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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.

Bei richtiger Auffassung des Gesagten kann es nunmehr
auch nicht schwer werden, jedes Problem, bei welchem es sich

menschliches Bedürfniss befriedigen ... Hiernach stellt sich eine Classifi-
cation und Stufenleiter der menschlichen Bedürfnisse ein, mit welcher eine
Classification und Stufenleiter der Gütergattungen correspondirt." Nun ist das
Bedürfniss nach Wasser eines der intensivsten unter den menschlichen Be-
dürfnissen, denn von seiner Befriedigung hängt unser Leben ab, und Niemand
vermag zu läugnen, dass frisches Quellwasser dies Bedürfniss in der inten-
sivsten Weise befriedigt. Es müsste demnach dies Gut -- wofern K's Princip
des Werthmasses das richtige wäre -- auf der Stufenleiter der Gütergattun-
gen eine der höchsten Stufen einnehmen, während doch concrete Quan-
titäten
hievon der Regel nach keinen Werth haben, Gütergattungen
aber, wie wir bereits oben zeigten, überhaupt keinen Werth haben
können. Wenn K. im Verlaufe seiner Abhandlung nach einer ausführ-
lichen Untersuchung über das Mass des "abstracten Güterwerthes" auch den
privatwirthschaftlich-concreten Gebrauchswerth (S. 461) zur Sprache bringt,
so geschieht es doch nur, um mit Rau den häufigen Gegensatz zwischen dem
"Gattungswerthe" (in Wahrheit "Nützlichkeit") und dem concreten Werthe
der Güter, also den sehr richtigen Satz darzuthun, dass das Mass der Nütz-
lichkeit der Dinge etwas von dem Masse ihres Werthes wesentlich verschie-
denes ist. Zu einem Principe der Grössenbestimmung des Gebrauchswerthes in
seiner concreten Form gelangt K. nicht, obzwar er demselben an einer
Stelle seiner gedankenreichen Abhandlung (S. 441) sehr nahe kommt. -- Von
einem anderen Standpunkte aus ist Schäffle (Tübing. Univers. Schriften,
1862, 5. Abth., S. 12 ff.) an die Lösung der Frage gegangen. "Die Thätig-
keit des Wirthschaftens," schreibt der scharfsinnige Forscher, "wird um so
energischer in Anregung kommen, je dringender das persönliche Bedürfniss
für ein Gut, und je schwieriger das diesem Bedürfniss entsprechende Gut
zu beschaffen ist. Je mehr diese beiden Factoren: Intensivität des Begehrens
und Intensivität der Schwierigkeit des Erlangens, auf einander wirken, desto
stärker tritt die Bedeutung des Gutes in das die wirthschaftliche Thätigkeit
leitende Bewusstsein. Auf dieses Grundverhältniss führen alle Sätze über
Mass und Bewegung des Werthes zurück." Ich stimme nun Sch. vollkommen
bei, wenn er sagt, dass je dringender das persönliche Bedürfniss nach einem
Gute ist, um so energischer auch unsere wirthschaftliche Thätigkeit in Be-
wegung gesetzt wird, überall dort, wo es sich darum handelt, uns das bezügliche
Gut zu verschaffen; andererseits ist aber nicht minder sicher, dass nicht
wenige Güter, nach welchen wir die dringendsten Bedürfnisse empfinden
(z. B. Wasser), der Regel nach gar keinen, andere, welche nur zur Befrie-
digung von Bedürfnissen von viel geringerer Bedeutung tauglich sind
(Jagdschlösser, künstliche Wildententeiche u. dgl. m.) einen nicht un-
beträchtlichen Werth für die Menschen haben. Die Dringlichkeit der Be-
Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.

Bei richtiger Auffassung des Gesagten kann es nunmehr
auch nicht schwer werden, jedes Problem, bei welchem es sich

menschliches Bedürfniss befriedigen … Hiernach stellt sich eine Classifi-
cation und Stufenleiter der menschlichen Bedürfnisse ein, mit welcher eine
Classification und Stufenleiter der Gütergattungen correspondirt.“ Nun ist das
Bedürfniss nach Wasser eines der intensivsten unter den menschlichen Be-
dürfnissen, denn von seiner Befriedigung hängt unser Leben ab, und Niemand
vermag zu läugnen, dass frisches Quellwasser dies Bedürfniss in der inten-
sivsten Weise befriedigt. Es müsste demnach dies Gut — wofern K’s Princip
des Werthmasses das richtige wäre — auf der Stufenleiter der Gütergattun-
gen eine der höchsten Stufen einnehmen, während doch concrete Quan-
titäten
hievon der Regel nach keinen Werth haben, Gütergattungen
aber, wie wir bereits oben zeigten, überhaupt keinen Werth haben
können. Wenn K. im Verlaufe seiner Abhandlung nach einer ausführ-
lichen Untersuchung über das Mass des „abstracten Güterwerthes“ auch den
privatwirthschaftlich-concreten Gebrauchswerth (S. 461) zur Sprache bringt,
so geschieht es doch nur, um mit Rau den häufigen Gegensatz zwischen dem
„Gattungswerthe“ (in Wahrheit „Nützlichkeit“) und dem concreten Werthe
der Güter, also den sehr richtigen Satz darzuthun, dass das Mass der Nütz-
lichkeit der Dinge etwas von dem Masse ihres Werthes wesentlich verschie-
denes ist. Zu einem Principe der Grössenbestimmung des Gebrauchswerthes in
seiner concreten Form gelangt K. nicht, obzwar er demselben an einer
Stelle seiner gedankenreichen Abhandlung (S. 441) sehr nahe kommt. — Von
einem anderen Standpunkte aus ist Schäffle (Tübing. Univers. Schriften,
1862, 5. Abth., S. 12 ff.) an die Lösung der Frage gegangen. „Die Thätig-
keit des Wirthschaftens,“ schreibt der scharfsinnige Forscher, „wird um so
energischer in Anregung kommen, je dringender das persönliche Bedürfniss
für ein Gut, und je schwieriger das diesem Bedürfniss entsprechende Gut
zu beschaffen ist. Je mehr diese beiden Factoren: Intensivität des Begehrens
und Intensivität der Schwierigkeit des Erlangens, auf einander wirken, desto
stärker tritt die Bedeutung des Gutes in das die wirthschaftliche Thätigkeit
leitende Bewusstsein. Auf dieses Grundverhältniss führen alle Sätze über
Mass und Bewegung des Werthes zurück.“ Ich stimme nun Sch. vollkommen
bei, wenn er sagt, dass je dringender das persönliche Bedürfniss nach einem
Gute ist, um so energischer auch unsere wirthschaftliche Thätigkeit in Be-
wegung gesetzt wird, überall dort, wo es sich darum handelt, uns das bezügliche
Gut zu verschaffen; andererseits ist aber nicht minder sicher, dass nicht
wenige Güter, nach welchen wir die dringendsten Bedürfnisse empfinden
(z. B. Wasser), der Regel nach gar keinen, andere, welche nur zur Befrie-
digung von Bedürfnissen von viel geringerer Bedeutung tauglich sind
(Jagdschlösser, künstliche Wildententeiche u. dgl. m.) einen nicht un-
beträchtlichen Werth für die Menschen haben. Die Dringlichkeit der Be-
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[111/0129] Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes. Bei richtiger Auffassung des Gesagten kann es nunmehr auch nicht schwer werden, jedes Problem, bei welchem es sich *) *) menschliches Bedürfniss befriedigen … Hiernach stellt sich eine Classifi- cation und Stufenleiter der menschlichen Bedürfnisse ein, mit welcher eine Classification und Stufenleiter der Gütergattungen correspondirt.“ Nun ist das Bedürfniss nach Wasser eines der intensivsten unter den menschlichen Be- dürfnissen, denn von seiner Befriedigung hängt unser Leben ab, und Niemand vermag zu läugnen, dass frisches Quellwasser dies Bedürfniss in der inten- sivsten Weise befriedigt. Es müsste demnach dies Gut — wofern K’s Princip des Werthmasses das richtige wäre — auf der Stufenleiter der Gütergattun- gen eine der höchsten Stufen einnehmen, während doch concrete Quan- titäten hievon der Regel nach keinen Werth haben, Gütergattungen aber, wie wir bereits oben zeigten, überhaupt keinen Werth haben können. Wenn K. im Verlaufe seiner Abhandlung nach einer ausführ- lichen Untersuchung über das Mass des „abstracten Güterwerthes“ auch den privatwirthschaftlich-concreten Gebrauchswerth (S. 461) zur Sprache bringt, so geschieht es doch nur, um mit Rau den häufigen Gegensatz zwischen dem „Gattungswerthe“ (in Wahrheit „Nützlichkeit“) und dem concreten Werthe der Güter, also den sehr richtigen Satz darzuthun, dass das Mass der Nütz- lichkeit der Dinge etwas von dem Masse ihres Werthes wesentlich verschie- denes ist. Zu einem Principe der Grössenbestimmung des Gebrauchswerthes in seiner concreten Form gelangt K. nicht, obzwar er demselben an einer Stelle seiner gedankenreichen Abhandlung (S. 441) sehr nahe kommt. — Von einem anderen Standpunkte aus ist Schäffle (Tübing. Univers. Schriften, 1862, 5. Abth., S. 12 ff.) an die Lösung der Frage gegangen. „Die Thätig- keit des Wirthschaftens,“ schreibt der scharfsinnige Forscher, „wird um so energischer in Anregung kommen, je dringender das persönliche Bedürfniss für ein Gut, und je schwieriger das diesem Bedürfniss entsprechende Gut zu beschaffen ist. Je mehr diese beiden Factoren: Intensivität des Begehrens und Intensivität der Schwierigkeit des Erlangens, auf einander wirken, desto stärker tritt die Bedeutung des Gutes in das die wirthschaftliche Thätigkeit leitende Bewusstsein. Auf dieses Grundverhältniss führen alle Sätze über Mass und Bewegung des Werthes zurück.“ Ich stimme nun Sch. vollkommen bei, wenn er sagt, dass je dringender das persönliche Bedürfniss nach einem Gute ist, um so energischer auch unsere wirthschaftliche Thätigkeit in Be- wegung gesetzt wird, überall dort, wo es sich darum handelt, uns das bezügliche Gut zu verschaffen; andererseits ist aber nicht minder sicher, dass nicht wenige Güter, nach welchen wir die dringendsten Bedürfnisse empfinden (z. B. Wasser), der Regel nach gar keinen, andere, welche nur zur Befrie- digung von Bedürfnissen von viel geringerer Bedeutung tauglich sind (Jagdschlösser, künstliche Wildententeiche u. dgl. m.) einen nicht un- beträchtlichen Werth für die Menschen haben. Die Dringlichkeit der Be-

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/129>, abgerufen am 24.04.2024.