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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Ueber den Begriff der Waare.
Wirthschaftlichkeit und Bequemlichkeit, ist aber nichtsdesto-
weniger für beide noch mit manchen schwer wiegenden Nachtheilen
verbunden. Der Consument muss noch immer einige Zeit auf
das Product warten und ist der Beschaffenheit desselben von
vornherein nie ganz sicher, der Producent ist bisweilen ganz
unbeschäftigt, bisweilen wiederum mit Aufträgen überhäuft, so
zwar, dass er bald feiern muss, bald dem auftretenden Bedarfe
nicht voll entsprechen kann. Diese Uebelstände haben zur Pro-
duction von Gütern auf ungewissen Verkauf geführt, also zur
Erzeugung von Gütern, welche der Producent am Lager hält,
um dem auftretenden Bedarfe sofort entsprechen zu können. Es
ist dies jene Methode der Versorgung der Gesellschaft, welche
bei fortschreitender Entwicklung der Volkswirthschaft einerseits
zur Fabriksindustrie (zur Massenproduction) und andererseits
zum Einkaufe von fertiger (Confections-)Waare Seitens der Con-
sumenten führt, also rücksichtlich der Producenten, wegen der
Möglichkeit der vollständigen Ausbeutung der Arbeitstheilung
und der Anwendung von Maschinen, die höchste Wirthschaftlich-
keit, rücksichtlich der Consumenten die höchste Sicherheit
(Augenschein vor dem Ankaufe) und Bequemlichkeit mit sich
bringt.

Die von dem Producenten, oder dem Zwischenhändler für
den Austausch bereit gehaltenen Producte nennt nun der ge-
meine Sprachgebrauch mit Beschränkung des Begriffes auf be-
wegliche Sachgüter, die nicht Geld sind, Waaren *).


*) Da der Umstand, dass ein Vermögensbestandtheil von dem Besitzer für den
Austausch bereit gehalten wird, für dritte Personen nicht in allen Fällen erkennbar
ist, so ist es begreiflich, dass der Begriff der Waare im gemeinen Leben noch
weiter verengert wurde und im Volksmunde ganz allgemein nur jene Güter
"Waaren" genannt werden, bei welchen die Absicht des Besitzers, sie zu ver-
äussern, auch für dritte Personen ersichtlich ist. Diese Absicht kann auf
sehr verschiedene Weise ausgedrückt werden. Am gewöhnlichsten erfolgt dies
jedoch durch Ausstellung derselben an Orten, wo Käufer derselben sich zu
versammeln pflegen, wie z. B. auf Märkten, Messen, Börsen, oder aber in
eigenen Localen, welche durch die äussere Bezeichnung und andere in
die Augen fallende Merkmale, den Zweck, zur Aufnahme von Waaren zu
dienen, documentiren, oder doch bekanntermassen zur Aufnahme solcher
Güter bestimmt sind, z. B. Verkaufsläden, Magazine, Lagerhäuser etc
15 *

Ueber den Begriff der Waare.
Wirthschaftlichkeit und Bequemlichkeit, ist aber nichtsdesto-
weniger für beide noch mit manchen schwer wiegenden Nachtheilen
verbunden. Der Consument muss noch immer einige Zeit auf
das Product warten und ist der Beschaffenheit desselben von
vornherein nie ganz sicher, der Producent ist bisweilen ganz
unbeschäftigt, bisweilen wiederum mit Aufträgen überhäuft, so
zwar, dass er bald feiern muss, bald dem auftretenden Bedarfe
nicht voll entsprechen kann. Diese Uebelstände haben zur Pro-
duction von Gütern auf ungewissen Verkauf geführt, also zur
Erzeugung von Gütern, welche der Producent am Lager hält,
um dem auftretenden Bedarfe sofort entsprechen zu können. Es
ist dies jene Methode der Versorgung der Gesellschaft, welche
bei fortschreitender Entwicklung der Volkswirthschaft einerseits
zur Fabriksindustrie (zur Massenproduction) und andererseits
zum Einkaufe von fertiger (Confections-)Waare Seitens der Con-
sumenten führt, also rücksichtlich der Producenten, wegen der
Möglichkeit der vollständigen Ausbeutung der Arbeitstheilung
und der Anwendung von Maschinen, die höchste Wirthschaftlich-
keit, rücksichtlich der Consumenten die höchste Sicherheit
(Augenschein vor dem Ankaufe) und Bequemlichkeit mit sich
bringt.

Die von dem Producenten, oder dem Zwischenhändler für
den Austausch bereit gehaltenen Producte nennt nun der ge-
meine Sprachgebrauch mit Beschränkung des Begriffes auf be-
wegliche Sachgüter, die nicht Geld sind, Waaren *).


*) Da der Umstand, dass ein Vermögensbestandtheil von dem Besitzer für den
Austausch bereit gehalten wird, für dritte Personen nicht in allen Fällen erkennbar
ist, so ist es begreiflich, dass der Begriff der Waare im gemeinen Leben noch
weiter verengert wurde und im Volksmunde ganz allgemein nur jene Güter
„Waaren“ genannt werden, bei welchen die Absicht des Besitzers, sie zu ver-
äussern, auch für dritte Personen ersichtlich ist. Diese Absicht kann auf
sehr verschiedene Weise ausgedrückt werden. Am gewöhnlichsten erfolgt dies
jedoch durch Ausstellung derselben an Orten, wo Käufer derselben sich zu
versammeln pflegen, wie z. B. auf Märkten, Messen, Börsen, oder aber in
eigenen Localen, welche durch die äussere Bezeichnung und andere in
die Augen fallende Merkmale, den Zweck, zur Aufnahme von Waaren zu
dienen, documentiren, oder doch bekanntermassen zur Aufnahme solcher
Güter bestimmt sind, z. B. Verkaufsläden, Magazine, Lagerhäuser etc
15 *
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[227/0245] Ueber den Begriff der Waare. Wirthschaftlichkeit und Bequemlichkeit, ist aber nichtsdesto- weniger für beide noch mit manchen schwer wiegenden Nachtheilen verbunden. Der Consument muss noch immer einige Zeit auf das Product warten und ist der Beschaffenheit desselben von vornherein nie ganz sicher, der Producent ist bisweilen ganz unbeschäftigt, bisweilen wiederum mit Aufträgen überhäuft, so zwar, dass er bald feiern muss, bald dem auftretenden Bedarfe nicht voll entsprechen kann. Diese Uebelstände haben zur Pro- duction von Gütern auf ungewissen Verkauf geführt, also zur Erzeugung von Gütern, welche der Producent am Lager hält, um dem auftretenden Bedarfe sofort entsprechen zu können. Es ist dies jene Methode der Versorgung der Gesellschaft, welche bei fortschreitender Entwicklung der Volkswirthschaft einerseits zur Fabriksindustrie (zur Massenproduction) und andererseits zum Einkaufe von fertiger (Confections-)Waare Seitens der Con- sumenten führt, also rücksichtlich der Producenten, wegen der Möglichkeit der vollständigen Ausbeutung der Arbeitstheilung und der Anwendung von Maschinen, die höchste Wirthschaftlich- keit, rücksichtlich der Consumenten die höchste Sicherheit (Augenschein vor dem Ankaufe) und Bequemlichkeit mit sich bringt. Die von dem Producenten, oder dem Zwischenhändler für den Austausch bereit gehaltenen Producte nennt nun der ge- meine Sprachgebrauch mit Beschränkung des Begriffes auf be- wegliche Sachgüter, die nicht Geld sind, Waaren *). *) Da der Umstand, dass ein Vermögensbestandtheil von dem Besitzer für den Austausch bereit gehalten wird, für dritte Personen nicht in allen Fällen erkennbar ist, so ist es begreiflich, dass der Begriff der Waare im gemeinen Leben noch weiter verengert wurde und im Volksmunde ganz allgemein nur jene Güter „Waaren“ genannt werden, bei welchen die Absicht des Besitzers, sie zu ver- äussern, auch für dritte Personen ersichtlich ist. Diese Absicht kann auf sehr verschiedene Weise ausgedrückt werden. Am gewöhnlichsten erfolgt dies jedoch durch Ausstellung derselben an Orten, wo Käufer derselben sich zu versammeln pflegen, wie z. B. auf Märkten, Messen, Börsen, oder aber in eigenen Localen, welche durch die äussere Bezeichnung und andere in die Augen fallende Merkmale, den Zweck, zur Aufnahme von Waaren zu dienen, documentiren, oder doch bekanntermassen zur Aufnahme solcher Güter bestimmt sind, z. B. Verkaufsläden, Magazine, Lagerhäuser etc 15 *

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/245>, abgerufen am 24.04.2024.