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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Ueber den Begriff der Waare.

In der wissenschaftlichen Darstellung machte sich indess
das Bedürfniss nach einer Bezeichnung aller für den Austausch
bestimmten ökonomischen Güter, ohne Rücksicht auf ihre Körper-
lichkeit, Beweglichkeit, ihren Charakter als Arbeitsproducte, oder
die Person, welche dieselben feilbietet, geltend, und so versteht
denn eine grosse Anzahl zumal deutscher Nationalökonomen
unter Waaren: zum Austausch bestimmte (ökonomische)
Güter jeder Art
.

Der Begriff der Waare im populären Sinne des Wortes
ist aber nicht nur deshalb von Wichtigkeit, weil die Gesetz-
gebungen *) und eine grosse Anzahl von National-Oekonomen

Der Begriff der Waare verengert sich demnach in dem Volksmunde natur-
gemäss zu einer Bezeichnung jener ökonomischen Güter, welche sich unter
solchen äusseren Verhältnissen befinden, dass ein Rückschluss auf die
Absicht ihrer Besitzer, dieselben zu veräussern, dem Beurtheiler möglich ist.
-- Je weiter die Cultur eines Volkes fortschreitet, und je einseitiger die
Production der einzelnen wirthschaftenden Individuen wird, um so umfang-
reicher werden die Grundlagen zu ökonomischen Täuschen, um so grösser die
absolute und relative Menge derjenigen Güter, welche jeweilig den Waaren-
charakter haben, und es ist der ökonomische Nutzen, welcher sich aus der
Ausbeutung der obigen Verhältnisse ziehen lässt, schliesslich gross genug,
um eine besondere Classe von wirthschaftenden Individuen hervorzurufen,
welche den intellectuellen und mechanischen Theil der Tauschoperationen für
die Gesellschaft besorgt, und sich dafür mit einem Theile des Tauschnutzens
belohnen lässt. Die ökonomischen Güter nehmen dann ihren Weg zumeist
nicht unmittelbar von den Producenten zu den Consumenten, sondern gehen
einen oft sehr complicirten Weg durch die Hände von mehr, oder minder zahl-
reichen Mittelspersonen, die durch ihren Beruf schon bestimmte ökonomi-
sche Güter als Waaren zu behandeln gewöhnt sind, und eigene Localitäten
zum Zwecke des Austausches dieser Güter für das Publicum offen halten. Auf
die betreffenden, in den Händen dieser Personen und solcher Producenten
befindlichen Güter, welche dieselben zum offenkundigen Zwecke der Veräus-
serung hervorbringen, hat nun der Volksmund insbesondere den Begriff der
Waare beschränkt und zwar unzweifelhaft aus dem Grunde, weil die Absicht
der Besitzer, jene Güter zu veräussern, in diesen Fällen für Jedermann
insbesondere leicht ersichtlich ist, (Kaufmannsgüter, marchandises, merchan-
dises, mercanzie etc.)
*) Auch das deutsche Handelsgesetzbuch gebraucht das Wort
"Waare" im populären, und nicht im technischen Sinne. Anstatt des Aus-
druckes "Waare" findet sich bisweilen "Gut" (Art. 365, 366, 367), "Gegen-
stand" (Art. 349, 359) oder "bewegliche Sache" (Art. 272, 301, 342); Art.
Ueber den Begriff der Waare.

In der wissenschaftlichen Darstellung machte sich indess
das Bedürfniss nach einer Bezeichnung aller für den Austausch
bestimmten ökonomischen Güter, ohne Rücksicht auf ihre Körper-
lichkeit, Beweglichkeit, ihren Charakter als Arbeitsproducte, oder
die Person, welche dieselben feilbietet, geltend, und so versteht
denn eine grosse Anzahl zumal deutscher Nationalökonomen
unter Waaren: zum Austausch bestimmte (ökonomische)
Güter jeder Art
.

Der Begriff der Waare im populären Sinne des Wortes
ist aber nicht nur deshalb von Wichtigkeit, weil die Gesetz-
gebungen *) und eine grosse Anzahl von National-Oekonomen

Der Begriff der Waare verengert sich demnach in dem Volksmunde natur-
gemäss zu einer Bezeichnung jener ökonomischen Güter, welche sich unter
solchen äusseren Verhältnissen befinden, dass ein Rückschluss auf die
Absicht ihrer Besitzer, dieselben zu veräussern, dem Beurtheiler möglich ist.
— Je weiter die Cultur eines Volkes fortschreitet, und je einseitiger die
Production der einzelnen wirthschaftenden Individuen wird, um so umfang-
reicher werden die Grundlagen zu ökonomischen Täuschen, um so grösser die
absolute und relative Menge derjenigen Güter, welche jeweilig den Waaren-
charakter haben, und es ist der ökonomische Nutzen, welcher sich aus der
Ausbeutung der obigen Verhältnisse ziehen lässt, schliesslich gross genug,
um eine besondere Classe von wirthschaftenden Individuen hervorzurufen,
welche den intellectuellen und mechanischen Theil der Tauschoperationen für
die Gesellschaft besorgt, und sich dafür mit einem Theile des Tauschnutzens
belohnen lässt. Die ökonomischen Güter nehmen dann ihren Weg zumeist
nicht unmittelbar von den Producenten zu den Consumenten, sondern gehen
einen oft sehr complicirten Weg durch die Hände von mehr, oder minder zahl-
reichen Mittelspersonen, die durch ihren Beruf schon bestimmte ökonomi-
sche Güter als Waaren zu behandeln gewöhnt sind, und eigene Localitäten
zum Zwecke des Austausches dieser Güter für das Publicum offen halten. Auf
die betreffenden, in den Händen dieser Personen und solcher Producenten
befindlichen Güter, welche dieselben zum offenkundigen Zwecke der Veräus-
serung hervorbringen, hat nun der Volksmund insbesondere den Begriff der
Waare beschränkt und zwar unzweifelhaft aus dem Grunde, weil die Absicht
der Besitzer, jene Güter zu veräussern, in diesen Fällen für Jedermann
insbesondere leicht ersichtlich ist, (Kaufmannsgüter, marchandises, merchan-
dises, mercanzie etc.)
*) Auch das deutsche Handelsgesetzbuch gebraucht das Wort
„Waare“ im populären, und nicht im technischen Sinne. Anstatt des Aus-
druckes „Waare“ findet sich bisweilen „Gut“ (Art. 365, 366, 367), „Gegen-
stand“ (Art. 349, 359) oder „bewegliche Sache“ (Art. 272, 301, 342); Art.
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[228/0246] Ueber den Begriff der Waare. In der wissenschaftlichen Darstellung machte sich indess das Bedürfniss nach einer Bezeichnung aller für den Austausch bestimmten ökonomischen Güter, ohne Rücksicht auf ihre Körper- lichkeit, Beweglichkeit, ihren Charakter als Arbeitsproducte, oder die Person, welche dieselben feilbietet, geltend, und so versteht denn eine grosse Anzahl zumal deutscher Nationalökonomen unter Waaren: zum Austausch bestimmte (ökonomische) Güter jeder Art. Der Begriff der Waare im populären Sinne des Wortes ist aber nicht nur deshalb von Wichtigkeit, weil die Gesetz- gebungen *) und eine grosse Anzahl von National-Oekonomen *) *) Auch das deutsche Handelsgesetzbuch gebraucht das Wort „Waare“ im populären, und nicht im technischen Sinne. Anstatt des Aus- druckes „Waare“ findet sich bisweilen „Gut“ (Art. 365, 366, 367), „Gegen- stand“ (Art. 349, 359) oder „bewegliche Sache“ (Art. 272, 301, 342); Art. *) Der Begriff der Waare verengert sich demnach in dem Volksmunde natur- gemäss zu einer Bezeichnung jener ökonomischen Güter, welche sich unter solchen äusseren Verhältnissen befinden, dass ein Rückschluss auf die Absicht ihrer Besitzer, dieselben zu veräussern, dem Beurtheiler möglich ist. — Je weiter die Cultur eines Volkes fortschreitet, und je einseitiger die Production der einzelnen wirthschaftenden Individuen wird, um so umfang- reicher werden die Grundlagen zu ökonomischen Täuschen, um so grösser die absolute und relative Menge derjenigen Güter, welche jeweilig den Waaren- charakter haben, und es ist der ökonomische Nutzen, welcher sich aus der Ausbeutung der obigen Verhältnisse ziehen lässt, schliesslich gross genug, um eine besondere Classe von wirthschaftenden Individuen hervorzurufen, welche den intellectuellen und mechanischen Theil der Tauschoperationen für die Gesellschaft besorgt, und sich dafür mit einem Theile des Tauschnutzens belohnen lässt. Die ökonomischen Güter nehmen dann ihren Weg zumeist nicht unmittelbar von den Producenten zu den Consumenten, sondern gehen einen oft sehr complicirten Weg durch die Hände von mehr, oder minder zahl- reichen Mittelspersonen, die durch ihren Beruf schon bestimmte ökonomi- sche Güter als Waaren zu behandeln gewöhnt sind, und eigene Localitäten zum Zwecke des Austausches dieser Güter für das Publicum offen halten. Auf die betreffenden, in den Händen dieser Personen und solcher Producenten befindlichen Güter, welche dieselben zum offenkundigen Zwecke der Veräus- serung hervorbringen, hat nun der Volksmund insbesondere den Begriff der Waare beschränkt und zwar unzweifelhaft aus dem Grunde, weil die Absicht der Besitzer, jene Güter zu veräussern, in diesen Fällen für Jedermann insbesondere leicht ersichtlich ist, (Kaufmannsgüter, marchandises, merchan- dises, mercanzie etc.)

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/246>, abgerufen am 28.03.2024.