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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.

Wir haben demnach in unseren bisherigen Untersuchungen
einerseits die Verschiedenheit des Güterwerthes auf ihre letzten

debrand Proudhon's Widersprüche gegen die herrschende Werththeorie
zurückweist (Nationalökonomie der Gegenwart und Zukunft, 1848, S. 318 ff)
sagt derselbe: "Da der Nutzwerth immer eine Relation der Sache zum Men-
schen ist, so hat jede Gütergattung das Mass ihres Nutzwerthes an der Summe
und Rangordnung der menschlichen Bedürfnisse, welche sie befriedigt, und
wo keine Menschen und keine Bedürfnisse existiren, dort giebt es auch keinen
Nutzwerth. Die Summe des Nutzwerthes, welche jede Gütergattung besitzt,
bleibt daher, sobald sich nicht die Bedürfnisse der menschlichen Gesellschaft
ändern, unveränderlich, und vertheilt sich auf die einzelnen Stücke
der Gattung, je nach der Quantität derselben
. Je mehr sich die
Summe der Stücke vergrössert, desto geringer wird der Antheil, welcher
jedem Stücke vom Nutzwerthe der Gattung zufällt und umgekehrt." Die
obige Darlegung, welche eine unvergleichliche Anregung zur Forschung bot,
leidet nichtsdestoweniger an zwei Gebrechen, welche, wie wir sehen werden,
spätere Bearbeiter der Lehre zum Theile auch empfunden haben und zu
beseitigen bemüht waren. Unter dem Werthe einer "Gütergattung" kann
in dem obigen Zusammenhange füglich nichts Anderes verstanden werden,
als der Werth, welchen die Gesammtheit der verfügbaren Güter einer Gattung
für die menschliche Gesellschaft hat. Dieser Werth ist indess nicht realer
Natur
, das ist: nirgends in Wahrheit zu beobachten, indem der Werth stets
nur im Individuum und zwar rücksichtlich concreter Güterquantitäten zur
Erscheinung gelangt (v. oben S. 81). Würde man aber auch davon absehen und den
obigen "Gattungswerth" als die Gesammtheit des Werthes auffassen, welchen
die concreten Güter einer Gattung für die einzelnen Mitglieder der Gesell-
schaft, in deren Verfügung sie sich befinden, haben, so würde der obige
Satz H's doch nicht bestehen können, denn es ist klar, dass schon eine ver-
schiedene Vertheilung der in Rede stehenden Güter, geschweige denn die
Veränderung der verfügbaren Quantität derselben den "Gattungswerth" in
diesem Sinne verändern, ja, unter Umständen gänzlich aufheben müsste.
Ein "Gattungswerth" im eigentlichen Sinne des Wortes ist demnach, wofern
man die "Nützlichkeit," die "erkannte Nützlichkeit," beziehungsweise den
"Grad der Nützlichkeit" nicht mit dem "Werthe" verwechselt, nicht realer
Natur, nicht existent, der Gattungswerth im Sinne der Gesammtheit des
Werthes der concreten Güter einer gewissen Gattung für die einzelnen Mit-
glieder der menschlichen Gesellschaft aber -- auch wenn die Bedürfnisse dieser
letzteren sich nicht ändern -- keine unveränderliche Grösse und die Grund-
lage, auf welcher H. sein Calcul aufbaut, demnach anfechtbar. Dazu tritt
noch der Umstand, dass H. die verschiedene Bedeutung, welche die Befrie-
digung der einzelnen concreten Bedürfnisse für die Menschen hat, nicht
in Berücksichtigung zieht, wenn er den "Werth der Gattnug" auf die einzel-
Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.

Wir haben demnach in unseren bisherigen Untersuchungen
einerseits die Verschiedenheit des Güterwerthes auf ihre letzten

debrand Proudhon’s Widersprüche gegen die herrschende Werththeorie
zurückweist (Nationalökonomie der Gegenwart und Zukunft, 1848, S. 318 ff)
sagt derselbe: „Da der Nutzwerth immer eine Relation der Sache zum Men-
schen ist, so hat jede Gütergattung das Mass ihres Nutzwerthes an der Summe
und Rangordnung der menschlichen Bedürfnisse, welche sie befriedigt, und
wo keine Menschen und keine Bedürfnisse existiren, dort giebt es auch keinen
Nutzwerth. Die Summe des Nutzwerthes, welche jede Gütergattung besitzt,
bleibt daher, sobald sich nicht die Bedürfnisse der menschlichen Gesellschaft
ändern, unveränderlich, und vertheilt sich auf die einzelnen Stücke
der Gattung, je nach der Quantität derselben
. Je mehr sich die
Summe der Stücke vergrössert, desto geringer wird der Antheil, welcher
jedem Stücke vom Nutzwerthe der Gattung zufällt und umgekehrt.“ Die
obige Darlegung, welche eine unvergleichliche Anregung zur Forschung bot,
leidet nichtsdestoweniger an zwei Gebrechen, welche, wie wir sehen werden,
spätere Bearbeiter der Lehre zum Theile auch empfunden haben und zu
beseitigen bemüht waren. Unter dem Werthe einer „Gütergattung“ kann
in dem obigen Zusammenhange füglich nichts Anderes verstanden werden,
als der Werth, welchen die Gesammtheit der verfügbaren Güter einer Gattung
für die menschliche Gesellschaft hat. Dieser Werth ist indess nicht realer
Natur
, das ist: nirgends in Wahrheit zu beobachten, indem der Werth stets
nur im Individuum und zwar rücksichtlich concreter Güterquantitäten zur
Erscheinung gelangt (v. oben S. 81). Würde man aber auch davon absehen und den
obigen „Gattungswerth“ als die Gesammtheit des Werthes auffassen, welchen
die concreten Güter einer Gattung für die einzelnen Mitglieder der Gesell-
schaft, in deren Verfügung sie sich befinden, haben, so würde der obige
Satz H’s doch nicht bestehen können, denn es ist klar, dass schon eine ver-
schiedene Vertheilung der in Rede stehenden Güter, geschweige denn die
Veränderung der verfügbaren Quantität derselben den „Gattungswerth“ in
diesem Sinne verändern, ja, unter Umständen gänzlich aufheben müsste.
Ein „Gattungswerth“ im eigentlichen Sinne des Wortes ist demnach, wofern
man die „Nützlichkeit,“ die „erkannte Nützlichkeit,“ beziehungsweise den
„Grad der Nützlichkeit“ nicht mit dem „Werthe“ verwechselt, nicht realer
Natur, nicht existent, der Gattungswerth im Sinne der Gesammtheit des
Werthes der concreten Güter einer gewissen Gattung für die einzelnen Mit-
glieder der menschlichen Gesellschaft aber — auch wenn die Bedürfnisse dieser
letzteren sich nicht ändern — keine unveränderliche Grösse und die Grund-
lage, auf welcher H. sein Calcul aufbaut, demnach anfechtbar. Dazu tritt
noch der Umstand, dass H. die verschiedene Bedeutung, welche die Befrie-
digung der einzelnen concreten Bedürfnisse für die Menschen hat, nicht
in Berücksichtigung zieht, wenn er den „Werth der Gattnug“ auf die einzel-
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[109/0127] Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes. Wir haben demnach in unseren bisherigen Untersuchungen einerseits die Verschiedenheit des Güterwerthes auf ihre letzten *) *) debrand Proudhon’s Widersprüche gegen die herrschende Werththeorie zurückweist (Nationalökonomie der Gegenwart und Zukunft, 1848, S. 318 ff) sagt derselbe: „Da der Nutzwerth immer eine Relation der Sache zum Men- schen ist, so hat jede Gütergattung das Mass ihres Nutzwerthes an der Summe und Rangordnung der menschlichen Bedürfnisse, welche sie befriedigt, und wo keine Menschen und keine Bedürfnisse existiren, dort giebt es auch keinen Nutzwerth. Die Summe des Nutzwerthes, welche jede Gütergattung besitzt, bleibt daher, sobald sich nicht die Bedürfnisse der menschlichen Gesellschaft ändern, unveränderlich, und vertheilt sich auf die einzelnen Stücke der Gattung, je nach der Quantität derselben. Je mehr sich die Summe der Stücke vergrössert, desto geringer wird der Antheil, welcher jedem Stücke vom Nutzwerthe der Gattung zufällt und umgekehrt.“ Die obige Darlegung, welche eine unvergleichliche Anregung zur Forschung bot, leidet nichtsdestoweniger an zwei Gebrechen, welche, wie wir sehen werden, spätere Bearbeiter der Lehre zum Theile auch empfunden haben und zu beseitigen bemüht waren. Unter dem Werthe einer „Gütergattung“ kann in dem obigen Zusammenhange füglich nichts Anderes verstanden werden, als der Werth, welchen die Gesammtheit der verfügbaren Güter einer Gattung für die menschliche Gesellschaft hat. Dieser Werth ist indess nicht realer Natur, das ist: nirgends in Wahrheit zu beobachten, indem der Werth stets nur im Individuum und zwar rücksichtlich concreter Güterquantitäten zur Erscheinung gelangt (v. oben S. 81). Würde man aber auch davon absehen und den obigen „Gattungswerth“ als die Gesammtheit des Werthes auffassen, welchen die concreten Güter einer Gattung für die einzelnen Mitglieder der Gesell- schaft, in deren Verfügung sie sich befinden, haben, so würde der obige Satz H’s doch nicht bestehen können, denn es ist klar, dass schon eine ver- schiedene Vertheilung der in Rede stehenden Güter, geschweige denn die Veränderung der verfügbaren Quantität derselben den „Gattungswerth“ in diesem Sinne verändern, ja, unter Umständen gänzlich aufheben müsste. Ein „Gattungswerth“ im eigentlichen Sinne des Wortes ist demnach, wofern man die „Nützlichkeit,“ die „erkannte Nützlichkeit,“ beziehungsweise den „Grad der Nützlichkeit“ nicht mit dem „Werthe“ verwechselt, nicht realer Natur, nicht existent, der Gattungswerth im Sinne der Gesammtheit des Werthes der concreten Güter einer gewissen Gattung für die einzelnen Mit- glieder der menschlichen Gesellschaft aber — auch wenn die Bedürfnisse dieser letzteren sich nicht ändern — keine unveränderliche Grösse und die Grund- lage, auf welcher H. sein Calcul aufbaut, demnach anfechtbar. Dazu tritt noch der Umstand, dass H. die verschiedene Bedeutung, welche die Befrie- digung der einzelnen concreten Bedürfnisse für die Menschen hat, nicht in Berücksichtigung zieht, wenn er den „Werth der Gattnug“ auf die einzel-

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/127>, abgerufen am 20.04.2024.