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Melander, Otto: [Joco-seria] Das ander theil dieses Schimpff vnd Ernsts. Bd. 2. Lich, 1605.

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VII. Von einem Wästphälischen Stu-
denten/ so von vnhöfflichen Sit-
ten war.

EJn vornemer berümbter Doctor der heili-
gen Schrifft hat neben andern an seinem
Tisch einen Studenten auß Westphalen/
welcher zwar wol gelehret/ aber von bösen
Sitten war. Dann er aß nicht allein vnhöfflich/
sondern er pfleget auch allweg zu morgen vnnd a-
bends ein zimliche Last bey sich zu laden. Diß sein
frässigkeit verdroß vnder andern hefftig einen Ge-
schlechter von Franckfurt/ doch nam er sichs nicht
an deß Doctors halben/ welcher den Westphäling
wegen seiner geschickligkeit werth hatte. Nach dem
sie aber auff ein zeit kleine Fischlein assen/ vnnd der
Westphäling ein zimlich anzall auff seine schnitten
Brots name/ als ob es jrgend Kraut were/ ward
der Franckfurter so sehr vnmütig/ daß er etlichmal
in Sinn nam/ jhm ein Maulsehell ins Gesicht zu-
geben. Doch beiß ers in sich/ gab jhm vnderweilen
einen Löffel/ vnnd wolt also stillschweigend zuner-
nemen geben/ vnder einer solchen schnidden Brots
vnd einem Löffel ein geringer vnderscheid wer/ vnd
dz er vermöchte kaum so viel Fischlein in den Löffel
bringen/ als er sonst mit dem Brot auß der Schüs-
seln neme. Da nun der Westphäling nichts auff
diese heimliche straff gab/ sondern das mahlwerck
ohn scham schwind lauffen liesse/ wirt der Franck-
furter noch vnwilliger. Derwegen/ als er ein sol-
chen grossen bissen Brodt mit Fischen zum Mund
zu führte/ nimbt er jhn beym Arm/ schüttelt jhn da-
mit/ daß er die Fischlein auff den Tisch fallen ließ/
vnd man solche wol zehlen konte/ hunden also darin
[se]chszehen/ hierauff fieng er also an zu reden: Hoho/

West-
VII. Von einem Waͤſtphaͤliſchen Stu-
denten/ ſo von vnhoͤfflichen Sit-
ten war.

EJn vornemer beruͤmbter Doctor der heili-
gen Schrifft hat neben andern an ſeinem
Tiſch einen Studenten auß Weſtphalen/
welcher zwar wol gelehret/ aber von boͤſen
Sitten war. Dann er aß nicht allein vnhoͤfflich/
ſondern er pfleget auch allweg zu morgen vnnd a-
bends ein zimliche Laſt bey ſich zu laden. Diß ſein
fraͤſſigkeit verdroß vnder andern hefftig einen Ge-
ſchlechter von Franckfurt/ doch nam er ſichs nicht
an deß Doctors halben/ welcher den Weſtphaͤling
wegen ſeiner geſchickligkeit werth hatte. Nach dem
ſie aber auff ein zeit kleine Fiſchlein aſſen/ vnnd der
Weſtphaͤling ein zimlich anzall auff ſeine ſchnitten
Brots name/ als ob es jrgend Kraut were/ ward
der Franckfurter ſo ſehr vnmuͤtig/ daß er etlichmal
in Sinn nam/ jhm ein Maulſehell ins Geſicht zu-
geben. Doch beiß ers in ſich/ gab jhm vnderweilen
einen Loͤffel/ vnnd wolt alſo ſtillſchweigend zuner-
nemen geben/ vnder einer ſolchen ſchnidden Brots
vnd einem Loͤffel ein geringer vnderſcheid wer/ vnd
dz er vermoͤchte kaum ſo viel Fiſchlein in den Loͤffel
bringẽ/ als er ſonſt mit dem Brot auß der Schuͤſ-
ſeln neme. Da nun der Weſtphaͤling nichts auff
dieſe heimliche ſtraff gab/ ſondern das mahlwerck
ohn ſcham ſchwind lauffen lieſſe/ wirt der Franck-
furter noch vnwilliger. Derwegen/ als er ein ſol-
chen groſſen biſſen Brodt mit Fiſchen zum Mund
zu fuͤhrte/ nimbt er jhn beym Arm/ ſchuͤttelt jhn da-
mit/ daß er die Fiſchlein auff den Tiſch fallen ließ/
vnd man ſolche wol zehlen konte/ hunden alſo darin
[ſe]chszehen/ hierauff fieng er alſo an zu reden: Hoho/

Weſt-
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[8/0012] VII. Von einem Waͤſtphaͤliſchen Stu- denten/ ſo von vnhoͤfflichen Sit- ten war. EJn vornemer beruͤmbter Doctor der heili- gen Schrifft hat neben andern an ſeinem Tiſch einen Studenten auß Weſtphalen/ welcher zwar wol gelehret/ aber von boͤſen Sitten war. Dann er aß nicht allein vnhoͤfflich/ ſondern er pfleget auch allweg zu morgen vnnd a- bends ein zimliche Laſt bey ſich zu laden. Diß ſein fraͤſſigkeit verdroß vnder andern hefftig einen Ge- ſchlechter von Franckfurt/ doch nam er ſichs nicht an deß Doctors halben/ welcher den Weſtphaͤling wegen ſeiner geſchickligkeit werth hatte. Nach dem ſie aber auff ein zeit kleine Fiſchlein aſſen/ vnnd der Weſtphaͤling ein zimlich anzall auff ſeine ſchnitten Brots name/ als ob es jrgend Kraut were/ ward der Franckfurter ſo ſehr vnmuͤtig/ daß er etlichmal in Sinn nam/ jhm ein Maulſehell ins Geſicht zu- geben. Doch beiß ers in ſich/ gab jhm vnderweilen einen Loͤffel/ vnnd wolt alſo ſtillſchweigend zuner- nemen geben/ vnder einer ſolchen ſchnidden Brots vnd einem Loͤffel ein geringer vnderſcheid wer/ vnd dz er vermoͤchte kaum ſo viel Fiſchlein in den Loͤffel bringẽ/ als er ſonſt mit dem Brot auß der Schuͤſ- ſeln neme. Da nun der Weſtphaͤling nichts auff dieſe heimliche ſtraff gab/ ſondern das mahlwerck ohn ſcham ſchwind lauffen lieſſe/ wirt der Franck- furter noch vnwilliger. Derwegen/ als er ein ſol- chen groſſen biſſen Brodt mit Fiſchen zum Mund zu fuͤhrte/ nimbt er jhn beym Arm/ ſchuͤttelt jhn da- mit/ daß er die Fiſchlein auff den Tiſch fallen ließ/ vnd man ſolche wol zehlen konte/ hunden alſo darin ſechszehen/ hierauff fieng er alſo an zu reden: Hoho/ Weſt-

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Zitationshilfe: Melander, Otto: [Joco-seria] Das ander theil dieses Schimpff vnd Ernsts. Bd. 2. Lich, 1605, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/melander_jocoseria02_1605/12>, abgerufen am 25.04.2024.