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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 35. Begriff und Umfang des öffentlichen Eigentums.
werke und unterrichtende Gegenstände der Beschauung durch das
Publikum zugänglich gemacht sind, oder Bücher aus der Bibliothek
verliehen werden. Das Gebäude selbst, das diese Fahrnis verwahrt,
unterliegt keinem Gemeingebrauch, wenn es auch zu bestimmten
Zeiten dem allgemeinen Zutritt geöffnet wird. Noch weniger genügt
es natürlich, daß das Gebäude dem Dienste einer öffentlichen Anstalt,
der Thätigkeit einer Behörde Unterkunft gewährt; es wird da-
durch nur Mittel der öffentlichen Verwaltung, nicht selbst ihre Ver-
körperung30.

Fahrnisgegenstände und Gebäude, diese mit Ausnahme
der Kirchengebäude, erscheinen überhaupt durchweg nicht als öffent-
liche Sachen. Wenn man sie so nennt, so hält diese Behauptung
doch niemals die Probe aus: sie werden in Wahrheit nicht nach öffent-
lichem Recht, sondern nach dem gewöhnlichen Civilrecht behandelt,
vielleicht hier und da nach einem etwas veränderten Civilrecht. Die
Titulatur hat keinen Zweck31.

30 Ubbelohde, Forts. v. Glücks Pand., Buch 43 u. 44, 1, S. 115 ff.
rechnet eine Reihe von öffentlichen Gebäuden zu den öffentlichen Sachen, res publi-
cae: Parlamentshäuser, Ministerial-, Verwaltungs-, Gerichts-Gebäude, Gefängnisse,
Gasanstalten, elektrische Werke, Schlachthäuser, Markthallen. Nachdem er das
gethan hat, glaubt er aus der rechtlichen Behandlung dieser Sachen nachweisen
zu können, daß der von uns behauptete Begriff eines öffentlichen, d. h. öffentlich-
rechtlichen Eigentums falsch ist. Werden denn nicht an Dienstgebäuden u. s. w.
Mietsverträge, Verkäufe, Ersitzungen, kurz allerlei civilrechtliche Rechtsinstitute
zur Anwendung gebracht? Die Anwendbarkeit dieser Rechtsinstitute, die wir gar
nicht bestreiten, ist aber nur der Beweis, daß Ubbelohdes Voraussetzung un-
richtig ist, und daß vielmehr alle diese Gebäude öffentliches Eigentum nicht sind.
Ubbelohde steht unter dem Einfluß des römischen Rechts, das namentlich zur
Zeit der Republik den Begriff der res publicae viel weiter ausdehnte und ausdehnen
mußte. Nachdem wir einmal die umfassende Anwendbarkeit des Civilrechts auf
den Staat anerkannt haben (Bd. I, § 4 Note 15, § 5 Note 2), müssen wir den
Kreis viel enger ziehen. Ubbelohde freilich glaubt, nur nach dem Maßstabe der
Statthaftigkeit des Gemeingebrauchs den Umfang der öffentlichen Sache zu be-
stimmen. Damit zerstört er aber zugleich diesen Begriff des Gemein-
gebrauchs: von einem Gemeingebrauch an Ministerialgebäuden z. B., oder gar an
Gefängnissen kann man doch nur sprechen, wenn man darauf verzichtet, irgend
etwas bestimmtes damit sagen zu wollen.
Auch in der französischen Rechtswissenschaft war früher eine Strömung vor-
handen, welche Dienstgebäude und Verwaltungsgebäude zum domaine public
ziehen wollte. Seit Ducroqs trefflicher Abhandlung, des edifices publics, ist dort
die Frage wohl endgültig erledigt.
31 Wenigstens für unsere Frage ist sie gleichgültig. In anderer Beziehung
können Sachen, namentlich Gebäude noch als "öffentliche" unterschieden werden,
um besondere rechtliche Bestimmungen daran zu knüpfen. So z. B. die Steuer-
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 6

§ 35. Begriff und Umfang des öffentlichen Eigentums.
werke und unterrichtende Gegenstände der Beschauung durch das
Publikum zugänglich gemacht sind, oder Bücher aus der Bibliothek
verliehen werden. Das Gebäude selbst, das diese Fahrnis verwahrt,
unterliegt keinem Gemeingebrauch, wenn es auch zu bestimmten
Zeiten dem allgemeinen Zutritt geöffnet wird. Noch weniger genügt
es natürlich, daß das Gebäude dem Dienste einer öffentlichen Anstalt,
der Thätigkeit einer Behörde Unterkunft gewährt; es wird da-
durch nur Mittel der öffentlichen Verwaltung, nicht selbst ihre Ver-
körperung30.

Fahrnisgegenstände und Gebäude, diese mit Ausnahme
der Kirchengebäude, erscheinen überhaupt durchweg nicht als öffent-
liche Sachen. Wenn man sie so nennt, so hält diese Behauptung
doch niemals die Probe aus: sie werden in Wahrheit nicht nach öffent-
lichem Recht, sondern nach dem gewöhnlichen Civilrecht behandelt,
vielleicht hier und da nach einem etwas veränderten Civilrecht. Die
Titulatur hat keinen Zweck31.

30 Ubbelohde, Forts. v. Glücks Pand., Buch 43 u. 44, 1, S. 115 ff.
rechnet eine Reihe von öffentlichen Gebäuden zu den öffentlichen Sachen, res publi-
cae: Parlamentshäuser, Ministerial-, Verwaltungs-, Gerichts-Gebäude, Gefängnisse,
Gasanstalten, elektrische Werke, Schlachthäuser, Markthallen. Nachdem er das
gethan hat, glaubt er aus der rechtlichen Behandlung dieser Sachen nachweisen
zu können, daß der von uns behauptete Begriff eines öffentlichen, d. h. öffentlich-
rechtlichen Eigentums falsch ist. Werden denn nicht an Dienstgebäuden u. s. w.
Mietsverträge, Verkäufe, Ersitzungen, kurz allerlei civilrechtliche Rechtsinstitute
zur Anwendung gebracht? Die Anwendbarkeit dieser Rechtsinstitute, die wir gar
nicht bestreiten, ist aber nur der Beweis, daß Ubbelohdes Voraussetzung un-
richtig ist, und daß vielmehr alle diese Gebäude öffentliches Eigentum nicht sind.
Ubbelohde steht unter dem Einfluß des römischen Rechts, das namentlich zur
Zeit der Republik den Begriff der res publicae viel weiter ausdehnte und ausdehnen
mußte. Nachdem wir einmal die umfassende Anwendbarkeit des Civilrechts auf
den Staat anerkannt haben (Bd. I, § 4 Note 15, § 5 Note 2), müssen wir den
Kreis viel enger ziehen. Ubbelohde freilich glaubt, nur nach dem Maßstabe der
Statthaftigkeit des Gemeingebrauchs den Umfang der öffentlichen Sache zu be-
stimmen. Damit zerstört er aber zugleich diesen Begriff des Gemein-
gebrauchs: von einem Gemeingebrauch an Ministerialgebäuden z. B., oder gar an
Gefängnissen kann man doch nur sprechen, wenn man darauf verzichtet, irgend
etwas bestimmtes damit sagen zu wollen.
Auch in der französischen Rechtswissenschaft war früher eine Strömung vor-
handen, welche Dienstgebäude und Verwaltungsgebäude zum domaine public
ziehen wollte. Seit Ducroqs trefflicher Abhandlung, des édifices publics, ist dort
die Frage wohl endgültig erledigt.
31 Wenigstens für unsere Frage ist sie gleichgültig. In anderer Beziehung
können Sachen, namentlich Gebäude noch als „öffentliche“ unterschieden werden,
um besondere rechtliche Bestimmungen daran zu knüpfen. So z. B. die Steuer-
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 6
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[81/0093] § 35. Begriff und Umfang des öffentlichen Eigentums. werke und unterrichtende Gegenstände der Beschauung durch das Publikum zugänglich gemacht sind, oder Bücher aus der Bibliothek verliehen werden. Das Gebäude selbst, das diese Fahrnis verwahrt, unterliegt keinem Gemeingebrauch, wenn es auch zu bestimmten Zeiten dem allgemeinen Zutritt geöffnet wird. Noch weniger genügt es natürlich, daß das Gebäude dem Dienste einer öffentlichen Anstalt, der Thätigkeit einer Behörde Unterkunft gewährt; es wird da- durch nur Mittel der öffentlichen Verwaltung, nicht selbst ihre Ver- körperung 30. Fahrnisgegenstände und Gebäude, diese mit Ausnahme der Kirchengebäude, erscheinen überhaupt durchweg nicht als öffent- liche Sachen. Wenn man sie so nennt, so hält diese Behauptung doch niemals die Probe aus: sie werden in Wahrheit nicht nach öffent- lichem Recht, sondern nach dem gewöhnlichen Civilrecht behandelt, vielleicht hier und da nach einem etwas veränderten Civilrecht. Die Titulatur hat keinen Zweck 31. 30 Ubbelohde, Forts. v. Glücks Pand., Buch 43 u. 44, 1, S. 115 ff. rechnet eine Reihe von öffentlichen Gebäuden zu den öffentlichen Sachen, res publi- cae: Parlamentshäuser, Ministerial-, Verwaltungs-, Gerichts-Gebäude, Gefängnisse, Gasanstalten, elektrische Werke, Schlachthäuser, Markthallen. Nachdem er das gethan hat, glaubt er aus der rechtlichen Behandlung dieser Sachen nachweisen zu können, daß der von uns behauptete Begriff eines öffentlichen, d. h. öffentlich- rechtlichen Eigentums falsch ist. Werden denn nicht an Dienstgebäuden u. s. w. Mietsverträge, Verkäufe, Ersitzungen, kurz allerlei civilrechtliche Rechtsinstitute zur Anwendung gebracht? Die Anwendbarkeit dieser Rechtsinstitute, die wir gar nicht bestreiten, ist aber nur der Beweis, daß Ubbelohdes Voraussetzung un- richtig ist, und daß vielmehr alle diese Gebäude öffentliches Eigentum nicht sind. Ubbelohde steht unter dem Einfluß des römischen Rechts, das namentlich zur Zeit der Republik den Begriff der res publicae viel weiter ausdehnte und ausdehnen mußte. Nachdem wir einmal die umfassende Anwendbarkeit des Civilrechts auf den Staat anerkannt haben (Bd. I, § 4 Note 15, § 5 Note 2), müssen wir den Kreis viel enger ziehen. Ubbelohde freilich glaubt, nur nach dem Maßstabe der Statthaftigkeit des Gemeingebrauchs den Umfang der öffentlichen Sache zu be- stimmen. Damit zerstört er aber zugleich diesen Begriff des Gemein- gebrauchs: von einem Gemeingebrauch an Ministerialgebäuden z. B., oder gar an Gefängnissen kann man doch nur sprechen, wenn man darauf verzichtet, irgend etwas bestimmtes damit sagen zu wollen. Auch in der französischen Rechtswissenschaft war früher eine Strömung vor- handen, welche Dienstgebäude und Verwaltungsgebäude zum domaine public ziehen wollte. Seit Ducroqs trefflicher Abhandlung, des édifices publics, ist dort die Frage wohl endgültig erledigt. 31 Wenigstens für unsere Frage ist sie gleichgültig. In anderer Beziehung können Sachen, namentlich Gebäude noch als „öffentliche“ unterschieden werden, um besondere rechtliche Bestimmungen daran zu knüpfen. So z. B. die Steuer- Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 6

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/93>, abgerufen am 19.04.2024.