -- Der römische Jurist Paulus, dessen An-
sichten über den Ursprung des Geldes uns in Justinian's Gesetzsammlung
(L. 1, D. de contr. emt. 18, 1) erhalten blieben, entledigt sich der Aufgabe
in ähnlicher Weise, wie die griechischen Philosophen. Er weist auf die
Schwierigkeiten hin, welche dem blossen Tauschhandel entgegenstehen, und
gibt seine Meinung dahin ab, dass dieselben durch eine öffentliche Einrich-
tung -- das Geld -- behoben worden seien. "Es wurde ein Stoff aus-
gewählt," schreibt Paulus, "dessen öffentliche, den Schwankungen der
übrigen Waaren entrückte Bewerthung ihm einen stets gleichmässigen äussern
(Nominal-) Werth gab; dieser Stoff sei Seitens der Gesellschaft mit einem
Zeichen (seines äussern Werthes) versehen worden und gründe seinen Gebrauch
und seine Tauschkraft nicht so sehr auf die Substanz, als vielmehr auf seinen
Neunwerth." Auch Paulus führt demnach den Ursprung des Geldes auf die
gesellschaftliche Autorität zurück. -- Daneben macht sich allerdings auch
schon im Alterthume das Bestreben geltend, die eigenthümliche Stellung,
welche die edlen Metalle im Kreise der übrigen Waaren einnehmen, auf
Ueber das Wesen und den Ursprung des Geldes.

Einen nicht zu leugnenden, wenn auch geringeren Einfluss
auf den Geldcharakter einer Waare, pflegt innerhalb der staat-

in ausreichender Weise gedeckt haben, hat bereits die grossen Denker des
Alterthums und bis auf unsere Tage eine lange Reihe der ausgezeichnetsten
Forscher beschäftigt, wie kein anderes Problem unserer Wissenschaft. Dass
ein Gut von seinem Besitzer gegen ein anderes ihm nützlicheres im Aus-
tausche hingegeben wird, ist eine Erscheinung, die auch dem gemeinsten
Verstande einleuchtet; dass aber jedes wirthschaftende Subject eines Volkes
begierig sein sollte, seine Waaren gegen kleine Metall-Platten einzutauschen,
von welchen der Regel nach doch nur Wenige in directer Weise Ge-
brauch zu machen in der Lage sind, dies ist ein dem gewöhnlichen Laufe
der Dinge so widersprechender Vorgang, dass es uns nicht Wunder nehmen
darf, wenn er selbst einem so ausgezeichneten Denker, wie Savigny (Obligat.
II, 406), geradezu als „geheimnissvoll“ erscheint. Die Aufgabe, welche die
Wissenschaft hier zu lösen hat, besteht in der Erklärung eines allge-
meinen
Handelns der Menschen, dessen Motive nicht klar zu Tage liegen,
und der Gedanke, dasselbe auf eine Uebereinkunft der Menschen, beziehungs-
weise auf den Ausdruck ihres Gesammtwillens, das Gesetz, zurückzuführen,
lag demnach, insbesondere mit Rücksicht auf die Münzform des Geldes, am
nächsten. Platon und Aristoteles folgen dieser Meinung. Der Erstere
nennt (de. rep. II, 12) das Geld „ein verabredetes Zeichen für den Tausch“
und Aristoteles sagt an einer vielfach angeführten Stelle (Eth. Nic. V, 8),
das Geld sei durch Uebereinkunft entstanden; nicht durch die Natur, sondern
durch das Gesetz. Deutlicher gibt er noch an einer andern Stelle (Pol. I, 6)
dieser Meinung Ausdruck. „Die Menschen,“ sagt er, „sind übereingekommen,
etwas als Aequivalent für jede Waare zu geben und zu nehmen,“ und daher
die Erscheinung des Geldes. — Der römische Jurist Paulus, dessen An-
sichten über den Ursprung des Geldes uns in Justinian’s Gesetzsammlung
(L. 1, D. de contr. emt. 18, 1) erhalten blieben, entledigt sich der Aufgabe
in ähnlicher Weise, wie die griechischen Philosophen. Er weist auf die
Schwierigkeiten hin, welche dem blossen Tauschhandel entgegenstehen, und
gibt seine Meinung dahin ab, dass dieselben durch eine öffentliche Einrich-
tung — das Geld — behoben worden seien. „Es wurde ein Stoff aus-
gewählt,“ schreibt Paulus, „dessen öffentliche, den Schwankungen der
übrigen Waaren entrückte Bewerthung ihm einen stets gleichmässigen äussern
(Nominal-) Werth gab; dieser Stoff sei Seitens der Gesellschaft mit einem
Zeichen (seines äussern Werthes) versehen worden und gründe seinen Gebrauch
und seine Tauschkraft nicht so sehr auf die Substanz, als vielmehr auf seinen
Neunwerth.“ Auch Paulus führt demnach den Ursprung des Geldes auf die
gesellschaftliche Autorität zurück. — Daneben macht sich allerdings auch
schon im Alterthume das Bestreben geltend, die eigenthümliche Stellung,
welche die edlen Metalle im Kreise der übrigen Waaren einnehmen, auf
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[256/0274] Ueber das Wesen und den Ursprung des Geldes. Einen nicht zu leugnenden, wenn auch geringeren Einfluss auf den Geldcharakter einer Waare, pflegt innerhalb der staat- *) *) in ausreichender Weise gedeckt haben, hat bereits die grossen Denker des Alterthums und bis auf unsere Tage eine lange Reihe der ausgezeichnetsten Forscher beschäftigt, wie kein anderes Problem unserer Wissenschaft. Dass ein Gut von seinem Besitzer gegen ein anderes ihm nützlicheres im Aus- tausche hingegeben wird, ist eine Erscheinung, die auch dem gemeinsten Verstande einleuchtet; dass aber jedes wirthschaftende Subject eines Volkes begierig sein sollte, seine Waaren gegen kleine Metall-Platten einzutauschen, von welchen der Regel nach doch nur Wenige in directer Weise Ge- brauch zu machen in der Lage sind, dies ist ein dem gewöhnlichen Laufe der Dinge so widersprechender Vorgang, dass es uns nicht Wunder nehmen darf, wenn er selbst einem so ausgezeichneten Denker, wie Savigny (Obligat. II, 406), geradezu als „geheimnissvoll“ erscheint. Die Aufgabe, welche die Wissenschaft hier zu lösen hat, besteht in der Erklärung eines allge- meinen Handelns der Menschen, dessen Motive nicht klar zu Tage liegen, und der Gedanke, dasselbe auf eine Uebereinkunft der Menschen, beziehungs- weise auf den Ausdruck ihres Gesammtwillens, das Gesetz, zurückzuführen, lag demnach, insbesondere mit Rücksicht auf die Münzform des Geldes, am nächsten. Platon und Aristoteles folgen dieser Meinung. Der Erstere nennt (de. rep. II, 12) das Geld „ein verabredetes Zeichen für den Tausch“ und Aristoteles sagt an einer vielfach angeführten Stelle (Eth. Nic. V, 8), das Geld sei durch Uebereinkunft entstanden; nicht durch die Natur, sondern durch das Gesetz. Deutlicher gibt er noch an einer andern Stelle (Pol. I, 6) dieser Meinung Ausdruck. „Die Menschen,“ sagt er, „sind übereingekommen, etwas als Aequivalent für jede Waare zu geben und zu nehmen,“ und daher die Erscheinung des Geldes. — Der römische Jurist Paulus, dessen An- sichten über den Ursprung des Geldes uns in Justinian’s Gesetzsammlung (L. 1, D. de contr. emt. 18, 1) erhalten blieben, entledigt sich der Aufgabe in ähnlicher Weise, wie die griechischen Philosophen. Er weist auf die Schwierigkeiten hin, welche dem blossen Tauschhandel entgegenstehen, und gibt seine Meinung dahin ab, dass dieselben durch eine öffentliche Einrich- tung — das Geld — behoben worden seien. „Es wurde ein Stoff aus- gewählt,“ schreibt Paulus, „dessen öffentliche, den Schwankungen der übrigen Waaren entrückte Bewerthung ihm einen stets gleichmässigen äussern (Nominal-) Werth gab; dieser Stoff sei Seitens der Gesellschaft mit einem Zeichen (seines äussern Werthes) versehen worden und gründe seinen Gebrauch und seine Tauschkraft nicht so sehr auf die Substanz, als vielmehr auf seinen Neunwerth.“ Auch Paulus führt demnach den Ursprung des Geldes auf die gesellschaftliche Autorität zurück. — Daneben macht sich allerdings auch schon im Alterthume das Bestreben geltend, die eigenthümliche Stellung, welche die edlen Metalle im Kreise der übrigen Waaren einnehmen, auf

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/274>, abgerufen am 28.03.2024.