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Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904.

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Mädchen von vielleicht allzu zartbesaiteter Weiblichkeit, das
fast scheu unter seinen Werken wandelt.

Die "Männlichkeit" im Weibe ist nach Weininger die
"Bedingung ihres Höherstehens", daher auch - man höre!
- "homosexuelle Liebe gerade das Weib mehr ehrt als
das heterosexuelle Verhältnis"! Denn was das Weib zum
Weibe zieht, wäre die ihm innewohnende Männlichkeit (wie
steht's dann aber mit der Partnerin?), während es "das
Weibliche ist, das das Weib zum Manne treibt"; gewiß:
Weiblichkeit ist nun aber einmal ein "Greuel", daher "ehrt"
sie die homosexuelle Liebe! Jedenfalls recht interessante
Resultate einer pathologischen Aversion, die nur aus dem
einen Grund verdient ernstlich diskutiert zu werden, weil
sie mit ungeheuerlicher Anmaßung konsequent das Krankhafte
für das Gesunde einsetzt und dementsprechend ihre
"Gesetze" konstruiert. Ein weiteres Merkmal, wodurch
bedeutende Frauen "ihren Gehalt an Männlichkeit" offenbaren,
sei der Umstand, daß ihr männliches sexuelles Komplement
fast nie ein "echter" Mann ist. Ja, aber warum ist
er es meistens nicht? Weil es deren, wie mir scheint, überhaupt
nicht allzu viele gibt. Finden sich bedeutende
Menschen, werden sie einander wohl zu würdigen wissen,
was gerade die Beispiele beweisen, die Weininger zur Unterstützung
seiner Anschauung anführt: die Schriftstellerin
Daniel Stern war die Geliebte von Franz Liszt, der nach
Weininger "etwas Weibliches an sich hatte", ebenso wie -
nun kommt in der Tat eine sensationelle Enthüllung - wie
- Wagner! Wagner der Gigant - verweiblicht! Nun,
jedenfalls wäre es selbst bei den bedeutendsten Frauen
nicht zu verwundern, wenn solcher Unmännlichkeit
ihr ganzes Herz zufliegt. Auch daß Mysia, die berühmte
pythagoräische Philosophin, dem stärksten Athleten ihres
Landes ihre Hand versprach, zeigt nicht gerade von der
Abneigung der bedeutenden Frau gegen das "echt Männliche".

Mädchen von vielleicht allzu zartbesaiteter Weiblichkeit, das
fast scheu unter seinen Werken wandelt.

Die »Männlichkeit« im Weibe ist nach Weininger die
»Bedingung ihres Höherstehens«, daher auch – man höre!
– »homosexuelle Liebe gerade das Weib mehr ehrt als
das heterosexuelle Verhältnis«! Denn was das Weib zum
Weibe zieht, wäre die ihm innewohnende Männlichkeit (wie
steht's dann aber mit der Partnerin?), während es »das
Weibliche ist, das das Weib zum Manne treibt«; gewiß:
Weiblichkeit ist nun aber einmal ein »Greuel«, daher »ehrt«
sie die homosexuelle Liebe! Jedenfalls recht interessante
Resultate einer pathologischen Aversion, die nur aus dem
einen Grund verdient ernstlich diskutiert zu werden, weil
sie mit ungeheuerlicher Anmaßung konsequent das Krankhafte
für das Gesunde einsetzt und dementsprechend ihre
»Gesetze« konstruiert. Ein weiteres Merkmal, wodurch
bedeutende Frauen »ihren Gehalt an Männlichkeit« offenbaren,
sei der Umstand, daß ihr männliches sexuelles Komplement
fast nie ein »echter« Mann ist. Ja, aber warum ist
er es meistens nicht? Weil es deren, wie mir scheint, überhaupt
nicht allzu viele gibt. Finden sich bedeutende
Menschen, werden sie einander wohl zu würdigen wissen,
was gerade die Beispiele beweisen, die Weininger zur Unterstützung
seiner Anschauung anführt: die Schriftstellerin
Daniel Stern war die Geliebte von Franz Liszt, der nach
Weininger »etwas Weibliches an sich hatte«, ebenso wie –
nun kommt in der Tat eine sensationelle Enthüllung – wie
– Wagner! Wagner der Gigant – verweiblicht! Nun,
jedenfalls wäre es selbst bei den bedeutendsten Frauen
nicht zu verwundern, wenn solcher Unmännlichkeit
ihr ganzes Herz zufliegt. Auch daß Mysia, die berühmte
pythagoräische Philosophin, dem stärksten Athleten ihres
Landes ihre Hand versprach, zeigt nicht gerade von der
Abneigung der bedeutenden Frau gegen das »echt Männliche«.

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[17/0023] Mädchen von vielleicht allzu zartbesaiteter Weiblichkeit, das fast scheu unter seinen Werken wandelt. Die »Männlichkeit« im Weibe ist nach Weininger die »Bedingung ihres Höherstehens«, daher auch – man höre! – »homosexuelle Liebe gerade das Weib mehr ehrt als das heterosexuelle Verhältnis«! Denn was das Weib zum Weibe zieht, wäre die ihm innewohnende Männlichkeit (wie steht's dann aber mit der Partnerin?), während es »das Weibliche ist, das das Weib zum Manne treibt«; gewiß: Weiblichkeit ist nun aber einmal ein »Greuel«, daher »ehrt« sie die homosexuelle Liebe! Jedenfalls recht interessante Resultate einer pathologischen Aversion, die nur aus dem einen Grund verdient ernstlich diskutiert zu werden, weil sie mit ungeheuerlicher Anmaßung konsequent das Krankhafte für das Gesunde einsetzt und dementsprechend ihre »Gesetze« konstruiert. Ein weiteres Merkmal, wodurch bedeutende Frauen »ihren Gehalt an Männlichkeit« offenbaren, sei der Umstand, daß ihr männliches sexuelles Komplement fast nie ein »echter« Mann ist. Ja, aber warum ist er es meistens nicht? Weil es deren, wie mir scheint, überhaupt nicht allzu viele gibt. Finden sich bedeutende Menschen, werden sie einander wohl zu würdigen wissen, was gerade die Beispiele beweisen, die Weininger zur Unterstützung seiner Anschauung anführt: die Schriftstellerin Daniel Stern war die Geliebte von Franz Liszt, der nach Weininger »etwas Weibliches an sich hatte«, ebenso wie – nun kommt in der Tat eine sensationelle Enthüllung – wie – Wagner! Wagner der Gigant – verweiblicht! Nun, jedenfalls wäre es selbst bei den bedeutendsten Frauen nicht zu verwundern, wenn solcher Unmännlichkeit ihr ganzes Herz zufliegt. Auch daß Mysia, die berühmte pythagoräische Philosophin, dem stärksten Athleten ihres Landes ihre Hand versprach, zeigt nicht gerade von der Abneigung der bedeutenden Frau gegen das »echt Männliche«.

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Zitationshilfe: Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meiselhess_weiberhass_1904/23>, abgerufen am 29.03.2024.