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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Ueber den Begriff der Waare
den Begriff der Waare in populärem Sinne gebrauchen, sondern
auch um dessentwillen, weil ein Theil derjenigen, welche den
Begriff der Waare in dem weitern wissenschaftlichen Sinne des
Wortes auffassen, doch bald dies, bald jenes Element der
engeren populären Begriffsbestimmung in seine Definitionen auf-
nimmt *).


271 heisst es: "Waaren, oder andere bewegliche Sachen, oder für den Han-
delsverkehr bestimmte Werthpapiere." Immobilien und Arbeitslei-
stungen
werden im deutschen Handelsgesetzbuche niemals zu den Waaren
gerechnet, desgleichen Firmen als solche, welche, nebenbei gesagt, abge-
sondert von dem Geschäft, für welches sie geführt werden, im rechtlichen
Sinne gar nicht Waaren sein können (Art. 23), gleichwie alle übrigen "res
extra commercium." Schiffe werden im deutschen Handelsrecht den Waaren
entgegengestellt (Art. 67), doch gelten dieselben in manchen andern Codifi-
cationen für "bewegliche Sachen" und können den Waarencharakter erlangen
(s. Goldschmidt Handelsrecht, I, 2. Abth., §. 60, pag. 527, Anm. 7, 1868).
Die juristische Literatur über den Begriff Waare: ibid. pag. 525; doch be-
stimmt Goldschmidt selbst (I, 1, Abth. 298) den Begriff "Waare" auch vom
juristischen Standpunkte aus zu eng, wenn er die vom Producenten für
den Austausch bereit gehaltenen Güter nicht zu den Waaren rechnet. In den
römischen Rechtsquellen werden "merx, respromercalis, mercatura" etc. bald in
dem engern Sinne des Handelsobjectes, bald in dem weiteren der feilgebo-
tenen Sache gebraucht. (1. 73, §. 4, D. de legat. (32, 3); 1. 32, §. 4, D.
de aur. arg. 34, 2; 1. 1, pr. §. 1, D. de cont. emt. (18, 1); 1. 42, D. de
fidejus. (46, 1). Das österreichische bürgerliche Gesetzbuch stellt (§. 991) die
Waaren den Schuldforderungen gegenüber.
*) Die Lehre von der Waare hat bei den Engländern, Franzosen
und Italienern mit einzelnen Ausnahmen überhaupt keine selbständige Bear-
beitung gefunden. Die Ausdrücke: goods, marchandises, merci etc. werden
fast durchwegs in dem populären Sinne von "Handelsgütern." "Kaufobjecten,"
und auch da nicht in technischem Sinne, sondern in höchst schwankender
Weise gebraucht. Häufig werden die Waaren den Arbeitsleistungen
und dem Gelde (Necker: Legislation et commerce des grains, I, Chap. 12;
Genovesi: Lezioni, II, 2, §. 4), regelmässig den unbeweglichen Gütern
(Guillaumin et Cocquelin: Dictionnaire, II, 131. Art. "marchandise" v. Hor.
Say), bisweilen als Manufacturproducte den Rohstoffen (Quesnay: Maximes
generales XVII.), oder den Unterhaltsmitteln: denrees (Dutot: Sur le com-
merce etc., Chap. I, 10) entgegengesetzt, während Montesquieu (Esprit
des lois, XXII, 7) "marchandises" eben im Sinne von: "denrees" gebraucht.
Roberts, ein Zeitgenosse Mun's, definirt (Merchant's map, 4th ed, S. 6 ff.): the
things wherewith the merchants negotiate and traffick are termend "merchan-
dises," und theilt die letztern in "wares" und "moneys." Der Diction naire

Ueber den Begriff der Waare
den Begriff der Waare in populärem Sinne gebrauchen, sondern
auch um dessentwillen, weil ein Theil derjenigen, welche den
Begriff der Waare in dem weitern wissenschaftlichen Sinne des
Wortes auffassen, doch bald dies, bald jenes Element der
engeren populären Begriffsbestimmung in seine Definitionen auf-
nimmt *).


271 heisst es: „Waaren, oder andere bewegliche Sachen, oder für den Han-
delsverkehr bestimmte Werthpapiere.“ Immobilien und Arbeitslei-
stungen
werden im deutschen Handelsgesetzbuche niemals zu den Waaren
gerechnet, desgleichen Firmen als solche, welche, nebenbei gesagt, abge-
sondert von dem Geschäft, für welches sie geführt werden, im rechtlichen
Sinne gar nicht Waaren sein können (Art. 23), gleichwie alle übrigen „res
extra commercium.“ Schiffe werden im deutschen Handelsrecht den Waaren
entgegengestellt (Art. 67), doch gelten dieselben in manchen andern Codifi-
cationen für „bewegliche Sachen“ und können den Waarencharakter erlangen
(s. Goldschmidt Handelsrecht, I, 2. Abth., §. 60, pag. 527, Anm. 7, 1868).
Die juristische Literatur über den Begriff Waare: ibid. pag. 525; doch be-
stimmt Goldschmidt selbst (I, 1, Abth. 298) den Begriff „Waare“ auch vom
juristischen Standpunkte aus zu eng, wenn er die vom Producenten für
den Austausch bereit gehaltenen Güter nicht zu den Waaren rechnet. In den
römischen Rechtsquellen werden „merx, respromercalis, mercatura“ etc. bald in
dem engern Sinne des Handelsobjectes, bald in dem weiteren der feilgebo-
tenen Sache gebraucht. (1. 73, §. 4, D. de legat. (32, 3); 1. 32, §. 4, D.
de aur. arg. 34, 2; 1. 1, pr. §. 1, D. de cont. emt. (18, 1); 1. 42, D. de
fidejus. (46, 1). Das österreichische bürgerliche Gesetzbuch stellt (§. 991) die
Waaren den Schuldforderungen gegenüber.
*) Die Lehre von der Waare hat bei den Engländern, Franzosen
und Italienern mit einzelnen Ausnahmen überhaupt keine selbständige Bear-
beitung gefunden. Die Ausdrücke: goods, marchandises, merci etc. werden
fast durchwegs in dem populären Sinne von „Handelsgütern.“ „Kaufobjecten,“
und auch da nicht in technischem Sinne, sondern in höchst schwankender
Weise gebraucht. Häufig werden die Waaren den Arbeitsleistungen
und dem Gelde (Necker: Legislation et commerce des grains, I, Chap. 12;
Genovesi: Lezioni, II, 2, §. 4), regelmässig den unbeweglichen Gütern
(Guillaumin et Cocquelin: Dictionnaire, II, 131. Art. „marchandise“ v. Hor.
Say), bisweilen als Manufacturproducte den Rohstoffen (Quesnay: Maximes
generales XVII.), oder den Unterhaltsmitteln: denrées (Dutot: Sur le com-
merce etc., Chap. I, 10) entgegengesetzt, während Montesquieu (Esprit
des lois, XXII, 7) „marchandises“ eben im Sinne von: „denrées“ gebraucht.
Roberts, ein Zeitgenosse Mun’s, definirt (Merchant’s map, 4th ed, S. 6 ff.): the
things wherewith the merchants negotiate and traffick are termend „merchan-
dises,“ und theilt die letztern in „wares“ und „moneys.“ Der Diction naire
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[229/0247] Ueber den Begriff der Waare den Begriff der Waare in populärem Sinne gebrauchen, sondern auch um dessentwillen, weil ein Theil derjenigen, welche den Begriff der Waare in dem weitern wissenschaftlichen Sinne des Wortes auffassen, doch bald dies, bald jenes Element der engeren populären Begriffsbestimmung in seine Definitionen auf- nimmt *). *) *) Die Lehre von der Waare hat bei den Engländern, Franzosen und Italienern mit einzelnen Ausnahmen überhaupt keine selbständige Bear- beitung gefunden. Die Ausdrücke: goods, marchandises, merci etc. werden fast durchwegs in dem populären Sinne von „Handelsgütern.“ „Kaufobjecten,“ und auch da nicht in technischem Sinne, sondern in höchst schwankender Weise gebraucht. Häufig werden die Waaren den Arbeitsleistungen und dem Gelde (Necker: Legislation et commerce des grains, I, Chap. 12; Genovesi: Lezioni, II, 2, §. 4), regelmässig den unbeweglichen Gütern (Guillaumin et Cocquelin: Dictionnaire, II, 131. Art. „marchandise“ v. Hor. Say), bisweilen als Manufacturproducte den Rohstoffen (Quesnay: Maximes generales XVII.), oder den Unterhaltsmitteln: denrées (Dutot: Sur le com- merce etc., Chap. I, 10) entgegengesetzt, während Montesquieu (Esprit des lois, XXII, 7) „marchandises“ eben im Sinne von: „denrées“ gebraucht. Roberts, ein Zeitgenosse Mun’s, definirt (Merchant’s map, 4th ed, S. 6 ff.): the things wherewith the merchants negotiate and traffick are termend „merchan- dises,“ und theilt die letztern in „wares“ und „moneys.“ Der Diction naire *) 271 heisst es: „Waaren, oder andere bewegliche Sachen, oder für den Han- delsverkehr bestimmte Werthpapiere.“ Immobilien und Arbeitslei- stungen werden im deutschen Handelsgesetzbuche niemals zu den Waaren gerechnet, desgleichen Firmen als solche, welche, nebenbei gesagt, abge- sondert von dem Geschäft, für welches sie geführt werden, im rechtlichen Sinne gar nicht Waaren sein können (Art. 23), gleichwie alle übrigen „res extra commercium.“ Schiffe werden im deutschen Handelsrecht den Waaren entgegengestellt (Art. 67), doch gelten dieselben in manchen andern Codifi- cationen für „bewegliche Sachen“ und können den Waarencharakter erlangen (s. Goldschmidt Handelsrecht, I, 2. Abth., §. 60, pag. 527, Anm. 7, 1868). Die juristische Literatur über den Begriff Waare: ibid. pag. 525; doch be- stimmt Goldschmidt selbst (I, 1, Abth. 298) den Begriff „Waare“ auch vom juristischen Standpunkte aus zu eng, wenn er die vom Producenten für den Austausch bereit gehaltenen Güter nicht zu den Waaren rechnet. In den römischen Rechtsquellen werden „merx, respromercalis, mercatura“ etc. bald in dem engern Sinne des Handelsobjectes, bald in dem weiteren der feilgebo- tenen Sache gebraucht. (1. 73, §. 4, D. de legat. (32, 3); 1. 32, §. 4, D. de aur. arg. 34, 2; 1. 1, pr. §. 1, D. de cont. emt. (18, 1); 1. 42, D. de fidejus. (46, 1). Das österreichische bürgerliche Gesetzbuch stellt (§. 991) die Waaren den Schuldforderungen gegenüber.

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/247>, abgerufen am 19.04.2024.