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Mendel, Gregor: Versuche über Pflanzen-Hybriden. In: Verhandlungen des Naturforschenden Vereines in Brünn 4 (1866), S. 3-47.

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bung erhielt, während das bei Pisum durchschnittlich schon an jeder
vierten Pflanze der Fall ist.

Aber auch diese räthselhaften Erscheinungen würden sich wahr-
scheinlich nach dem für Pisum geltenden Gesetze erklären lassen, wenn
man voraussetzen dürfte, dass die Blumen- und Samenfarbe des Ph.
multiflorus aus zwei oder mehreren ganz selbsständigen Farben zusam-
mengesetzt sei, die sich einzeln ebenso verhalten, wie jedes andere
constante Merkmal an der Pflanze. Wäre die Blüthenfarbe A zusam-
mengesetzt aus den selbstständigen Merkmalen A1 + A2 + ...., welche
den Gesammt-Eindruck der purpurrothen Färbung hervorrufen, so müssten
durch Befruchtung mit dem differirenden Merkmale der weissen Farbe a
die hybriden Verbindungen A1 a + A2 a + .... gebildet werden, und ähu-
lich würde es sich mit der correspondirenden Färbung der Samenschale
verhalten. Nach der obigen Voraussetzung wäre jede von diesen hy-
briden Farbenverbindungen selbstständig und würde sich demnach ganz
unabhängig von den übrigen entwickeln. Man sieht dann leicht ein, dass
aus der Combinirung der einzelnen Entwicklungsreihen eine vollständige
Farbenreihe hervorgehen müsste. Wäre z. B. A = A1 + A2, so entspre-
chen den Hybriden A1 a und A2 a die Entwicklungsreihen
A1 + 2 A1 a + a
A
2 + 2 A2 a + a.

Die Glieder dieser Reihen können in 9 verschiedene Verbin-
dungen treten und jede davon stellt die Bezeichnung für eine andere
Farbe vor:

[Tabelle]

Die den einzelnen Verbindungen vorausgesetzten Zahlen geben
zugleich an, wie viele Pflanzen mit der entsprechenden Färbung in die
Reihe gehören. Da die Summe derselben 16 beträgt, so sind sämmt-
liche Farben im Durchschnitte auf je 16 Pflanzen vertheilt, jedoch wie
die Reihe selbst zeigt, in ungleichen Verhältnissen.

Würde die Farbenentwicklung wirklich in dieser Weise erfolgen,
so könnte auch der oben angeführte Fall eine Erklärung finden, dass
nämlich die weisse Blüthen- und Hülsenfarbe unter 31 Pflanzen der
ersten Generation nur einmal vorkam. Diese Färbung ist in der Reihe

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bung erhielt, während das bei Pisum durchschnittlich schon an jeder
vierten Pflanze der Fall ist.

Aber auch diese räthselhaften Erscheinungen würden sich wahr-
scheinlich nach dem für Pisum geltenden Gesetze erklären lassen, wenn
man voraussetzen dürfte, dass die Blumen- und Samenfarbe des Ph.
multiflorus aus zwei oder mehreren ganz selbsständigen Farben zusam-
mengesetzt sei, die sich einzeln ebenso verhalten, wie jedes andere
constante Merkmal an der Pflanze. Wäre die Blüthenfarbe A zusam-
mengesetzt aus den selbstständigen Merkmalen A1 + A2 + ...., welche
den Gesammt-Eindruck der purpurrothen Färbung hervorrufen, so müssten
durch Befruchtung mit dem differirenden Merkmale der weissen Farbe a
die hybriden Verbindungen A1 a + A2 a + .... gebildet werden, und ähu-
lich würde es sich mit der correspondirenden Färbung der Samenschale
verhalten. Nach der obigen Voraussetzung wäre jede von diesen hy-
briden Farbenverbindungen selbstständig und würde sich demnach ganz
unabhängig von den übrigen entwickeln. Man sieht dann leicht ein, dass
aus der Combinirung der einzelnen Entwicklungsreihen eine vollständige
Farbenreihe hervorgehen müsste. Wäre z. B. A = A1 + A2, so entspre-
chen den Hybriden A1 a und A2 a die Entwicklungsreihen
A1 + 2 A1 a + a
A
2 + 2 A2 a + a.

Die Glieder dieser Reihen können in 9 verschiedene Verbin-
dungen treten und jede davon stellt die Bezeichnung für eine andere
Farbe vor:

[Tabelle]

Die den einzelnen Verbindungen vorausgesetzten Zahlen geben
zugleich an, wie viele Pflanzen mit der entsprechenden Färbung in die
Reihe gehören. Da die Summe derselben 16 beträgt, so sind sämmt-
liche Farben im Durchschnitte auf je 16 Pflanzen vertheilt, jedoch wie
die Reihe selbst zeigt, in ungleichen Verhältnissen.

Würde die Farbenentwicklung wirklich in dieser Weise erfolgen,
so könnte auch der oben angeführte Fall eine Erklärung finden, dass
nämlich die weisse Blüthen- und Hülsenfarbe unter 31 Pflanzen der
ersten Generation nur einmal vorkam. Diese Färbung ist in der Reihe

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[35/0046] bung erhielt, während das bei Pisum durchschnittlich schon an jeder vierten Pflanze der Fall ist. Aber auch diese räthselhaften Erscheinungen würden sich wahr- scheinlich nach dem für Pisum geltenden Gesetze erklären lassen, wenn man voraussetzen dürfte, dass die Blumen- und Samenfarbe des Ph. multiflorus aus zwei oder mehreren ganz selbsständigen Farben zusam- mengesetzt sei, die sich einzeln ebenso verhalten, wie jedes andere constante Merkmal an der Pflanze. Wäre die Blüthenfarbe A zusam- mengesetzt aus den selbstständigen Merkmalen A1 + A2 + ...., welche den Gesammt-Eindruck der purpurrothen Färbung hervorrufen, so müssten durch Befruchtung mit dem differirenden Merkmale der weissen Farbe a die hybriden Verbindungen A1 a + A2 a + .... gebildet werden, und ähu- lich würde es sich mit der correspondirenden Färbung der Samenschale verhalten. Nach der obigen Voraussetzung wäre jede von diesen hy- briden Farbenverbindungen selbstständig und würde sich demnach ganz unabhängig von den übrigen entwickeln. Man sieht dann leicht ein, dass aus der Combinirung der einzelnen Entwicklungsreihen eine vollständige Farbenreihe hervorgehen müsste. Wäre z. B. A = A1 + A2, so entspre- chen den Hybriden A1 a und A2 a die Entwicklungsreihen A1 + 2 A1 a + a A2 + 2 A2 a + a. Die Glieder dieser Reihen können in 9 verschiedene Verbin- dungen treten und jede davon stellt die Bezeichnung für eine andere Farbe vor: Die den einzelnen Verbindungen vorausgesetzten Zahlen geben zugleich an, wie viele Pflanzen mit der entsprechenden Färbung in die Reihe gehören. Da die Summe derselben 16 beträgt, so sind sämmt- liche Farben im Durchschnitte auf je 16 Pflanzen vertheilt, jedoch wie die Reihe selbst zeigt, in ungleichen Verhältnissen. Würde die Farbenentwicklung wirklich in dieser Weise erfolgen, so könnte auch der oben angeführte Fall eine Erklärung finden, dass nämlich die weisse Blüthen- und Hülsenfarbe unter 31 Pflanzen der ersten Generation nur einmal vorkam. Diese Färbung ist in der Reihe 3*

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Zitationshilfe: Mendel, Gregor: Versuche über Pflanzen-Hybriden. In: Verhandlungen des Naturforschenden Vereines in Brünn 4 (1866), S. 3-47, hier S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendel_pflanzenhybriden_1866/46>, abgerufen am 24.04.2024.