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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Das öffentliche Sachenrecht.

IV. Wir haben nunmehr Begriff und Umfang der öffentlichen Sache
festgestellt. Die Bedeutung der öffentlichen Sache besteht darin, daß
die rechtliche Herrschaft, in welcher sie steht, nach öffentlichem Rechte
beurteilt wird. Diese Herrschaft steht immer einem Subjekte der
öffentlichen Verwaltung zu. Das Subjekt selbst und seine Herrschaft
können aber verschiedener Art sein. Dadurch ergeben sich auch Ver-
schiedenheiten der Zugehörigkeit der öffentlichen Sache.

1. Die öffentliche Sache kann nur einem Rechtssubjekte
der öffentlichen Verwaltung
zugehören. Daran erweist sich
ihr Wesen, das ja eben darin besteht, daß ihr Herr durch sie un-
mittelbar öffentliche Verwaltung führt.

Subjekt der öffentlichen Verwaltung ist aber nicht bloß der
Staat; der Staat ist es in erster Linie und in vollem Umfange;
dem entsprechend sind auch alle Arten von öffentlichen Sachen bei
ihm zu finden.

An seiner Stelle sind aber Subjekte der öffentlichen Verwaltung
vor allem auch die Selbstverwaltungskörper (unten § 55).
Folglich können wir erwarten, daß auch ein öffentliches Eigentum der
Provinzen, Kreise, Gemeinden u. s. w. uns entgegentritt. In welchem
Umfange das möglich ist, das hängt ab von dem Umfange des
Selbstverwaltungsrechts: nur für Zwecke, die innerhalb der Grenzen
desselben liegen, ist die Fähigkeit, öffentliche Verwaltung zu führen,
gegeben und folglich die Möglichkeit öffentlichen Eigentums. Wir finden
öffentliche Sachen der Gemeinden in Gestalt von Wegen, Brücken,
Brunnen; aber nicht in Gestalt von Festungswerken oder öffentlichen
Flüssen. Andere juristische Personen des öffentlichen Rechts haben
wieder gar keine öffentlichen Sachen, weil Zwecke, die in solcher
Form zu verfolgen wären, nicht in ihrem Selbstverwaltungsrechte
liegen32. Die Religionsgesellschaften und die verschiedenen juristischen

freiheit der öffentlichen Gebäude nach Preuß. Gebäudesteuerges. vom 21. Mai
1861, § 3. Dabei handelt es sich aber eben nicht um eine sachenrechtliche Ord-
nung. -- Auch privilegia fisci in Strafrechtsschutz, Ersitzung, Verfolgbarkeit
beweglicher Sachen, namentlich solcher, die einem öffentlichen Zwecke dienen, wie
die Bücher einer Bibliothek, die Stücke einer öffentlichen Sammlung, kommen vor.
Das ist zum Teil sachenrechtlicher Art, aber dann nur besonderes Civilrecht und
geht uns hier nichts an.
32 Wappäus, Dem Rechtsverkehre entzogene Sachen S. 96, und Kappeler,
Öff. Wasserlauf S. 24, S. 122, machen gegen Keller geltend: den Gemeinden könne
nur ein civilrechtliches Eigentum an ihren öffentlichen Wegen zustehen, denn das,
was Keller als die einzige Beherrschungsform der öffentlichen Sache hinstellt:
Hoheitsrechte, das können sie nicht haben. "Wo steht ein solches geschrieben?"
Das öffentliche Sachenrecht.

IV. Wir haben nunmehr Begriff und Umfang der öffentlichen Sache
festgestellt. Die Bedeutung der öffentlichen Sache besteht darin, daß
die rechtliche Herrschaft, in welcher sie steht, nach öffentlichem Rechte
beurteilt wird. Diese Herrschaft steht immer einem Subjekte der
öffentlichen Verwaltung zu. Das Subjekt selbst und seine Herrschaft
können aber verschiedener Art sein. Dadurch ergeben sich auch Ver-
schiedenheiten der Zugehörigkeit der öffentlichen Sache.

1. Die öffentliche Sache kann nur einem Rechtssubjekte
der öffentlichen Verwaltung
zugehören. Daran erweist sich
ihr Wesen, das ja eben darin besteht, daß ihr Herr durch sie un-
mittelbar öffentliche Verwaltung führt.

Subjekt der öffentlichen Verwaltung ist aber nicht bloß der
Staat; der Staat ist es in erster Linie und in vollem Umfange;
dem entsprechend sind auch alle Arten von öffentlichen Sachen bei
ihm zu finden.

An seiner Stelle sind aber Subjekte der öffentlichen Verwaltung
vor allem auch die Selbstverwaltungskörper (unten § 55).
Folglich können wir erwarten, daß auch ein öffentliches Eigentum der
Provinzen, Kreise, Gemeinden u. s. w. uns entgegentritt. In welchem
Umfange das möglich ist, das hängt ab von dem Umfange des
Selbstverwaltungsrechts: nur für Zwecke, die innerhalb der Grenzen
desselben liegen, ist die Fähigkeit, öffentliche Verwaltung zu führen,
gegeben und folglich die Möglichkeit öffentlichen Eigentums. Wir finden
öffentliche Sachen der Gemeinden in Gestalt von Wegen, Brücken,
Brunnen; aber nicht in Gestalt von Festungswerken oder öffentlichen
Flüssen. Andere juristische Personen des öffentlichen Rechts haben
wieder gar keine öffentlichen Sachen, weil Zwecke, die in solcher
Form zu verfolgen wären, nicht in ihrem Selbstverwaltungsrechte
liegen32. Die Religionsgesellschaften und die verschiedenen juristischen

freiheit der öffentlichen Gebäude nach Preuß. Gebäudesteuerges. vom 21. Mai
1861, § 3. Dabei handelt es sich aber eben nicht um eine sachenrechtliche Ord-
nung. — Auch privilegia fisci in Strafrechtsschutz, Ersitzung, Verfolgbarkeit
beweglicher Sachen, namentlich solcher, die einem öffentlichen Zwecke dienen, wie
die Bücher einer Bibliothek, die Stücke einer öffentlichen Sammlung, kommen vor.
Das ist zum Teil sachenrechtlicher Art, aber dann nur besonderes Civilrecht und
geht uns hier nichts an.
32 Wappäus, Dem Rechtsverkehre entzogene Sachen S. 96, und Kappeler,
Öff. Wasserlauf S. 24, S. 122, machen gegen Keller geltend: den Gemeinden könne
nur ein civilrechtliches Eigentum an ihren öffentlichen Wegen zustehen, denn das,
was Keller als die einzige Beherrschungsform der öffentlichen Sache hinstellt:
Hoheitsrechte, das können sie nicht haben. „Wo steht ein solches geschrieben?“
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[82/0094] Das öffentliche Sachenrecht. IV. Wir haben nunmehr Begriff und Umfang der öffentlichen Sache festgestellt. Die Bedeutung der öffentlichen Sache besteht darin, daß die rechtliche Herrschaft, in welcher sie steht, nach öffentlichem Rechte beurteilt wird. Diese Herrschaft steht immer einem Subjekte der öffentlichen Verwaltung zu. Das Subjekt selbst und seine Herrschaft können aber verschiedener Art sein. Dadurch ergeben sich auch Ver- schiedenheiten der Zugehörigkeit der öffentlichen Sache. 1. Die öffentliche Sache kann nur einem Rechtssubjekte der öffentlichen Verwaltung zugehören. Daran erweist sich ihr Wesen, das ja eben darin besteht, daß ihr Herr durch sie un- mittelbar öffentliche Verwaltung führt. Subjekt der öffentlichen Verwaltung ist aber nicht bloß der Staat; der Staat ist es in erster Linie und in vollem Umfange; dem entsprechend sind auch alle Arten von öffentlichen Sachen bei ihm zu finden. An seiner Stelle sind aber Subjekte der öffentlichen Verwaltung vor allem auch die Selbstverwaltungskörper (unten § 55). Folglich können wir erwarten, daß auch ein öffentliches Eigentum der Provinzen, Kreise, Gemeinden u. s. w. uns entgegentritt. In welchem Umfange das möglich ist, das hängt ab von dem Umfange des Selbstverwaltungsrechts: nur für Zwecke, die innerhalb der Grenzen desselben liegen, ist die Fähigkeit, öffentliche Verwaltung zu führen, gegeben und folglich die Möglichkeit öffentlichen Eigentums. Wir finden öffentliche Sachen der Gemeinden in Gestalt von Wegen, Brücken, Brunnen; aber nicht in Gestalt von Festungswerken oder öffentlichen Flüssen. Andere juristische Personen des öffentlichen Rechts haben wieder gar keine öffentlichen Sachen, weil Zwecke, die in solcher Form zu verfolgen wären, nicht in ihrem Selbstverwaltungsrechte liegen 32. Die Religionsgesellschaften und die verschiedenen juristischen 31 32 Wappäus, Dem Rechtsverkehre entzogene Sachen S. 96, und Kappeler, Öff. Wasserlauf S. 24, S. 122, machen gegen Keller geltend: den Gemeinden könne nur ein civilrechtliches Eigentum an ihren öffentlichen Wegen zustehen, denn das, was Keller als die einzige Beherrschungsform der öffentlichen Sache hinstellt: Hoheitsrechte, das können sie nicht haben. „Wo steht ein solches geschrieben?“ 31 freiheit der öffentlichen Gebäude nach Preuß. Gebäudesteuerges. vom 21. Mai 1861, § 3. Dabei handelt es sich aber eben nicht um eine sachenrechtliche Ord- nung. — Auch privilegia fisci in Strafrechtsschutz, Ersitzung, Verfolgbarkeit beweglicher Sachen, namentlich solcher, die einem öffentlichen Zwecke dienen, wie die Bücher einer Bibliothek, die Stücke einer öffentlichen Sammlung, kommen vor. Das ist zum Teil sachenrechtlicher Art, aber dann nur besonderes Civilrecht und geht uns hier nichts an.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/94>, abgerufen am 19.04.2024.