Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904.

Bild:
<< vorherige Seite

In einer Zeit, da die Frauenbewegung, die Arne Gaborg
den "größten Gedanken des XIX. Jahrhunderts" genannt
hat, ihren Zielen, wenn auch nur schrittweise,
immer näher und näher kommt, ist es begreiflich, daß ihr
eine Gegenbewegung erwächst, die ihr in stürmischem Tempo
an den Leib rückt. Aus den verschiedensten Lagern rekrutieren
sich deren Ritter. Hedwig Dohm hat sie in vier Kategorien
geteilt*), die aber der Vielfältigkeit dieser Gruppe durchaus
nicht genügen. Zuerst nennt sie die "Altgläubigen", - das
sind die "Rückwärtsglaubenden", eine Art Mumienanbeter,
voll Pietät für den Moder, voll Schauer gegen alles Werdende.
Der liebe Gott und "Naturgesetze" (von denen die
Wissenschaft nichts weiß) gehören zu ihrem Inventar. Dann
die "Herrenrechtler", die weniger auf den lieben Gott
und seine "Gesetze", als auf ihre eigenen, sehr irdischen
Rechte und Vorrechte sich berufen. Bei jeder Gelegenheit
betonen sie ihre Superiorität der Frau gegenüber, ängstlich
wollten sie an ihr festgehalten wissen - sie ist die letzte
Instanz des armen Schluckers, der von andern Männern
über die Achsel angesehen wird - denn wäre die Frau
nicht dümmer als er, wer wäre es denn?

Als dritten Typus nennt Hedwig Dohm den praktischen
Egoisten, den "Geschäfts-Antifeministen", der die Konkurrentin

*) In ihrem Buche: "Die Antifeministen".

In einer Zeit, da die Frauenbewegung, die Arne Gaborg
den »größten Gedanken des XIX. Jahrhunderts« genannt
hat, ihren Zielen, wenn auch nur schrittweise,
immer näher und näher kommt, ist es begreiflich, daß ihr
eine Gegenbewegung erwächst, die ihr in stürmischem Tempo
an den Leib rückt. Aus den verschiedensten Lagern rekrutieren
sich deren Ritter. Hedwig Dohm hat sie in vier Kategorien
geteilt*), die aber der Vielfältigkeit dieser Gruppe durchaus
nicht genügen. Zuerst nennt sie die »Altgläubigen«, – das
sind die »Rückwärtsglaubenden«, eine Art Mumienanbeter,
voll Pietät für den Moder, voll Schauer gegen alles Werdende.
Der liebe Gott und »Naturgesetze« (von denen die
Wissenschaft nichts weiß) gehören zu ihrem Inventar. Dann
die »Herrenrechtler«, die weniger auf den lieben Gott
und seine »Gesetze«, als auf ihre eigenen, sehr irdischen
Rechte und Vorrechte sich berufen. Bei jeder Gelegenheit
betonen sie ihre Superiorität der Frau gegenüber, ängstlich
wollten sie an ihr festgehalten wissen – sie ist die letzte
Instanz des armen Schluckers, der von andern Männern
über die Achsel angesehen wird – denn wäre die Frau
nicht dümmer als er, wer wäre es denn?

Als dritten Typus nennt Hedwig Dohm den praktischen
Egoisten, den »Geschäfts-Antifeministen«, der die Konkurrentin

*) In ihrem Buche: »Die Antifeministen«.
<TEI>
  <text>
    <pb facs="#f0007" n="1"/>
    <body>
      <div n="1">
        <p><hi rendition="#in">I</hi>n einer Zeit, da die Frauenbewegung, die Arne Gaborg<lb/>
den »größten Gedanken des XIX. Jahrhunderts« genannt<lb/>
hat, ihren Zielen, wenn auch nur schrittweise,<lb/>
immer näher und näher kommt, ist es begreiflich, daß ihr<lb/>
eine Gegenbewegung erwächst, die ihr in stürmischem Tempo<lb/>
an den Leib rückt. Aus den verschiedensten Lagern rekrutieren<lb/>
sich deren Ritter. Hedwig Dohm hat sie in vier Kategorien<lb/>
geteilt<note place="foot" n="*)">In ihrem Buche: »Die Antifeministen«.</note>, die aber der Vielfältigkeit dieser Gruppe durchaus<lb/>
nicht genügen. Zuerst nennt sie die »Altgläubigen«, &#x2013; das<lb/>
sind die »Rückwärtsglaubenden«, eine Art Mumienanbeter,<lb/>
voll Pietät für den Moder, voll Schauer gegen alles Werdende.<lb/>
Der liebe Gott und »Naturgesetze« (von denen die<lb/>
Wissenschaft nichts weiß) gehören zu ihrem Inventar. Dann<lb/>
die »Herrenrechtler«, die weniger auf den lieben Gott<lb/>
und seine »Gesetze«, als auf ihre eigenen, sehr irdischen<lb/>
Rechte und Vorrechte sich berufen. Bei jeder Gelegenheit<lb/>
betonen sie ihre Superiorität der Frau gegenüber, ängstlich<lb/>
wollten sie an ihr festgehalten wissen &#x2013; sie ist die letzte<lb/>
Instanz des armen Schluckers, der von andern Männern<lb/>
über die Achsel angesehen wird &#x2013; denn wäre die Frau<lb/>
nicht dümmer als er, wer wäre es denn?<lb/></p>
        <p>Als dritten Typus nennt Hedwig Dohm den praktischen<lb/>
Egoisten, den »Geschäfts-Antifeministen«, der die Konkurrentin<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1/0007] In einer Zeit, da die Frauenbewegung, die Arne Gaborg den »größten Gedanken des XIX. Jahrhunderts« genannt hat, ihren Zielen, wenn auch nur schrittweise, immer näher und näher kommt, ist es begreiflich, daß ihr eine Gegenbewegung erwächst, die ihr in stürmischem Tempo an den Leib rückt. Aus den verschiedensten Lagern rekrutieren sich deren Ritter. Hedwig Dohm hat sie in vier Kategorien geteilt *), die aber der Vielfältigkeit dieser Gruppe durchaus nicht genügen. Zuerst nennt sie die »Altgläubigen«, – das sind die »Rückwärtsglaubenden«, eine Art Mumienanbeter, voll Pietät für den Moder, voll Schauer gegen alles Werdende. Der liebe Gott und »Naturgesetze« (von denen die Wissenschaft nichts weiß) gehören zu ihrem Inventar. Dann die »Herrenrechtler«, die weniger auf den lieben Gott und seine »Gesetze«, als auf ihre eigenen, sehr irdischen Rechte und Vorrechte sich berufen. Bei jeder Gelegenheit betonen sie ihre Superiorität der Frau gegenüber, ängstlich wollten sie an ihr festgehalten wissen – sie ist die letzte Instanz des armen Schluckers, der von andern Männern über die Achsel angesehen wird – denn wäre die Frau nicht dümmer als er, wer wäre es denn? Als dritten Typus nennt Hedwig Dohm den praktischen Egoisten, den »Geschäfts-Antifeministen«, der die Konkurrentin *) In ihrem Buche: »Die Antifeministen«.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML. (2012-11-06T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
Austrian Literature Online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-06T13:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-06T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden übernommen.
  • Der Zeilenfall wurde beibehalten, die Silbentrennung aber wurde aufgehoben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meiselhess_weiberhass_1904
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meiselhess_weiberhass_1904/7
Zitationshilfe: Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904, S. 1. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meiselhess_weiberhass_1904/7>, abgerufen am 28.03.2024.